das Phänomen

 

Flasche: Das altgerm. Substantiv mhd. vlasche, ahd. flaska, älter niederl. flesch, engl. flask, schwed. flaska kann im Sinne von "flaches Gefäß" zu der unter flach oder aber im Sinne von "umflochtenes Gefäß" zu der unter flechten dargestellten idg. Wortsippe gehören. [...]. Flaschenzug (18. Jh.; die Rollen des Hebegeräts werden von einer backenartigen Halterung umfaßt, die früher "Flaschen" hießen [...]).
(Duden Herkunftlexikon)

Das beste Geschenk, das mein inzwischen fünfjähriger Sohn jemals bekommen hat, war (von der Patentante) ein Satz Seile für insgesamt vermutlich 5 €: mit keinem anderen Spielzeug (?) spielt  meine Sohnemann derart viel - und knüpft und knotet und bindet ...

Als es dann letztens auf dem Grabbeltisch eines Baumarkts einen spottbilligen


Flaschenzug samt Seil

gab, habe ich natürlich umgehend für meinen Sohn zugegriffen

- und bin selbst maßlos fasziniert von ihm. Es ist geradezu körperlich irritierend, dass man

Ich habe mir da eine Art "Energieerhaltungssatz" zusammengereimt:

und ich ahne auch: wenn der im Baumarkt gekaufte Flaschenzug sechs Seilstrecken hat

,

Mathematisch gesagt:

das Gewicht multipliziert mit dem Seilweg ist konstant.

Aber all das bleibt für mich doch graue Theorie und "erklärt" nicht im mindesten meine nach wie vor vorhandene Faszination (weg):

wenn ich also 100 Seilwege zwischen 50 Rollen habe,

ich muss also

da scheint sich die Mühe keineswegs auszugleichen. Wo also bleibt da die "Energieerhaltung"?

Und in der Konsequenz heißt das doch (geradezu unfassbar), dass man jeden gigantisch großen Gegenstand sehr einfach hochheben kann, wenn man nur weit genug geht.

(Das ist vergleichbar mit dem von mir meistbewunderten technischen Meisterwerk, nämlich dem Fahrrad, das es paradoxerweise ermöglicht, allein mit "Menschenfett" mühelos schneller zu fahren, als man es mit "Menschenfett" [zu Fuß] kann.

[Motorisierte Geräte wie z.B. Autos finde ich hingegen kaum staunenswert, da bei ihnen ja zusätzlich "fremde" Energie zugegeben wird.]

Beim Fahrrad ist aber die stilvolle Standardausführung

viel aussagekräftiger und gleichzeitig erstaunlicher

[weil auf das Grundprinzip reduziert]

als die proletenhaft aufgemotzte Rennmaschine

  .

Das ist genauso wie bei einer

im Vergleich mit einem

  ,

bei dem zudem alles Interessante hinter einer glitschigen Fassade versteckt ist.

Ebenso steht es mit mechanischen Rechenmaschinen im Vergleich mit [elektronischen] Computern.)

Um der Funktionsweise eines Flaschenzugs irgendwie doch noch mehr auf die Schliche zu kommen, habe ich dann erstmal in Wikipedia nachgeschlagen, wo stand:

"Ein Flaschenzug ist eine einfache Maschine, die den Betrag der aufzubringenden Kraft z.B. zum Bewegen von Lasten verringert. Der Flaschenzug besteht aus festen und/oder losen Rollen und einem Seil."
(Quelle: )

Da hat mich dann prompt der Begriff "einfache Maschine" stutzig gemacht: zwar ist ein Flaschenzug noch ziemlich einfach im Vergleich etwa mit einer


hochkomplexen Maschine,

aber bereits so ein simpler Flaschenzug überfordert doch all meine "Begreifensfähigkeit".

(Ich habe beim Hyperlink hinter "einfache Maschine" dann aber weitergeklickt und erfahren, dass "einfache Maschine" keine Wertung, sondern ein technischer Fachbegriff ist:

"Unter einfacher Maschine versteht man in der Physik und der Technischen Mechanik eine Vorrichtung, welche Ansatzpunkt, Richtung oder Größe einer Kraft verändert, um die vorhandene Kraft möglichst zweckmäßig zur Verrichtung von Arbeit einzusetzen.
[...]
Es lassen sich vier grundlegende einfache Maschinen unterscheiden, die sich nicht weiter in Wirkprinzipien untergliedern lassen:

Sie sind die Idealisierung einer Übersetzung.

Beispiele kombinierter einfacher Maschinen

[Quelle:  ]

Also ist der Flaschenzug als Kombination aus den beiden "einfachen Maschinen" Seil und Rolle schon nicht mehr so "einfach".)


Genau dasselbe "Problem" wie beim Flaschenzug habe ich auch bei einer anderen "einfachen Maschine", nämlich dem Hebel: die physikalischen Erklärung mittels Hebelgesetz hebt keineswegs mein Staunen und meine Irritation darüber auf, dass man auch beim Hebel mit minimalem Aufwand maximale Gewichte heben kann:

Am allerschönsten finde ich es aber, wenn Kinder auf der Wippe sagen (und Erwachsene es auch noch denken): "Jetzt mache ich mich schwerer."

Und Archimedes'berühmter Spruch,

Bild

er könne „ganz alleine die Erde anheben, wenn er nur einen festen Punkt und einen ausreichend langen Hebel“ (Quelle: Bild ) hätte, lebt ja eben auch davon, dass das zwar physikalisch richtig, aber gleichzeitig doch unvorstellbar ist.


Bereits das scheinbar so Einfache ist also schon ganz schön (!) kompliziert ist. Warum also in die Ferne (das Hochkomplexe, vollends Unverständliche) schweifen, wo das Gute (Einfache, auch schon komplizierte) liegt so nah?

Einerseits ist es sicherlich der Nachteil des gängigen Physikunterrichts, dass er sehr auf die Grundprinzipien rekurriert und deshalb weitgehend bei den einfachen, "abgenagten" Maschinen stehen bleibt. Da wird's Zeit für

  BildBild.

Andererseits ist es aber doch ein bedenklicher Trend

(ein Vorenthalten des fürs verachtete Publikum angeblich sowieso Unverständlichen - und eine Resignation),

dass im Entertainment immer Superlative verwendet werden.


PS:

Wie erstaunt (und irritiert!) war ich aber doch einige Tage später, als ich einem Freund (Techniker) von meinem Staunen über den Flaschenzug erzählte - und er an ihm gar nichts staunenswert fand, sondern mit der physikalischen Erklärung alles für "erledigt" hielt.

Das sind diese Momente, wo sich sogar zwischen besten Freunde Abgründe gegenseitigen Unverständnisses auftun.