Schüler sind
doof
(und
rechnen immer alles auf einmal)
(heutzutage nennt man
das „Fehlerkultur“)
Nun ist die
Vermutung banal, dass „man“
(Individuen, Kollektive) durch Schaden nicht (automatisch)
klug wird
(werden):
wir alle neigen dazu, andauernd dieselben Fehler zu machen,
weil
(man hätschelt ja doch
gerne seine Gewohnheiten),
ist dazu
verdammt, sie
zu wiederholen."
(George Santayana)
Der Titel
(und
rechnen immer
alles auf einmal)
ist als
Eyecatcher natürlich bewusst provokativ
formuliert:
(Es gibt in der Tat
Lehrer, die [nach allzu vielen Dienstjahren] alle Schüler
[oder zumindest die
allermeisten]
bzw. „die [ganze]
Jugend von heute“ für doof, verzogen, verwöhnt, asozial, kriminell
etc., also
für Feinde halten, gegen die sie [diese Lehrer] einen
Notwehr-Krieg
führen müssen.
Solchen Lehrern sollte
man auch zu ihrem eigenen Seelenheil dringend den Weg aus der Schule
zeigen.)
In
Wirklichkeit meine ich natürlich, dass „die“
(viele) Schüler nur in einer einzigen Beziehung „doof“ sind:
dass sie
unbelehrbar immer
wieder „alles auf einmal“ rechnen.
Dabei habe
ich dafür allergrößtes Verständnis:
viele
Schüler sehen – erstens - z.B.
bei
vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr und daher
voller Panik nur noch
die Möglichkeit, den Wald dadurch zu lichten, dass sie mit der Axt wild
um sich
schlagen und alles niedermähen:
Ein zweiter
Grund für’s
Alles-auf-einmal-Rechnen mag sein, dass viele Schüler null
Interesse an
Mathematik haben und diese daher möglichst schnell
hinter sich bekommen
wollen
(etwa so, wie Schüler
gerne in einem Affenzahn
[und sterbenslangweilig
monoton]
durch mündliche Referate
etwa im Fach Deutsch hecheln).
Drittens
und
vor allem meinen viele Schüler, dass
schnelles Rechnen weniger Arbeit sei. Und damit haben sie ja
sogar
recht: sie
sparen tatsächlich viel Zeit. Dass aber ihre Rechnungen dann
in der
Regel
falsch sind, interessiert sie schon gar nicht mehr:
bei
Hausaufgaben
(dass also im Heft
irgendwas steht, und sei es noch so kurz, Hauptsache, es ist
mehr als
nur die abgeschriebene Aufgabenstellung),
(Dass aber Hausaufgaben
oftmals nur in Schrumpfform angefertigt werden, liegt
Kommt hinzu, dass viele
Schüler nie begriffen haben
[es ihnen nie
vermittelt wurde / werden konnte],
dass
[Wenn Schüler sich das nicht von einem alten Spießer wie mir sagen lassen wollen, hören sie vielleicht lieber einem der derzeit (2016) beliebtesten
(ein hochinteressantes neues Phänomen)
Jüngere Schüler
können
das sowieso selten, und älteren fehlt oftmals die
[„intrinsische“]
Motivation
dazu, d.h. ein attraktives Versprechen, dass sich das selbstständige
Lösen
einer Aufgabe lohnen könnte.
Bzw. dieses Versprechen
ist nur
[für die
„Streberleichen“]
„extrinsisch“, also auf
gute Schulnoten beschränkt.)
Wer aber
Hausaufgaben immer nur in Kürzestform
anfertigt, beherrscht natürlich auch in
Klassenarbeiten nur die Kürzestform
wenn die Schüler Glück
haben,
[milde gestimmt oder
schon vollends resigniert]
dafür doch noch
den
einen oder anderen Punkt
[nebenbei: „durchFORSTet / RechnungsTRÜMMER
/
BROSAMEN“ ist doch ein herrlich verquirltes Bild!]).
Viertens
sind aber die meisten
Mathematik-Klassenarbeiten so vollgepackt, dass die Schüler
(wenn überhaupt)
so gerade
eben fertig werden, bzw. eine
halbwegs gute Note kann ein Schüler für die Klassenarbeit nur bekommen,
wenn er
fertig wird
(und es gibt eine
geradezu fundamentale Ungerechtigkeit:
[und, falls sie falsch
rechnen und das bemerken, alles mehrfach rechnen],
haben also weniger
bzw.
zu wenig Zeit - und werden doppelt und dreifach bestraft.)
Die Noten hängen also weitgehend von der Geschwindigkeit ab: kein Wunder, dass die Schüler da möglichst schnell rechnen, sich also Zwischenschritte und Schreibarbeit sparen.
