Abbildungsmatrizen

Unter einer "Abbildung" versteht man ein Verfahren, mit dem man eine geometrische Form in eine mehr oder minder "ähnliche" andere überführen kann

(wobei hier das Wort "ähnlich" noch im alltagssprachlichen, also noch nicht im mathematischen Sinn benutzt sei).

Und da sei daran erinnert, dass ältere Maler meist noch eine weitgehend "identische" Abbildung versucht haben

 
(dabei sei hier davon abgesehen, dass das Original
[also der ehemalige amerikanische Präsident Abraham Lincoln]
bunt war
und außerdem kein Gemälde, sondern eine Fotografie vorliegt)
,

während moderne Künstler oftmals freier mit dem Original umgingen:

Aber auch das Bild hat noch mit dem Original eine gewisse

(wieder alltagssprachlich gemeinte)

Ähnlichkeit, d.h. zumindest aus einiger Entfernung erkennen wir auch in Lincoln wieder.


Es gibt verschiedene Arten der geometrischen Abbildung:

  1. die "Kongruenzabbildungen", bei denen

Kongruenzabbildungen sind

  1. die

(jetzt im mathematischen Sinn)

"Ähnlichkeitsabbildungen", bei denen sich

Das beste Beispiel ist die Vergrößerung oder Verkleinerung:

Das geeignete Abbildungsverfahren ist hier die"zentrische Streckung". 

Hier sei schon angemerkt, dass die zentrische Streckung nicht "längentreu" ist, d.h. Streckenlängen werden verändert (größer oder ggf. kleiner).

Vielmehr bleiben "nur" die Verhältnisse von Strecken und auch die Winkel unverändert

(woraus dann nebenbei folgt

[und das wird unten noch wichtig!],

dass Parallelen parallel bleiben).

  1. die "Scherung", bei der

 

Die Scherung ist im Gegensatz zu den Kongruenz- und Ähnlichkeitsabbildungen nicht "winkeltreu", d.h. die Winkel verändern sich.

Schauen wir uns aber an, was die bisher genannten Abbildungen 1., 2. und 3. bei allen Unterschieden

(teilweise [nicht]  form-, flächengrößen-, längen- und winkeltreu)

trotzdem gemeinsam haben:

  1. sind sie allesamt "geradentreu", d.h. aus Geraden (bzw. Strecken) werden wieder Geraden (bzw. Strecken),
  2. sind sie allesamt umkehrbar, d.h. mit geeigneten Verfahren

(z.B. in 2. mittels Verkleinerung statt vorheriger Vergrößerung)

lässt sich aus dem Abbild wieder das Original (re-)konstruieren,

  1. sind sie "parallelentreu", d.h. aus Parallelen werden wieder Parallelen

(vgl. - und /  bei der Scherung),

  1. und nicht ganz so einfach zu erkennen: sie sind "teilverhältnistreu", d.h. wenn ein Punkt A im Originalbild eine Strecke BC in einem bestimmten Verhältnis teilt (z.B. drittelt), so teilt auch der Bildpunkt A' die entsprechende Bildstrecke B'C' im selben Verhältnis (z.B. Drittelung).

Schön klar machen lässt sich das an der zentrischen Streckung:

Nun gibt es aber noch mehr Abbildungen als die bisherig genannten, die die Bedingungen a. bis d. erfüllen, nämlich

  1. die sogenannten "affinen Abbildungen"
  af|fin [lat.]: 1. verwandt. 2. durch eine affine Abbildung auseinander hervorgehend; -e Geome- trie: Sätze, die von gleichbleibenden Eigenschaften [a. bis d.] von Figuren [...] handeln. 3. reaktionsfähig (Chem.).

Af|fi|ni|tät [lat.; "Verwandtschaft"] die; -, -en: 1. Wesensverwandtschaft von Begriffen u. Vorstellungen (Philos.). 2. Triebkraft einer chemischen Reaktion, Bestreben von Atomen od. Atomgruppen (vgl. Atom), sich miteinander zu vereinigen (Chem.). 3. a) = affine Abbildung; b) Bezeichnung für die bei einer affinen Abbildung gleichbleibende Eigenschaft geometrischer Figuren. 4. Schwägerschaft, das Verhältnis zwischen einem Ehegatten u. den Verwandten des anderen (Rechtsw.). 5. eine der Ursachen für Gestaltungsbewegungen von Protoplasma (Biol.). 6. Anziehungskraft, die Menschen aufeinander ausüben (Sozialpsychol.). 7. Ähnlichkeit zwischen unverwandten Sprachen; vgl. Affiliation (1) (Sprachw.).

