grassierendes (natur-)wissenschaftliches Desinteresse?

Kulturpessimismus ist jederzeit angebracht, und überhaupt waren die Menschen noch nie so dämlich wie schon immer.

Am penetrantesten sind aber die selbsternannten "Kulturkritiker", also beispielsweise jene, die bei einer Rechtschreibreform

("die nächste, bitte!")

gleich den Untergang des Abendlands an die Wand malen.

Bzw. die AutorInnEn der Bücher

haben ja ach so recht:

wer sich beispielsweise geistig aus dem "Privatfernsehen" ernährt, wird selbstverständlich unweigerlich verblöden.

(Nebenbei: ein Buch, das

[insbesondere national gedacht im Hinblick auf das ach so gebeutelte Deutschland]

hübsch apokalyptisch und gleichzeitig doch voller superschlauer Patentrezepte ist, sieht alle gleich aus:

)


Um nicht grinse-optimistisch zu werden

(was meist nur eine gewendete Form der Panik ist):

natürlich gibt es massenhaft Anlässe, jenseits des guten Geschmacks sauböse loszupoltern

(pars pro toto ist aktuell und notwendig wie eh und je),

aber oftmals ist es mir doch lieber, lustvoll zum Besseren überzeugen zu wollen.


Die Klagen sind (auch) nicht neu:

  1. seit , dass unsere Kultur in zwei Subkulturen zerfalle

(grob gesagt die geistes- und die naturwissenschaftlich-mathematische)

und diese beiden Subkulturen einander nichts zu sagen hätten

(und einige sprechen inzwischen sogar von drei Kulturen: );

  1. , dass die Mitglieder der jeweiligen Subkulturen sogar noch stolz auf ihre Unkenntnis der jeweiligen andere(n) Kultur(en) seien, wobei allerdings noch zu differenzieren sei: kaum jemand sei stolz, etwa den "Faust" nicht zu kennen, wohl aber gäbe es viele, die darauf stolz seien, naturwissenschaftlich völlig unbeleckt zu sein:

"[...] Was erzählst du da für einen Mist, die Naturwissenschaften sausen zu lassen, nur weil deine Kinder pubertieren? Soll das heißen, dass sie nichts mehr über die Natur zu lernen brauchen? Dass sie alles Nötige wissen über das Universum, die Zelle, das Atom, den Elektromagnetismus, die Geoden, Triboliten, Chromosomen und das Foucaultsche Pendel, dessen Verständnis sogar Stephen Jay Gould, wie er mir einmal erzählt hat, Schwierigkeiten bereitet? Und wie steht es mit diesen klug-verspielten optischen Täuschungen, auf denen du entweder eine Vase oder zwei Gesichter im Profil siehst, aber niemals zwei Gesichter und eine Vase, egal, wie sehr du dich konzentrierst, entspannst, die Augen flitzen lässt, sie zusammenkneifst wie Humphrey Bogart oder deinen Wahrnehmungsmechanismen befiehlst, nicht mehr so archaisch seriell zu sein und endlich Multitasking zu lernen? Sind deine Kinder wirklich bereit, sich nicht mehr um diese gewaltigen kosmischen Herausforderungen und Geheimnisse zu kümmern?, fragte ich sie. Bist du es?
Meine Stimme klang etwas schrill, wie immer, wenn ich selbstgerecht werde, und meine Schwester, die daran gewöhnt ist, reagierte, gelassen wie immer, mit gesundem Menschenverstand: Die Mitgliedschaft sei teuer, ihre Kinder hätten genug naturwissenschaftlichen Unterricht in der Schule, eines von ihnen wolle sogar Meeresbiologie studieren. Was ihre eigenen Bedürfnisse angehe, so gebe es schließlich das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Warum ich das so persönlich nähme?
Weil ich wachsam bin, murmelte ich. Gib mir eine Chance, und ich nehme sogar den Jetstream persönlich.
Trotz meiner Ungeduld konnte ich meiner Schwester keinen Vorwurf daraus machen, dass sie eine der wenigen Verbindungen kappen wollte, die sie noch mit jenen menschlichen Tätigkeitsbereichen unterhielt, die als Naturwissenschaften bezeichnet werden. Bei all seiner Qualität ist das Oregon Museum of Science and Industry sicherlich auf Besucher eingerichtet, die jung genug sind, um Angebote zu schätzen wie die außerordentlich beliebte Fernsehserie »Grossology«, eine Rundreise durch die verrückte Welt der Körperflüssigkeiten und -funktionen.
Die Kindheit ist die einzige Zeit im Leben, in der von allen Mitgliedern einer Altersgruppe erwartet wird, dass sie die Naturwissenschaften zu schätzen wissen. In den ersten Klassen der weiterführenden Schulen beginnt das große Sichten und Sortieren, das Abhaken von Federn, Fellen und Vergnügen, von den spannenden Geschichten über den Verdauungstrakt, bis die Naturwissenschaft zum abschreckenden Sprengel einer kleinen — und zudem noch schlecht gewandeten —Priesterschaft wird. »Grossologie« mutiert von cool zu uncool. Halbwüchsige Liebhaber der Naturwissenschaften sind bei uns lange nicht so zahlreich wie ihre Spitznamen: Geeks, Nerds, Eierköpfe, Gehirnwichser, Klugscheißer, Laborratten, Taschenträger etc. [...]"

(Quelle: , ein ansonsten höchst lesenswertes Buch!)

Fragt sich nur, ob diese Empörung eigentlich überhaupt angebracht ist.

Z.B. lese ich ja andauernd mathematische und naturwissenschaftliche Bücher

(vgl. für die Mathematik: ),

kenne aber niemanden, der das auch tut.

Kleiner Denkfehler:

Oder andere Beispiele:

SchülerInnen erzählen immer wieder, dass sie gerne und regelmäßig die Sendung gucken. Und viele kennen auch Rangar Yogeshvar aus der Sendung

(mal ganz abgesehen von    und ).

So what?!

Nunja, wenn etwas ein Erfolgsrezept ist, springen viele (Verlage) nur auf den fahrenden Zug auf. Dennoch ist es staunenswert, wie viele populäre Wissenschaftszeitschriften es gibt bzw. gerade derzeit darzukommen:

Das ist zwar oftmals im Sinne von Hermann Hesse zu "feulletonistisch"

(d.h. zum einen Ohr rein, zum anderen raus wie auch die derzeit massenhaft erscheinenden Bücher der Sorte ...;

oder vgl. auch den täglichen rhapsodischen "Blick in die Forschung" in der DLF-Sendung "Forschung aktuell": da staunt man eigentlich nur, was es so alles [an Nichtigkeiten] gibt),

Da sind mir "Grundsatzbücher" wie eben z.B. doch allemal lieber,

aber es ist doch höchst erfreulich, dass sich offensichtlich massenhaft Leute für die Alltagsphysik interessieren.