Wer auf sich
hält, hat heutzutage einen „burnout“ und
bedarf der „Entschleunigung“. Aber zumindest
mathematisch ist da was dran:
(also die Erledigung
mehrerer Rechenschritte gleichzeitig, ohne den
Überblick zu verlieren)
kann sich
nur leisten, wer rechnerisch schon
ziemlich fit ist – und sich darauf verlassen kann.
Ich
kann das
nicht:
"Von
wegen Männer sind nicht multitaskingfähig:
ich liege z.B. gerade auf dem Sofa,
schaue fern,
trinke Bier
und esse Chips."
Ich
muss mich immer auf
ein einziges Rechenproblem konzentrieren – und den
noch
nicht bearbeiteten Rest
(am besten immer hübsch
untereinander)
unverändert
mitschleppen, also immer
Großteile der Rechnung bloß abschreiben
und jeweils nur minimale Veränderungen vornehmen, was zur
Folge hat,
dass ich Unmengen
Papier verbrauche
(ich habe zu Schülern
immer gesagt: „spart Papier in Nebenfächern wie Deutsch oder Englisch
[denn die
Klassenarbeiten in diesen Fächern sind oftmals viel zu lang,
weil die
Schüler Schrottschussladungen verballern in der Hoffnung, dass darunter
schon das eine oder andere Richtige sei wird: ein blindes
Huhn findet auch mal ein Korn]“).
Ich staune trotzdem immer wieder, dass Schüler, die andauernd mit „Krüppelrechnungen“ auf die Schnauze fallen, geradezu penetrant
(aus verständlicher Aufsässigkeit?)
nicht
dazulernen
(also nicht zu
ausführlichen Rechnungen übergehen).
Ein
Beispiel: als ich meinem Sohn mal eine
Prise Nachhilfe in Mathematik gab, stellte sich heraus, dass wirklich
jede
seiner spontanen Antworten
(also ohne
jede
Rechnung – und ohne Sinn und Verstand?)
falsch
war.
Aber er antwortete unverdrossen
weiterhin spontan
(und verlässlich falsch).
Mit dem Satz
„Wer nicht
kann, was er
will, muss wollen, was er kann.“
ist wohl
Der
scheinbar resigniert-spießige Satz
„Wer nicht
kann, was er
will, muss wollen, was er kann.“
wird nämlich
überhaupt erst bemerkenswert, wenn
man erfährt, dass er vom Inbegriff des Universalgenies,
nämlich
Leonardo da
Vinci
stammt:
könnte es
sein, dass er überhaupt erst deshalb
zum
Genie geworden ist, weil er diesen Satz beherzigt hat?:
(ich weiß: „[...] ich
habe gesagt: Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen. Es war eine
pampige Antwort auf eine dusselige Frage." [Helmut Schmidt]),
(und überhaupt erst
erreicht hat),
indem er von
dem
ausging, was er bereits konnte.
Wenn aber kein Geringerer als Leonardo da Vinci sowas sagt, muss sich schon gar nicht ein „Durchschnittsmensch“ (Lehrer, Schüler) schämen, wenn er klein anfängt – und langsam rechnet.
In
der Mathematik ist
„Wer nicht
kann, was er
will, muss wollen, was er kann.“
Nur
zwei Beispiele:
geht man vom
glatten Gegenteil aus, nämlich
dass die
doch
rational ist
(und dass es
„irrationale“ = unvernünftige Zahlen gar nicht gibt).
Diese
anfängliche Unterstellung,
dass
rational ist, ist dabei
Und eben die
naive Annahme,
dass die
eine rationale Zahl ist, führt dann
(anfangs vermutlich
nicht mal absichtlich)
zum
Widerspruch bzw. Einsturz
(für die Entdecker
dieses Beweises muss das anfangs ein Schock gewesen sein, der
sie
erstmal gründlich
aus der Bahn geworfen hat, und erst einige Zeit später werden
sie
bemerkt
haben, dass sie da versehentlich etwas ganz Feines entdeckt
hatten;
vgl. die Anekdote, dass
Pythagoras, der die rationalen Zahlen geradezu zum Glaubensbekenntnis
gemacht hat, einen seiner Schüler, der eine irrationale Zahl
entdeckt
hatte, angeblich hat ermorden lassen).
Am
wichtigsten an all
dem ist: die anfängliche Annahme, dass die rational
ist, ist
„Wer nicht
kann, was er
will, muss wollen, was er kann.“,
was ich denn
überhaupt
kann – und das ist nunmal nur Gerades.
Auch hier
gilt wieder:
ohne
„Wer nicht
kann, was er
will, muss wollen, was er kann.“
kann man gar nicht zu dieser (Newtons) Erkenntnis kommen.
