anschauliche Mathematik von ganz oben
"von ganz oben" bedeutet,
Zumindest Laien wird das absurd erscheinen, gilt ihnen Mathematik doch als der Inbegriff der Abstraktion, also Un-Anschaulichkeit:
(gerade weil Mathematiker oftmals ohne jede Anschauung "einfach" nur mit Algorithmen jonglieren, erscheinen ihnen ihre Entdeckungen oftmals gar nicht als eigenes Verdienst, sondern als Eingebung, Göttergabe oder Musenkuss, wenn nicht sogar als Produkt der personifizierten Mathematik:
"fast alle" oder sogar "alle" Mathematiker
als Kronzeugen für meine These aufrufen, sondern ein einziger (Dirac) muss reichen
(und Ausnahmen bestätigen die Regel).
Ich glaube sogar
(ohne einen einzigen Beleg dafür zu haben),
dass erst wirklich "ganz oben" mitmischen kann, wer es schafft, sich Komplexestes zu veranschaulichen. Oder genauer: sich vermutlich nicht mehr das Ganze, aber doch einzelne Teile zu veranschaulichen: .
Allerdings besteht ein Nachteil der Veranschaulichung "ganz oben" darin, dass die avantgardistische Mathematik für Nicht-Eingeweihte völlig unverständlich ist, so dass im Folgenden
keine konkreten Veranschaulichungs-Beispiele gezeigt werden können.
In Übereinstimmung mit Heisenberg war Dirac der Meinung, dass die Welt der Quantentheorie nicht verständlich (und - s.u. - anschaulich) sei, wohl aber deren mathematische Beschreibung:
"Es ist gut möglich, dass diese Wandlungen [unserer
fundamentalen Begriffe] so tiefgreifend sein werden, dass die Macht der
menschlichen Intelligenz nicht ausreicht, um beim Versuch einer direkten
Übersetzung der experimentellen Daten in mathematische Begriffe die notwendigen
neuen Ideen zu finden. Die theoretisch arbeitenden Wissenschaftler werden daher
auf einem mehr indirekten Weg vorgehen müssen. Die mächtigste Methode, um
voranzukommen, die derzeit vorgeschlagen werden kann, besteht darin, das ganze
Arsenal der reinen Mathematik bei dem Versuch einzusetzen, den mathematischen
Formalismus, der die faktische Basis der theoretischen Physik bildet, zu
perfektionieren und zu verallgemeinern, und nach jedem neuen abstrakten Erfolg
zu versuchen, die neuen mathematischen Eigenschaften in der Form von
physikalischen Objekten zu interpretieren. Seine Botschaft war eindeutig:
Theoretiker sollten sich viel stärker auf die mathematischen Grundlagen ihres
Fachs konzentrieren und - in Abkehr von einer jahrhundertelangen Tradition
-
viel weniger auf die neuesten Mitteilungen aus den Laboratorien. Kein Wunder,
dass Dirac als »Theoretiker der Theoretiker« bekannt wurde.
" [Hermann] Weyl hatte einmal gesagt: »In meiner Arbeit habe ich immer versucht, die Wahrheit mit dem Schönen zu verbinden, aber wenn ich zwischen Wahrheit und Schönheit zu wählen hatte, habe ich im Allgemeinen das Schöne gewählt.«
"Es war charakteristisch für Dirac, dass er sich mit
bildlichen Darstellungen viel wohler fühlte als mit algebraischen Symbolen.
"Wie Heisenberg glaubte er, dass mentale Bilder von den
kleinsten Teilchen der Materie zu Missverständen führen mussten. Solche Teilchen
können nicht bildlich vergegenwärtigt werden, sie können auch nicht durch Größen
wie Ort, Geschwindigkeit und Impuls beschrieben werden, die sich wie normale
Zahlen verhalten. Die Lösung besteht darin, abstrakte mathematische Größen zu
verwenden, die mit den gewohnten klassischen Größen korrespondieren: Es waren
diese Beziehungen, die sich Dirac bildlich vorstellte, nicht die Teilchen, die
durch sie beschrieben werden.
"Der Vorteil der Renormalisierung liegt darin, dass sie es gestattet, jede Erwähnung von nackten Energien in der Theorie zu vermeiden und sie durch Größen zu ersetzen, die nur von beobachtbaren Energien abhängen. Durch die Anwendung dieser Technik konnten die Theoretiker die Quantenelektrodynamik benutzen, um - bis zu einem beliebigen Genauigkeitsgrad - den Wert jeder beliebigen Größe zu berechnen, die die Experimentatoren zu messen wünschten. Dirac verabscheute diese Technik trotz ihres Erfolgs, zum Teil, weil er keine Möglichkeit sah, sich die Mathematik bildlich vorzustellen [...]"
