alles schon da gewesen
nichts Neues unter der Sonne | "Nichts Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein." (Ingeborg Bachmann) |
Wissenschaftsgeschichte (und überhaupt Geschichte) macht so herrlich entspannt im Hier und Jetzt:
man kann sich über jede neue Erkenntnis herrlich freuen,
wird aber doch auch jedem überzogenen Optimismus ("Weltneuheit", "endgültige Erklärung") und Pessimismus ("es bleibt nichts mehr zu entdecken übrig") schmunzelnd misstrauen.
Ich finde es einfach nur ermutigend
(und halte es keineswegs für billig-neidische klammheimliche Rache an den Genies),
wenn man erkennt, dass
viele Erkenntnisse schon vor ihren angeblichen Entdeckern vorhanden waren
(sie haben nicht geklaut, sondern nur nochmals erfunden),die Großtaten der Genies oftmals weniger darin bestanden, wirklich Neues zu entdecken, sondern eher darin, das längst Bekannte aus ungewohnter Perspektive und "synoptisch" zu sehen und damit neu zusammenzubringen.
Beispiele zu a.:
"Eingehender wurde die Beugung von Lichtstrahlen durch Gravitation [nicht - wie man immer meint - durch Albert Einstein, sondern] erstmals 1804 in der deutschen Zeitschrift Astronomisches Jahrbuch erörtert. Dort trug der bayerische Geodät Johann Georg von Soldner die spekulative Hypothese vor, die Bahn eines Lichtstrahls aus einer fernen Quelle werde gebeugt, wenn er auf seinem Weg zur Erde einen Stern streife."
(Hans Christian von Baeyer)- gab´s natürlich schon lange vor Descartes:
(Planetenbahnen; um 950 n.Chr.)
Und Descartes war auch nicht der erste, der korrekt den Regenbogen erklärt hat:
(Dietrich von Freiberg; 1514 )
usw. usf.
Verlässlich spaßig wird´s, wenn jemand einen endgültigen Stillstand der Forschung diagnostiziert bzw. prophezeit wie z.B.
Jede Wette: solch ein Autor beschreibt nur die kurzfristige Stockung, aus der heraus dann - etwa mit - eine ganz neue wissenschaftliche Sichtweise entstehen wird
(und mir scheint: an genau solch einem Zeitpunkt sind wir derzeit!).
Das nächste Genie muss "nur" genau da einhaken, wo es angeblich nicht weiter geht.
Als kein Geringerer als Max Planck in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Studium der Physik aufnehmen wollte, riet ihm der Physiker Philipp von Jolly ausdrücklich davon ab, da schon alles Wesentliche entdeckt sei.
Angeblich ist es nur eine - allerdings bezeichnende - Anekdote, dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Leiter des amerikanischen Patentamtes die Auflösung seiner eigenen Behörde vorgeschlagen habe - wieder mit der Begründung, alles Wesentliche sei bereits erfunden.
1804 erklärte der amerikanische Wissenschaftler Benjamin Thompson: "Alle Versuche, den Ort der absoluten Kälte auf der Skala des Thermometers zu bestimmen, müssen fruchtlos bleiben."
usw. usf.; vgl.