Aber ich will keine Aufsätze mit dem Tenor schreiben, dass "die Jugend von heute" angeblich
(und sei's nur im Hinblick auf langsames Rechnen)
unrettbar doof ist: dann klagt man nur ewig - und ist längst völlig resigniert.
Die produktive Frage muss vielmehr sein,
wie man Schüler zu der Erkenntnis bringen kann, dass langsames Rechnen "in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse [???]" ist,
wie man ihnen das Procedere des langsamen Rechnens vermitteln kann
(nicht "ich kann das alles nicht [stehe wie ein Ochs vorm Berge]", sondern "diese oder jene genau lokalisierte Kleinigkeit kann ich durchaus schon, und damit fange ich dann immerhin schonmal an").
Auf diese Fragen will ich hier nur eine kurze und damit wohl arg allgemeine Antwort geben:
man muss das Nicht-Können
("Wer nicht kann, was er will [...]")
zum eigentlichen und gemeinsamen Unterrichtsthema machen, was impliziert: der Lehrer muss auch sein eigenes
(notfalls überzeugend gespieltes)
Nichtkönnen vorführen.
Es muss ganz selbstverständlich werden, dass man in der Mathematik etwas (zumindest anfangs) nicht kann.
Dazu gehört auch, die "Einsamkeit der Dummen" zu überwinden: selbst gestandene Mathematiker rechnen
ungern mit sowas Komplizierten wie z.B. Brüchen und Wurzeln
und tun deshalb
alles, um diese (wenn irgend möglich) sukzessive zu beseitigen.
Überhaupt besteht Mathematik ja geradezu darin, Schwieriges / Neues auf Einfaches / bereits Bekanntes zurückzuführen. Z.B. besteht das Herz der Mathematik, also der Beweis, darin, eine neue Vermutung aus bereits bekannten "Sätzen" herzuleiten.
Ich hatte eben so nebenher von "genau lokalisierte[n] Kleinigkeit[en]" gesprochen, und genau diese Lokalisierung von Kleinigkeiten ist das zentrale Problem: z.B. beim schon oben kurz angesprochenen Term
(der ja in der Tat besonders bösartig gestaltet ist)
sehen viele Schüler ja nur oder gar , aber keine hierarchischen Strukturen, für die man ihren Blick überhaupt erst schärfen muss. Und mir scheint tatsächlich, dass es wichtiger ist,
So habe ich im Unterricht mit den Schülern oftmals
("was unterscheidet Aufgabe 1 von Aufgabe 2, worauf muss ich also besonders achten?"),
statt diese Aufgaben auch alle zu rechnen.
Und genauso muss man mit Schülern mal die
Struktur von Klassenarbeiten besprechen: jede neue
Aufgabe hat auch einen neuen Schwerpunkt, nämlich welchen?
PS: |
Vielleicht wäre es aber ungünstig, den Satz „Wer nicht kann, was er will, muss wollen, was er kann.“ Schülern gegenüber explizit zu äußern, denn viele von ihnen könnten ihn ja so füllen: „Ich kann sowieso keine Mathematik, also will ich auch nicht." Aber was war eher, das Ei oder die Henne?: ich vermute nämlich, dass viele Schüler umgekehrt nur deshalb keine Mathematik können, weil sie nicht wollen (die Mathematik ihnen - aus welchen Gründen auch immer - uninteressant erscheint). Vermutlich ist es aber ein Teufelskreis:
Der Satz „Ich kann sowieso keine Mathematik, also will ich auch nicht." ist aber letztlich bloß fatal, weil die Schüler ja keine Wahl haben, sondern Mathematik betreiben müssen: sie wehren sich somit nur gegen etwas Unabänderliches, befinden sich im Geunde also in einem zermürbenden Krieg mit sich selbst, und da möchte ich sie fast an Reinhold Niebuhrs Speuch erinnern: "Gott,
gib mir die Gelassenheit, Leonardo da Vinci hat aber wohl keine negative Verdrehung ("also will ich auch nicht") seines Satzes gewollt, sondern einen positiven Entschluss: die Konzentration auf das, was man sehr wohl kann. Und diese positive Variante war für mich in meiner Jugend (so lange kenne ich Leonardo da Vincis Satz nämlich schon) mal wirklich hilfreich: einfach den Arsch hochzukriegen und anzufangen, und zwar nicht mit Utopien, aus denen sowieso nichts wird, sondern mit dem, was ich schon kann. Aber vermutlich hänge ich das alles hier viel zu hoch. Gemeint war doch nur "Wer mehrere Rechenschritte auf einmal nicht kann, muss mit vielen einzelnen anfangen." |