"Er fühlte sich immer unbehaglich bei algebraischen Methoden in der Physik und bei mathematischen Prozessen, die er sich nicht bildlich vorstellen konnte."
"Es war charakteristisch für Dirac, dass er sich mit
bildlichen Darstellungen viel wohler fühlte als mit algebraischen Symbolen.
"Wie Heisenberg glaubte er, dass mentale Bilder von den
kleinsten Teilchen der Materie zu Missverständen führen mussten. Solche Teilchen
können nicht bildlich vergegenwärtigt werden, sie können auch nicht durch Größen
wie Ort, Geschwindigkeit und Impuls beschrieben werden, die sich wie normale
Zahlen verhalten. Die Lösung besteht darin, abstrakte mathematische Größen zu
verwenden, die mit den gewohnten klassischen Größen korrespondieren: Es waren
diese Beziehungen, die sich Dirac bildlich vorstellte, nicht die Teilchen, die
durch sie beschrieben werden.
"Der Vorteil der Renormalisierung liegt darin, dass sie es gestattet, jede Erwähnung von nackten Energien in der Theorie zu vermeiden und sie durch Größen zu ersetzen, die nur von beobachtbaren Energien abhängen. Durch die Anwendung dieser Technik konnten die Theoretiker die Quantenelektrodynamik benutzen, um - bis zu einem beliebigen Genauigkeitsgrad - den Wert jeder beliebigen Größe zu berechnen, die die Experimentatoren zu messen wünschten. Dirac verabscheute diese Technik trotz ihres Erfolgs, zum Teil, weil er keine Möglichkeit sah, sich die Mathematik bildlich vorzustellen [...]"
"Er fühlte sich immer unbehaglich bei
algebraischen Methoden in der Physik und bei mathematischen Prozessen, die er
sich nicht bildlich vorstellen konnte."
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"Die Schule lehrte keine Naturwissenschaften, aber
gab Unterricht in freiem Zeichnen und auch im technischen Zeichnen, ein
Fach, das für Dirac später zur Grundlage für seine einzigartige Denkweise in
der Wissenschaft wurde. [...] Technisches Zeichnen , das Ingenieure
benützen, um dreidimensionale Objekte auf einem Stück flachen Papiers
darzustellen, wird heutzutage nur an wenigen englischen Grundschulen und
selten an weiterführenden Schulen unterrichtet. Es war jedoch am Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts ein Pflichtfach für die Hälfte der Schüler: Für ein
paar Stunden in jeder Woche wurde die Klasse zweigeteilt, die Mädchen wurden
in Handarbeit unterwiesen, die Jungen im technischen Zeichnen. In diesen
Unterrichtsstunden lernte Dirac, idealisierte Darstellungen verschiedener
industrieller Produkte anzufertigen, indem er unter Ausschluss jeder
perspektiven Verzerrung die Vorderansicht, Draufsicht und Seitenansicht
zeichnete. Großbritannien war eines der letzten unten den reicheren
europäischen Länder, die das technische Zeichnen in ihren Schulen
einführten, und dies erst im Gefolge der »Great Exhibition« von 1851, die in
Deutschland auch als Londoner Industrieausstellung bezeichnet wurde. Obwohl
die Ausstellung ein großer populärer Erfolg war, erkannten die
scharfsichtigsten unter den 6,2 Millionen Besuchern, dass sich die breite
technische Bildung in Großbritannien substantiell verbessern musste, wenn
das Land seine ökonomische Führungsrolle gegenüber der wachsenden Konkurrenz
aus den USA und Deutschland beibehalten wollte. Die Regierung stimmte zu und
gestattete der treibenden Kraft hinter der Weltausstellung, Sir Henry »King«
Cole , den Lehrplan der englischen Schulen zu verändern, sodass die Jungen
im technischen Zeichnen unterrichtet wurden und ihnen ein Verständnis für
die Schönheit von industriellen Objekten sowie natürlichen Formen vermittelt
werden konnte. [...] Sir Henry Coles Reform war von
Dauer: Die von ihm und seinen Mitarbeitern herausgegebenen Leitlinien wurden in
der Bishop-Road-Schule immer noch angewendet, als Dirac seine formale Ausbildung
begann. Im Jahr 1909 fasste der Pädagoge F. H. Hayward die vorherrschende, dem
zeitgenössischen Kunstunterricht zugrundeliegende Philosophie zusammen:
»Zeichnen zielt auf die Wahrhaftigkeit des Entwurfs und des Ausdrucks, Liebe zur
Schönheit, Leichtigkeit der Erfindung und Übung der Geschicklichkeit […].
