ist "bei" kommutativ?

 
  • Liste von Wörtern, die als lokale (örtliche) Präpositionen (Verhältniswörter) verwendet werden können:

ab, abseits an, auf, aus, außer, außerhalb, bei, bis, diesseits, durch entlang, fern, gegen, gegenüber, hinter, in, inmitten, innerhalb, jenseits, längs, nach, nächst, nahe, neben, nördlich, oberhalb, östlich, seitlich, südlich, über, um, unfern, unter, unterhalb, unweit, von, vor, westlich, zu, zunächst, zwischen.

  • Liste von Wörtern, die als temporale (Zeit kennzeichnende) Präpositionen (Verhältniswörter) verwendet werden können:

ab, an, auf, aus, außerhalb, bei, binnen, bis, für, gegen, in innerhalb, mit, nach, seit, über, um, unter, von, vor, während, zeit, um, zwischen

  • Liste von Wörtern, die als modale (die Art und Weise kennzeichnende) Präpositionen (Verhältniswörter) verwendet werden können:

abzüglich, auf, aus, ausschließlich, außer, bei, bis an, bis auf, bis zu, einschließlich, entgegen, für, gegen, gegenüber, in, mit, ohne, statt, unter, von, wider, zu, zuwider, zuzüglich

  • Liste von Wörtern, die als kausale (begründende) Präpositionen (Verhältniswörter) verwendet werden können:

angesichts, anlässlich, auf, aufgrund [auf Grund], aus, bei, betreffs, bezüglich, dank, durch, für, gemäß, infolge [in Folge], kraft, laut, mangels, mit, mittels, nach, seitens, trotz, über, um, um - willen, unbeschadet, ungeachtet, unter, von, vor, wegen, zu, zufolge

(zitiert nach   )

Ich höre schon die Einwände:

  1. treibe ich mit der Betrachtung der klitzekleinen Präsposition "bei" die Fliegenbeinzählerei säglich auf die Spitze,

  1. sei die Vermengung von Grammatik (Präsposition "bei") und Mathematik ("kommutativ") doch wahrhaft an den Haaren herbei gezogen

(bzw. ganz im Trend von Geisteswissenschaften, die sich mangels eigener "Wissenschaftlichkeit" diese - und zwar letztlich immer aussichtlos - bei der Mathematik zu borgen versuchen).

Es ist mir zu blöd, beiden denkbaren Einwänden überhaupt noch (begründet) zu widersprechen.


Fragt sich, was man aus der folgenden Betrachtung denn (wenn überhaupt) lernen könnte:

In der Tat erhoffe ich mir

"Sprachgefühl" aber zeigt sich gerade bei den kleinsten Feinheiten der Sprache in minimal variierten Situationen - und macht überhaupt erst den "richtigen" Schriftsteller bzw. Germanisten aus!


Die Grundrechenarten Addition und Multiplikation sind "kommutativ", d.h. austauschbar, da

(Dahinter steckt eine [in der Mathematik oftmals typisch unnötig verkomplizierte] Banalität: es bleibt sich gleich, ob ich erst 5 und dann nochmal 3 Bananen kaufe - oder umgekehrt;
man stelle sich nur mal das Gegenteil vor, nämlich der Kaufmann würde je nach Reihenfolge unterschiedlich abrechnen.)

Hingegen sind die Grundrechenarten Subtraktion und Division nicht "kommutativ", da


Zweifelsohne sind die meisten Präpositionen nicht kommutativ:

wenn Arno auf/vor/über Balduin steht/liegt, ist das ganz was anderes als im jeweils ungekehrten Fall (unter/hinter).

Nehmen wir nur einen Ringkampf: es ist für Arno erheblich angenehmer, auf als unter Balduin zu liegen (zu "obsiegen" statt zu "unterliegen").

Es gibt aber auch kommutative Präpositionen, nämlich z.B. "neben":

wenn Arno neben Balduin steht, steht Balduin auch neben Arno.

Nun kann man das "neben" allerdings genauer differenzieren, nämlich mittels "links von" und "rechts von", und das ist schon wieder nicht mehr kommunativ.

Bzw. wenn ich nun aber nicht nur die Position von Arno und Balduin, sondern gleichzeitig auch die des Beobachters verändere, wird´s doch wieder kommutativ:

vorher:

nachher:

(Vorher wie nachher steht Arno links und Balduin rechts vom Beobachter.)

Genauso sind aber auch die o.g. Präpositionen "auf/vor/über" doch wieder kommutativ, wenn man die Position des Beobachters entsprechend mit verändert (ihn z.B. bei "auf/über" einen Handstand machen lässt).