(Duden - Fremdwörterlexikon)

Schauen wir uns dazu die Scherung, also

  ,

nochmals genauer an.

Die Gleichheit der Flächengrößen wurde dabei dadurch erreicht, dass die Grundstrecke und die Höhe erhalten blieben.

Wenn wir nun auf diese beiden Gleichheiten verzichten, also

also

 ,

so gelten dennoch auch hier die Bedingungen a. bis d.

Gezeigt sei hier an einem einzigen Beispiel nur die Teilverhältnistreue: in beiden Bildern halbiert der Schnittpunkt S bzw. S' der Diagonalen eben diese Diagonalen:

Und "affin" werden eben diejenigen Abbildungen genannt, für die die Bedingungen a. bis d. gelten, aber nicht unbedingt andere (sonstige in 1. bis 3.).

Daraus folgt: Kongruenz- und Ähnlichkeitsabbildungen sowie Scherungen sind Teilmengen der affinen Abbildungen. 

Bevor wir uns eingehender die affinen Abbildungen und ihre Durchführbarkeit mittels Matrizen anschauen, sei aber noch kurz eine andere Klasse von Abbildungen behandelt, die nicht affin sind, nämlich

  1. topologische Abbildungen:

bei diesen zählt (vereinfacht gesagt) überhaupt nur, ob Original und Abbild gleich viele Löcher haben, während sich alles andere verändern kann.

Topologisch "homöomorph" sind also beispielsweise

oder dreidimensional

,

aber hier gelten wahrhaft nicht mehr die Affinitätskriterien a. bis d.

(vgl. Bild ).


In der Unter- und Mittelstufe wurden nur die Abbildungen 1. bis 3. durchgenommen, und diese wurden nur rein geometrisch-konstruktiv durchgeführt.

Mit den Matrizen

(vgl. Bild oder Bild ),

d.h. erst zusammen mit den Matrizen


Unbewiesene Behauptung:

Jede affine Abbildung ist durch

  • eine Matrix    M = und
  • einen Vektor =     

festgelegt bzw. beschreibbar.

Für

  • einen          Ausgangspunkt X ( x   | y ) mit dem Ortsvektor 
  • und seinen           Bildpunkt X' ( x' | y' ) mit dem Ortsvektor ' =

gilt:

  '   =     M     •     +  

bzw.

               = +

Dabei bewirkt

  • die Matrix M die affine Verformung des Ausgangsbilds
  • und der Vektor eine eventuell nachträglich noch nötige simple Verschiebung.
 

Schauen wir uns also an einem Beispiel an, was durch     = M •    +    passiert. Dazu seien gegeben:

Damit ergibt sich zuerst:

                 =   = =

                 =   = =

                 =   = =

                 =   = =

Die anschließende Verschiebung mit dem Vektor ergibt

Insgesamt ist also das Ausgangsparallelogramm ABCD

(ich aber keine Lust habe, mit ganz neuen Werten ein aussagekräftigeres herzustellen),

sei kurz angedeutet, wie Lincoln jetzt "liegt":

(nicht zu verwechseln mit der Scherung, bei der ja eine Seite sowie die Höhe erhalten bleibt),

Wichtig ist vor allem aber:

aus dem Parallelogramm ABCD ist mit A'B'C'D' wieder ein Parallelogramm geworden!

Abbildungsmatrizen machen also aus Parallelogrammen beliebige andere Parallelogramme ....

... bzw. Abbildungsmatrizen überführen das eine Parallelensystem in ein anderes. Schauen wir uns das nochmal an einem anderen Beispiel an:

Nun möchte man (?) natürlich wissen, mit welcher affinen Abbildung das Parallelogramm ABCD in das Parallelogramm A'B'C'D' überführbar ist.

Da zum Aufspannen der beiden Parallelogramme nur die Seiten AB und AD bzw. A'B' bzw. A'D' nötig sind, beschränken wir unsere Betrachtung pro Parallelogramm auf die drei Punkte bzw. deren Ortsvektoren

(zwei Dreiecke mit je drei Punkten ergeben insgesamt sechs Informationen; vgl. unten) 

Es muss gelten:

                             M     •               +  

            =            +

           =     +

       -2  =   e1 0 + f1 0        +  v1                         1. Gleichung
  2  =   e2 0 + f2 0        +  v2                            2. Gleichung
       -2  =                                    v1
  2  =                                     v2

... womit immerhin schon mal der Verschiebungsvektor = feststeht;

