Eselsbrücken und -BILDER

  vgl. auch
   

"Über sieben Brücken mußt du gehn,
sieben dunkle Jahre überstehn,
siebenmal wirst du die Asche sein,
aber einmal auch der helle Schein."
(Karat/Maffay)

 

Keiner sollte sich zu schade sein, Eselsbrücken zu benutzen, oder sich gleich als Esel beleidigt fühlen: wir müssen uns so unendlich viel im Leben merken, da kann es nicht schaden, wenn wir die eine oder andere Gedächtnisstütze benutzen.

Normalerweise versteht man unter Eselsbrücken wohl eher Kurzsätze wie

Damit zeigt sich nebenbei schon ein typisches Problem bei solchen Eselsbrücken: man hat rein gar nichts von ihnen, wenn sie inhaltsleer bleiben, man also ihren Sinn nicht mehr versteht.

Das schönste Beispiel ist für mich der lustige Merkspruch

"Labet eure Eltern in der Kneipe"

aus meinem seinerzeitigen Griechischunterricht:

Da wünscht man sich doch, solch einen Datenmüll (z.B. auch all die blödsinnigen Abkürzungen, die wir uns gemerkt haben) endgültig von der geistigen "Festplatte" löschen und damit Platz für Wichtigeres schaffen zu können.

Mir geht es hier aber weniger um Merksätze als Merkbilder:


"ich weiß zwar noch, dass ich ganz dringend an etwas denken wollte,
aber nicht mehr, an was."

Gleich sei auch das zentrale Problem bei Esels-Bildern genannt: sie stimmen oftmals nur teilweise mit dem eigentlich Gemeinten überein, enthalten also oft auch irritierende Zusatzinformationen oder abweichende Details, die jeweils dringend mit zu "problematisieren" sind (soweit man sie überhaupt erkennt).

Ein Beispiel:

um sich die grundsätzliche Form des Graphen einer Funktion dritten Grades zu merken, mag es hilfreich sein, an einen im Uhrzeigersinn drehenden Propeller zu denken:

Allerdings darf sich dieser Propeller eben nur in Grenzen drehen

(um etwa Streckung und Stauchung klar zu machen),

aber nicht jede (Über-)Drehung ist erlaubt,

(Geistige Welt-) Bilder können sehr hilfreich sein

(nämlich z.B. bei Gedankenexperimenten, die einem ein reales, zu kompliziertes und aufwendiges oder gar nicht mögliches Experiment ersparen),

aber eben auch das Denken enorm behindern: sie sind schnell allzu suggestiv, und gerade deshalb kommt man kaum mehr aus ihren Beschränkungen heraus: die Existenz der Bilder scheint auch ihre Übertragbarkeit auf "das eigentlich Gemeinte" zu beweisen, bzw. vor lauter Bildern sieht man "das eigentlich Gemeinte" nicht mehr und hält erstere für letzteres.

Gleichzeitig sind Eselsbilder aber nicht nur bloße Illustrationen für bereits vorher Bekanntes ("eigentlich Gemeintes"), sondern - eben z.B. bei Gedankenexperimenten - oftmals auch Erkenntnismittel, d.h. mithilfe ihrer ergibt sich überhaupt erst eine Erkenntnis. So sind mir z.B. einige mathematische Grundprinzipien überhaupt erst bei der Erstellung eines Bildes, Modells oder Programms, ja manchmal tatsächlich erst  bei technischen oder Programmierproblemen aufgefallen.


  1. Die permanente Anbindung der Mathematik an Alltagstätigkeiten:

  1. die mathematischen Grundgesetze "Kommutativ-", "Assoziativ-" und "Distributivgesetz" sind derart selbstverständlich (und genau das muss man sich immer wieder klar machen bzw. muss einem ins Blut übergehen!), dass sie nicht mal mehr bewiesen werden:

(vgl. das Dreikörperproblem in der Physik),

sondern muss zum Ergebnis von zweien nachträglich die dritte addieren; Gott sei ewig gedankt, dass es dabei egal ist, mit welchen beiden Zahlen man anfängt;

Und überhaupt tue man diese Gesetze mit SchülerInnen, die sich hin und her bewegen. Z.B. a = Anna, b = Berta, c = Cäcilie, ( = Klaus 1, ) = Klaus 2.

  1. die Kongruenzabbildungen formalisieren nur eine Banalität: ein Ding  ändert nicht seine Form, wenn ich es verschiebe, drehe oder spiegle (vgl. auch ).
    Man stelle sich nur mal das Gegenteil vor, nämlich dass sich die "Dinge" und ich mich selbst bei der Bewegung durchs Zimmer verändern würde(n).

Dabei ist all das keineswegs so selbstverständlich:

  • wie Einstein gezeigt hat, verändern fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte (verschobene) Körper sehr wohl - aus Sicht eines Außenstehenden - ihre Form:

  • warum werden im Spiegel rechts und links vertauscht (vgl. etwa da Vincis Spiegelschrift), nicht aber oben und unten???

Und Ähnlichkeitsgeometrie wird überhaupt erst dreidimensional so richtig schön:

  • ein Ballon als Illustration des expandieren Universums, in dem sich alles von allem wegbewegt

  1. die Definition des Sinus:

  2. der Thaleskreis:

alle Zuschauer haben ganz demokratisch-egalitär denselben Blickwinkel von 900

  1. die Scherung:
    (hier ist dann nebenbei wieder eine Einschränkung des Bildes nötig: die Oberkante der Scheibenwischer müsste gleich hoch bleiben)

  2. Klammern sind ineinander gestellte Schachteln , die sich niemals übergreifen und die man nacheinander herausnehmen muss.
    (Vgl. auch: "Klammer zu, es zieht!" und )

  3. Eine Gleichung ist eine Balkenwaage: egal, was man tut, die Waage muss unter allen Umständen und ausnahmslos im Gleichgewicht bleiben, d.h. man muss immer mit beiden ganzen Seiten dasselbe tun
    (und darf insbesondere niemals auf der einen Seite wegnehmen und auf die andere Seite drauftun, also - eine fatal irreführende Sprache - "rüberbringen").

  4. sowohl der Satz von Cavalieri als auch die Integration ist ein

  1. die Ableitung ist eine Bergwanderung im Nebel:

 

Man muss vom bisherigen bzw. momentanen Verlauf auf den (vermutlichen) zukünftigen schließen.

  1. eine Funktionenschar besteht nicht aus verschiedenen Funktionen (ihren Graphen), sondern ist eine sich bewegende Funktion (ihr Graph) und damit eine sich öffnende Blüte:

  1. Die Vektordefinition der Kugel:

  2. Zuguterletzt zwecks Parabelform eben echte (Esels-)Brücken:

(vgl. )

Nebenbei: man beobachte mal, wie SchülerInnen oftmals durchaus "schon" korrekt mit den Händen erklären, was sie nur noch nicht begrifflich in den "Griff" bekommen.

Dieses handgreifliche Erfassen

(das ich hier mit allen BILDmitteln greifbar machen, also wörtlich nehmen möchte)

finde ich letztlich sogar viel wichtiger als das be"griff"liche, denn es zeigt ja, dass die Erkenntnis längst vollständig da und körperlich Bild geworden ist. Und manchmal hilft da tatsächlich: "Beschreibe doch mal mit Worten deine Hände!"

Vgl. auch .