Masterfrage: gibt es eine veränderte Beobachterposition, mittels derer auch die Grundrechenarten Subtraktion und Division kommutativ sind?


Während "auf/vor/über" (und natürlich ihre Gegenteile "unter/hinter") genauso wie "links/rechts" Richtungen angeben, signalisiert "neben" - genauso wie "bei"! - ein gewisse Nähe (vgl. "nahe bei").

So gesehen ist "bei" ein Spezialfall von "auf/vor/über" sowie "links/rechts".

Umgekehrt ist "bei" aber auch eine Verallgemeinerung, da es "auf/vor/über" sowie "links/rechts" umfasst, weil nämlich die Richtung keine Rolle mehr spielt.


Da also die Richtung keine Rolle spielt und beim Austausch der Subjekte die Nähe erhalten bleibt, scheint "bei" kommutativ zu sein:

wenn Arno bei Balduin ist, ist umgekehrt auch Balduin bei Arno!?

Vgl. etwa "Arno und Balduin stehen BEIeinander."


Ich gestehe inzwischen ja freimütig ein, dass ich auf viele Ideen durch meinen dreijährigen Sohn komme, der auch die Initialzündung zu diesen hier vorliegenden Überlegungen lieferte:

seine Großmutter hatte ihm über ihren seit langem verstorbenen Mann, also den Großvater meines Sohnes, beigebracht:

"Der Opa ist BEIm lieben Gott im Himmel" sei.

Eines Tages drehte mein Sohn den "Spieß" aber um und sagte:

"Der liebe Gott ist BEI Opa im Himmel."

Wenn nun "bei" kommutativ ist, ist daran nichts bemerkenswert.

Und überhaupt könnte die Verdrehung ein reines Versehen meines Sohnes sein

(zumal Kinder erst sehr spät den korrekten Umgang mit Präpositionen lernen: mein Sohn sagt noch immer "auf der Hand", wenn er "an der Hand" genommen werden möchte).

Vielleicht steckt hinter der Verdrehung aber auch schon ein "tieferer Sinn":

  1. Möglichkeit: Gott und der Großvater

(den mein Sohn nie kennengelernt hat),

sind für meinen Sohn gleichermaßen abstrakt - also beliebig austauschbar.

  1. Der Großvater, von dem es immerhin Fotos gibt

(und einen lebenden "Parallel-Großvater"),

ist für meinen Sohn ein bisschen weniger abstrakt als Gott, und also ist der Großvater der Fixpunkt und Gott "nur" bei ihm.

Mit Letzterem deutet sich schon an, dass "bei" oftmals eben doch nicht kommutativ ist.

Und jemand, der

(immerhin letzteres scheint mir dringend nötig, wenn man überhaupt die [westliche] Weltliteratur verstehen will),

wird zwar nicht einem Kind eine Verdrehung krumm nehmen, aber eben doch die fast schon Häresie aus "Der liebe Gott ist BEI Opa im Himmel" raushören.

"Bei" scheint zumindest im vorliegenden Fall eine Art Hierarchie zu beinhalten:

Mehr noch: in der christlichen Tradition gibt es eine hochkomplizierte hierarchische Anordnung der

neun (!) Chöre der Engel (sowie 11tausend Jungfrauen!!!) und sonstigen Himmelsbewohner um den hier aus Pietätsgründen nicht dargestellten Gott.


Aber man muss ja gar nicht so metaphysisch werden: es ist eine ähnliche Hierarchieverletzung wie etwa

"Ich und Einstein"

(obwohl doch "und" scheinbar auch kommutativ ist):

diese Reihenfolge erscheint als Anmaßung, weil sie das "ich" (also doch wohl seine Intelligenz) noch höher stellt als Einstein, den klischeehaften Inbegriff der Hyper-Intelligenz.


Dass aber "bei" eben nicht (immer) kommutativ ist, wissen wir durchaus auch aus dem Alltag: wenn ich

"Arno ist bei seiner Freundin Berta"

sage, so meine ich, dass er bei ihr in Ihrer Wohnung ist, und das ist eben ganz was anderes als umgekehrt

"Berta ist bei Arno",

denn letzteres bedeutet üblicherweise, dass sie bei ihm in seiner Wohnung ist.

Es bestätigt sich also auch hier, dass "bei" oftmals ein Zentrum impliziert, dem etwas nur "beigeordnet" wird.


Manchmal

(und insbesondere im o.g. "metaphysischen" Fall?)

ist die Information "bei B" in "A ist bei B" auch schlichtweg redundant und bedeutet "A ist bei B" in Wirklichkeit nur "A ist nicht hier" bzw. "A ist nicht dort".