Naturstudien und wissenschaftlicher Unterricht können ohne dies nicht weit
vorankommen.« Hayward drängte darauf, dass die Schüler ihre zeichnerischen
Fähigkeiten übten, indem sie akkurat sowohl natürliche als auch künstliche
Objekte wiedergaben, inklusive Blumen, Insekten, Tische, Gartenlauben und
Taschenmesser.
"[...] »die Jungen fertigen eine Anzahl von nützlichen Modellen
an, wobei ihnen eine beträchtliche Wahlfreiheit eingeräumt wird; die Arbeit ist
darauf ausgerichtet, sie in Selbstbewusstsein, Beobachtungsgabe und sorgfältigem
Messen und Rechnen zu trainieren.« Die Bishop-Road-Schule wollte ihren Schülern
die Fertigkeiten vermitteln, die sie zum Erlangen eines guten Berufs benötigten.
Für Dirac jedoch bestand die wichtigste Konsequenz der praktischen Anleitung
darin, dass sie ihm half, sein Denken über die Funktionsweise des Universums zu
entwickeln. Während er an seinem Tisch in dem winzigen Bristol-Klassenzimmer saß
und eine Abbildung eines einfachen hölzernen Objekts anfertigte, musste er
geometrisch über die Beziehungen zwischen Punkten und Linien nachdenken, die in
einer flachen Ebene liegen. In seinem Mathematikunterricht hatte er diese Art
von Geometrie gelernt, die nach Euklid, dem antiken griechischen Mathematiker
benannt ist, der sie entdeckt hat. So studierte Dirac Geometrie, indem er sowohl
visuelle Abbildungen als auch abstrakte mathematische Symbole verwendete.
Innerhalb eines Jahrzehnts würde er diesen geometrischen Ansatz von der
konkreten technischen Anwendung auf die abstrakte theoretische Physik
übertragen - von einer idealisierten, visuellen Darstellung eines hölzernen
Füllfederhalterständers zu einer idealisierten, mathematischen Beschreibung des
Atoms [...].
"Was die Ausbildung an dieser Schule so besonders
machte, war die hohe Qualität des Unterrichts in technischen Fähigkeiten,
wie Mauern, Gipsen, Schuhherstellung, Metallbearbeitung und technisches
Zeichnen. [...] In den Schullabors lernte Dirac, aus Metallstücken
einfache Produkte herzustellen, eine Drehbank zu bedienen, zuzuschneiden und zu
sägen und eine Schraube herzustellen. Etwas abseits vom Geklapper der Maschinen,
den Ölpfützen und den herumliegenden Metallabfällen, vertiefte er sich in die
Kunst des technischen Zeichnens. Dieser Unterricht baute auf den
Einführungskursen an der Bishop-Road-Schule auf und zeigte Dirac, wie er
kompliziertere Objekte entwerfen konnte, indem er seine Fähigkeit
weiterentwickelte, sich diese aus verschiedenen Blickwinkeln vorzustellen. In
den Unterrichtsstunden für »Geometrisches Zeichnen« betrachtete Dirac Zylinder
und Kegel und übte, sich vorzustellen was geschah, wenn sie in unterschiedlichen
Winkeln angeschnitten und dann noch aus verschiedenen Perspektiven betrachtet
wurden. Er wurde auch angeleitet, sich Objekte geometrisch vorzustellen, die
nicht statisch, sondern in Bewegung waren. So lernte er, wie man den genauen
Bewegungsverlauf eines Punktes zeichnen kann, der sich zum Beispiel auf der
Außenseite eines perfekten Kreises befindet, der entlang einer geraden Linie
abgerollt wird - also beispielsweise wie ein Staubkorn außen auf einem Rad, das
eine Straße entlang rollt. Für die Schüler, die zum ersten Mal diesen Formen
begegneten - gekurvt, symmetrisch und oft verzwickt - stellten sie eine Quelle
des Vergnügens dar. Man kann vielleicht annehmen, dass sich Dirac fragte, wie
man diese Kurven mathematisch beschreiben kann. Seine Fachlehrer im technischen
Zeichnen wären aber vermutlich nicht in der Lage gewesen, ihn darüber
aufzuklären, da sie meist ehemalige Handwerker mit geringen oder gar keinen
mathematischen Kenntnissen waren.