drehen, schieben, drücken ...

  "Nicht mehr dieses hektische Gehopse von einem interaktiven naturwissenschaftlich-technischen Exponat zum nächsten — hier ein Knopf, der künstliche Erdbeben auslöst, dort eine Kurbel, die zur Demonstration von Newtons Bewegungsgesetzen ein Räderwerk in Gang setzt, oder irgendetwas anderes zum Drücken, Drehen oder Ziehen. Wen interessieren schon die Informationstafeln? Hoppla, Charly, das Ding scheint nicht mehr zu funktionieren!"
(Quelle leider verloren)

Ich hatte in dem Text in der Spalte "Anti-Nobbelpreis" heftigst gegen neumodische "naturwissenschaftliche" Sendungen und Museen gewettert, bei denen alles nur auf Effekthascherei, aber nicht auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse hinausliefe.

Inzwischen habe ich da meine eigenen negativ-lehrreichen Erfahrungen gemacht: zusammen mit SchülerInnen hatte ich an "meiner" Schule eine Mathematikausstellung entwickelt, die auf zwei "Grundpfeilern" beruhte:

  1. anschaulich-erlebnisreichen Mathematikerbiografien auf Postern (also Lesestoff!), die mit wenigen Ausnahmen von den Besuchern überhaupt nicht wahrgenommen wurden;

  2. großteils beweglichen mathematischen Modellen. Und gerade bei diesen fiel auch wieder

(wie bei den unter "Anti-Nobbelpreis" kritisierten Institutionen)

auf, dass die Besucher viel drehten, schoben, drückten ..., aber sich überhaupt nicht für die mathematischen Hintergründe interessierten.

Nun liegt es mir

(wie beim Privatfernsehen)

grundsätzlich fern, den Besuchern (Konsumenten) einen Vorwurf zu machen, wohl aber werden die Produzenten

(also auch ich für eine nächste Matheausstellung)

sich fragen lassen müssen, wie den Missständen abgeholfen werden kann.

"keinen Vorwurf machen" kann man allerdings auch positiv wenden:

es ist das gute Recht der Besucher, zu drehen, schieben, drücken ..., und man (als Produzent einer Ausstellung) sollte dem entgegenkommen, indem man 

  • möglichst viele Gelegenheiten zum drehen, schieben, drücken ... liefert, aber
  • gar nicht mehr vorgibt, mehr als eben Drehen, Schieben, Drücken ... zu beabsichtigen,
  • also jeden Versuch der mathematischen oder naturwissenschaftlichen Erklärung aufgibt.

Nehmen wir zwei Beispiele aus :

Dann ermögliche man den Kindern und Jugendlichen halt solches Drehen bis zur Weißglut, aber eben nicht anhand eines Globus!

Kleine Erklärung: der Zeitstrahl war zur Illustration der Geschichte der Naturwissenschaften gedacht, und wenn man beispielsweise bei ca. 400 v. Chr. war, leuchteten die Zahl und ein Bild von Aristoteles auf.

Man lasse die Kinder und Jugendliche rasend schnelle Luftkissenschlitten durch den Raum jagen, aber man lasse den Aristoteles weg! 

Man gebe also gar nicht mehr vor, irgendwas "anderes" (Mathematik, Naturwissenschaften) zu erklären, sondern biete die Effekte um ihrer selbst willen an.

Ganz offensichtlich wollen die Kinder und Jugendlichen einfach nur Bewegungen, wobei es dahingestellt sei, ob das allein an der zunehmenden Mediatisierung und Bewegungsarmut liegt oder ein "Urbedürfnis" ist

(so scheint es z.B. in vielen Gesellschaften ein Bedürfnis zu Karussellspielen zu geben).

Bemerkenswert ist aber doch, dass Kinder und Jugendliche

(neben Computerprogrammen)

durchaus noch (wieder?) offen für Mechanisches sind.

Ich vertraue aber auch darauf, dass Kinder und Jugendliche, die mechanische Effekte erleben, auch einen intuitiveren Zugang zu Naturwissenschaften

(und Mathematik?; vgl. ) 

finden.

Die Modelle in einer solchen Ausstellung könnten also aussehen wie "Maschinenkunst"

(denn Kunst ist auch Selbstzweck),

also beispielsweise wie

Von wegen Besucher = Konsumenten?: man könnte SchülerInnen für eine Ausstellung solche mechanischen Modelle ja auch selbst bauen lassen. 

Überhaupt sind jene Effekte vorzuziehen, die die Besucher selbst herstellen statt nur sich vormachen lassen können.

Es müsste in Anlehnung an ein

("Panoptikum Sammlung von Sehenswürdigkeiten; Wachsfigurenschau: Das seit dem 19. Jh. gebräuchliche Fremdwort bedeutet eigentlich etwa Gesamtschau. Es ist eine gelehrte Neuschöpfung aus griech. pan alles (Neutrum von pas ganz, all, jeder, vgl. pan..., Pan...) und griech. optikós zum Sehen gehörig (vgl. Optik)."
Duden Herkunftlexikon)

auch ein "Panhaptikum"

("hap|tisch [gr.; "greifbar"]: den Tastsinn betreffend"
Duden Fremdwörterlexikon)

geben: eine Ansammlung von Dingen, die zu nichts anderem gut wäre, als die Dinge zu wortwörtlich zu "be-greifen"

(und vielleicht später auch zu "begreifen" im Sinne von "verstehen").

Sowas gibt´s ja schon in den "Sinnesgärten" und auf den "Sinneswegen" in Anlehnung an Hugo Kükelhaus, wenn mir die Exponate da allerdings oftmals auch zu "hippiemäßig" sind, nämlich kaum "Künstlich"-Modern-Glattes vorkommt, obwohl doch beispielsweise ein

oder

Bild

durchaus auch ein feines Ding ist.



Mathematisch-naturwissenschaftliche Modelle bleiben natürlich sinnvoll, sollten aber

Das aber ist nicht pauschal möglich, wenn die Besucher einer Ausstellung "gemischt" sind, also z.B. sowohl Fünft- als auch ZwölftklässlerInnen.

Bei "zukünftigen" Inhalten sind höchstens ästhetische Effekte interessant. So kann sich jemand sehr wohl beispielsweise an Parabelbeispielen in Kunst und Architektur erfreuen, obwohl die Parabeln noch nicht in seinem Unterricht "dran" waren.