                           '    =         •               +   

         =          +

         =     +  

       -1  =   e1 3 + f1 0        +  v1                        3. Gleichung
  6  =   e2 3 + f2 0        +  v2                           4. Gleichung
     -1  =   e1 3                     -   2  | + 2
  6  =   e2 3                    +   2  | - 2
      1  =   e1 3                              | : 3
  4  =   e2 3                             | : 3
         =   e1                             
    =   e2

                           '  =         •                 +  

          =           +

          =      +  

       -4  =   e1 1 + f1 2        +   v1                         5. Gleichung
  1  =   e2 1 + f2 2        +   v2                            6. Gleichung
       -4  =   e1 1 + f1 2         -   2   | + 2
  1  =   e2 1 + f22        +  2  | -2
       -2  =   e1       + f1 2        
-1  =   e2       + f2 2       
       -2  =           + f1 2                 | -
-1  =            + f22                | -
       -  =                  f1 2                | : 2
-  =                  f22                | : 2
       -  =                  f1
-  =                  f2

... womit nun endlich alle Unbekannten ausgerechnet sind.

Die affine Abbildung zu

 sieht also summa summarum so aus:

'   +  

Nebenbei: kein Wunder, dass wir

(basierend auf den drei Punktpaaren A/A', B/B' und C/C')

gebraucht haben.


Das Wichtigste an affinen Abbildungen ist also, dass Paralellogramme zu Parallelogrammen werden, bzw. nochmals:

Man kann affine Abbildungen aber durchaus auch auf andere Gegenstände, also z.B. Kreise, anwenden.

Statt nun aber mühsam durchzurechnen, wie verschiedene Kreispunkte durch eine affine Abbildung projiziert werden, führen wir einen "Plausibilitätsbeweis" mittels der zentralen Eigenschaft affiner Abbildungen durch, nämlich der Parallelentreue.

Das Problem dabei ist allerdings, dass ein Kreis keine Parallelen enthält, weshalb wir in unseren Kreis ein Quadrat legen:

Von diesem Quadrat, das ja eben auch ein Parallelogramm ist, wissen wir nun aber, dass es durch eine affine Abbildung in ein anderes, also z.B. folgendes Parallelogramm abgebildet wird:

Diejenigen Kreispunkte, die auf den Ecken des Quadrats liegen, werden dann auf die Eckpunkte des Parallelogramms abgebildet, und das scheint nur für Ellipsen möglich zu sein:

Die beiden eingezeichneten Ellipsen haben nun aber unterschiedliche Formen und Lagen, und da stellt sich die

(hier bewusst offen gelassene)

Frage, welche der beiden Ellipsen denn nun das Abbild des Kreises ist - oder ob (einige) affine Abbildungen gar zweideutig (also keine Funktionen) sind (sein können).

(Kleiner Tipp: einen weiteren Punkt des Kreises mit derselben affinen Abbildung abbilden, und das heißt dann anscheinend wohl doch: mit konkreten Werten!

)


Wir hatten oben bereits gesagt, dass insbesondere die Kongruenz- und Ähnlichkeitsabbildungen Teilmengen der affinen Abbildungen sind.

Damit stellt sich die Frage, wie die Kongruenz- und Ähnlichkeitsabbildungen mit Matrizen bewerkstelligt

(und also endlich auch berechnet)

werden können:

  1. und am einfachsten die Verschiebung: sie lässt sich ohne Matrix ganz einfach mit einem Verschiebungsvektor =   vornehmen; bzw. die Matrix ist schlichtweg die "Null-Matrix" ;
  1. : die zentrische Streckung vom Ursprung aus

(gegebenenfalls verschieben wir wieder das zu streckende Objekt sowie das Streckungszentrum so, dass das Streckungszentrum im Ursprung liegt):

wenn ein Gegenstand vom Ursprung aus mit dem Faktor k gestreckt werden soll, so wird dies durch die "Diagonal-Matrix" M erreicht, wodurch jeder Punkt des Gegenstands k mal so weit vom Ursprung weg wandert.

Beispiel sei da wieder das Parallelogramm

mit den Eckpunkten bzw. deren Ortsvektoren

Dieses Parallelogramm soll  nun vom Ursprung aus mit dem Faktor k = 3 gestreckt werden, also

                      =   =

                     =   =

                         =   =

     = =

  1. : eine direkte Folgerung aus 2., d.h. ein Spezialfall der zentrischen Streckung ist die Punktspiegelung am Ursprung

(gegebenenfalls verschieben wir das zu punkt-spiegelnde Objekt sowie den Punkt, an dem das Objekt gespielt wird, so, dass das Punktspiegelungszentrum im Ursprung liegt):

  1. eine spezielle Streckung findet statt, wenn der Streckungsfaktor k = 1 ist, also die "Einheits-Matrix" angewandt wird, denn dann sind Ur- und Abbild identisch;
  1. wenn der Streckungsfaktor k negativ ist, wird auf die andere Seite des Streckungszentrums = Ursprungs projiziert;
  2. : a. und b. zusammen, also der Streckungsfaktor k = -1 und damit die Matrix , ergeben eine Punktspiegelung am Streckungszentrum = Ursprung;
  1. : schwieriger wird's bei der Drehung um den Ursprung.

