ekstatische Theorie?!

Herbert Grönemeyer - Ich versteh

[...]

Es verläuft sich die Theorie
Sie kennt genau das Was und Wie,
Sie spricht nur, damit’s sie gibt
Sie verfliegt sonst ins Nichts

Ich versteh
Ich versteh
Ich versteh nur, was ich seh

Ich verstehe
Ich verstehe
Ich versteh nur, was ich erleb

[...]

Gähn!, denn dass Theorie eine Sackgasse sein kann, wenn zu ihr nicht Weltklugheit und Herzensbildung hinzu kommen und alles nur angelesene Zitate bleiben, ist ja nun wahrhaft nicht neu.

(Pauschalurteil eines Freundes über gewisse Leute: "Die hören wahrscheinlich auch Grönemeyer.")

Kommt hinzu:

  1. lassen sich viele Theorien - so geradezu mein Credo! - ja eben doch teilweise in Bildern "sehen" und "erleben".

  2. macht es ja auch Spaß, ins Unanschauliche und Unbegreifliche hochzustarten!: wie bitter arm wäre das Leben, wenn es nur das gäbe, was man wortwörtlich sehen und begreifen kann.

Üblicherweise versteht man unter Theorie Folgendes:

Theorie "abstrakte Betrachtungsweise; System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Erscheinungen o. ä.": Das seit dem 16. Jh. bezeugte Fremdwort, das gewöhnlich als Gegenwort zu Praxis gebraucht wird, ist aus griech.-lat. theoría "das Zuschauen; Betrachtung, Untersuchung; wissenschaftliche Erkenntnis usw." entlehnt. Zugrunde liegt das griech. Substantiv theorós "Zuschauer", das zusammengezogen ist aus *thea-(u)orós "jemand, der ein Schauspiel sieht" (zu griech. théa "Anschauen, Schau" [vgl. Theater] und griech. horáein "sehen"). - Dazu stellen sich theoretisch "rein wissenschaftlich; gedanklich; gedacht, vorstellungsmäßig; ohne hinreichenden Bezug auf die Wirklichkeit" (im Gegensatz zu praktisch), das im 17. Jh. aus lat. theoreticus (<griech. theoretikós) "beschauend, untersuchend" übernommen wurde, und Theoretiker "Wissenschaftler, Gelehrter; (abschätzig für:) wirklichkeitsfremder Mensch" (18. Jh.).
(zitiert nach: Duden - Herkunftlexikon; farbige Hervorhebungen von mir, H.St.)

Und dennoch: was am Zuschauen (etwa im Theater) ist denn negativ?

Kommt hinzu, dass die reine Zuschauerrolle - hier nur durch Schlagwörtern angedeutet - mit der Relativitäts- und Quantentheorie sowie längst gründlich untergraben ist!


Einerseits bin ich überrascht, andererseits fühle ich mich aber bestätigt, wenn ich dann bei Peter Watson in (vgl. Bücher des Monats 2/2007 ) lese:

"Die Ideen, die Platon im Gastmahl und anderen Schriften entwarf, zeigten auf, wie die Liebe zu einem schönen Körper zur ekstatischen Betrachtung (theoria) von idealer Schönheit geläutert und transformiert werden kann."

"Theoria, die Betrachtung, bestand für ihn [= Aristoteles] nicht nur aus logischem Denken, sondern stand auch für eine geschulte Intuition, die in eine ekstatische Selbsttranszendenz mündet."

(grüne Hervorhebungen von mir, H.St.)


PS:

Ich glaube tatsächlich, dass es extrem gefährlich wird, wenn Intellektuellen- und Theoriefeindlichkeit

(die Rache der Dummen, die Glorifizierung des "Bauchs" und des "gesunden Menschenverstands")

loslegt.