Bücher des Monats 3/2006

Simon Winchester; Ein Riss durch die Welt; Amerika und das Erdbeben von San Francisco 1906; Knaus

Nunja, zuerst dachte ich mir: Winchester schreibt vermutlich bewährt gut, also kann das Lesen des neuen Buchs nicht schaden. Aber er schlachtet doch verdächtig seinen Erfolg mit (vgl. 1/2004) aus

[ein Erfolg, der insbesondere durch den Tsunami 2004 entstanden ist],

und wirklich Neues fällt ihm auch nicht mehr ein.

Weit gefehlt: "Ein Riss durch die Welt" ist ein spannend erzähltes Kompendium keineswegs nur der (amerikanischen) Geologie, sondern auch der halben amerikanischen Geschichte

(vgl. den Untertitel "Amerika [!] und das Erdbeben von San Francisco 1906"),

das zudem gewürzt ist mit eigenen Erfahrungen Winchesters vor vielen Orten und überhaupt ganz eigenen Betrachtungen.


 

Astrid von Pufendorf: Die Plancks; Eine Familie zwischen Patriotismus und Widerstand; Propyläen

In fast schon peinlicher Ermangelung ausführlicher Biographien über solche Größen wie beispielsweise Gauss oder Planck sind eigentlich alle Bücher, die diese Lücken füllen, hochwillkommen - und sowieso bei Max Planck, den ich zu zähle.

Das Familienleben Max Plancks kann man nur als eine grandiose Tragödie bezeichnen:

"[Plancks] erste Frau, die er innig liebte, starb schon 1909, und der jüngere seiner beiden Söhne kam im Ersten Weltkrieg ums Leben. Außerdem hatte er Zwillingstöchter, die er anbetete. Eine starb bei einer Entbindung. Die zweite kümmerte sich um das Baby und verliebte sich in den Mann ihrer Schwester. Zwei Jahre später heirateten die beiden, und dann starb auch diese Schwester im Kindbett. Im Jahr 1944, als Planck 85 Jahre alt war, wurde sein Haus von einer Bombe der Alliierten getroffen, und er verlor alles: Papiere, Tagebücher, die gesammelten Schätze eines ganzen Lebens. Im folgenden Jahr wurde sein verbliebener Sohn wegen einer Verschwörung zur Ermordung Hitlers verhaftet und hingerichtet."
(Bill Bryson in   )

Das vorliegende Buch kennt seine Grenzen: da der Autorin vor allem der Nachlass des Sohnes Erwin Planck vorlag, schreibt sie:

"So faszinierend es ist, sechzig Jahre nach seinem Tod Neues über die private Seite Max Plancks zu erfahren, so steht doch - des hier zugrunde liegenden Nachlasses gemäß - Erwin Planck im Mittelpunkt dieses Buches.
[...]
Wer einen so reichen, so lesenswerten Nachlaß in Händen hält, hat die Qual der Auswahl beziehungsweise die Not des Weglassen-Müssens. Um möglichst viel originales Material - Briefe, Tagebücher, Aufzeichnungen - zu Wort kommen zu lassen, wurde auf manches verzichtet, was anderswo nachzulesen ist, etwa Näheres zur wissenschaftlichen Tätigkeit Max Plancks."

So brutal es klingen mag: das Schicksal des Sohnes wie auch das Privatleben des Vaters wären heute wohl kaum mehr einer Erwähnung "wert" (???), wenn der Vater eben nicht der Erfinder der Quantentheorie wäre.

Und eigentlich mag ich keine Bücher, die nur das Privatleben bedeutender Menschen durchpflügen, aber weitgehend die (literarischen, naturwissenschaftlichen ...) Leistungen ausklammern

(weil die angeblich zu kompliziert sind),

die diese Menschen überhaupt "bedeutend" gemacht haben.

(Ein Problem sehe ich darin, dass es viel zu wenige geistes- UND naturwissenschaftlich gebildete Autoren gibt, die den Lesern zudem durchaus mathematische Formeln zumuten, diese aber auch anschaulich erklären.)

Dennoch ist das Buch ein guter und längst überfälliger Einstieg.

D´Arcy Wentworth Thompson: Über Wachstum und Form; Die Andere Bibliothek; Eichborn

Obwohl bereits 1917 geschrieben, ist das Buch dennoch (?) eine grandiose Einführung vom Erfinder der "Biomathematik" (die auch ein Teil des Schulunterrichts werden könnte!) in sein Fachgebiet.

Das Buch ist seit langem ein Geheimtipp - und jetzt endlich wieder als Reprint auf dem Markt.