In einer ersten Vereinfachung verschieben wir auch hier wieder den ganzen Schlamassel, bis das Drehzentrum im Ursprung liegt.

Und in einer zweiten Vereinfachtung betrachten wir vorerst nur zwei Punkte P1 ( 1 | 0 ) und P2 ( 0 | 1 ), die

Beide Punkte P1 und P2 werden nun um den Ursprung, also auf dem Einheitskreis, um den Winkel α gedreht:

Mit der Wahl des Einheitskreises im Zusammenhang mit dem Winkel α hat sich schon angedeutet, dass nun Trigonometrie folgt

(oder genauer: die Definition von Sinus und Cosinus am Einheitskreis):

Also gilt:

Bzw. für die zugehörigen Ortsvektoren:

In einem zweiten Schritt verlassen wir mit den Punkten Q1 ( x | 0 ) und Q2 ( 0 | y ) den Einheitskreis, allerdings liegen die beiden neuen Punkte  noch immer auf der x- bzw. y-Achse:

Für den neuen Ausgangsvektor 1 gelte 1 = x , d.h. der neue Ausgangsvektor 1 sei x mal so lang wie der alte .

Dann gilt auch für den neuen Bildvektor 1' ,  dass er x mal so lang ist wie der alte ', also

     1' = x               '

1' = x      *

Entsprechend gelte für den neuen Ausgangsvektor 2 = y , d.h. der neue Ausgangsvektor 2 sei y mal so lang wie der alte .

Dann gilt auch für den neuen Bildvektor 2' ,  dass er y mal so lang ist wie der alte ', also

     2' = y               '

2' = y       **

In einem dritten Schritt verlassen wir mit dem Ausgangspunkt X ( x | y ) nun auch noch die x- bzw. y-Achse:

Da in X ( x | y ) dieselben Koordinaten x und y vorkommen wie in Q1 ( x | 0 ) und Q2 ( 0 | y ),  ist   

              =  1     +      2 =

                 = x   +  y

Entsprechend gilt für den Bildpunkt X' :

              ' =         1'                     +           2'                                 =

                 = x                '            +  y               '                               =

                = x   +  y               =      (folgend aus * und **)

               =                       =

               =                   •   

oder ein wenig kürzer:

           ' =                   •   

Die so hergeleitete Drehmatrix M =    wird man sich aber wohl kaum merken, sondern ggf. der Formelsammlung entnehmen.

  1. : auf ganz ähnliche Weise

(Vektoren auf der x- und y-Achse im Einheitskreis,

 • Vektoren auf der x- und y-Achse, aber nicht mehr im Einheitskreis,

 • beliebige Vektoren)

lässt sich aus

als Matrix für die Achsenspiegelung an einer Ursprungsgeraden g, die mit der x-Achse den Winkel α bildet, herleiten:

M =   

Die Grundidee (der erste Schritt) sei hier kurz vorgeführt: aus

ergibt sich schon mal P1' ( cos (2α) | sin (2α) ).

Schauen wir uns nun das hellgraue Dreieck an:

Da und  senkrecht zueinander waren und eine Spiegelung Winkel beibehält, stehen auch '  und ' senkrecht zueinander:

 

Wenn wir nun einen Ausschnitt vergrößern

,

so ist zu erkennen:

 
  • da 2α  und ß sich zu 900 ergänzen, ist ß = 900 - 2α ,
  • deswegen ist aber γ = 2α ,
  • deshalb das hellgraue Dreieck kongruent zum rosa Dreieck,
  • und daraus folgt wiederum

P2' ( sin (2α) | - cos (2α) )

(Lustig finde ich's ja doch, dass ein Schulbuch all das [inkl. der drei Schritte] kurz und knapp so abhandelt:

 Das soll keiner verstehen [können] - und deshalb lasse man es weg!

Vgl. )

Kleiner Nachtrag: der Winkel α , den die Ursprungsgerade mit der x-Achse bildet, lässt sich

bestimmen.


Ohne nähere Erklärung sei zuguterletzt nur kurz erwähnt, dass man mehrere affine Abbildungen nacheinander durchführt, sie also "verkettet", indem man die entsprechenden Matrizen miteinander multipliziert

(vgl.   ).