erbarmungslose Gleichmacher

  Prokrustes [...], in der griech. Mythologie ein riesenhafter Unhold, der Vorbeiziehende durch Abhacken bzw. Strecken ihrer Glieder in ein Bett einpaßt [...]
(Meyers Lexikonverlag)

Vgl. auch

Es gibt im Leben (bzw. an seinem Ende) zwei erbarmungslose Gleichmacher:

  1. Bild

Bild
(Ausschnitt aus einem Grabmal in der Kapuzinergruft in Wien,
in der die Habsburger beerdigt wurden)

"Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine „Einlasszeremonie“ in die [Kapuziner-]Gruft. [...] Der Trauerzug hielt vor der verschlossenen Tür der Gruft und ein Herold klopfte an die Tür. Darauf fragte einer der Kapuziner-Brüder von drinnen: „Wer begehrt Einlass?“ Der Herold antwortete mit allen zu Lebzeiten der/des Verstorbenen getragenen Titeln. Von drinnen erfolgte allerdings die Antwort "Wir kennen sie/ihn nicht!". Daraufhin klopfte der Herold noch einmal. Wieder wurde gefragt „Wer begehrt Einlass?“ Diesmal antwortete der Herold mit der Kurzfassung der Titel. Doch die Antwort war "Wir kennen sie/ihn nicht!". Der Herold klopfte ein drittes Mal, wieder wurde dieselbe Frage gestellt. Nun antwortete der Herold: „X.Y., ein armer Sünder.“, woraufhin das Tor geöffnet wurde."
(zitiert nach  Bild  ) 

  1. die Null:
  "Unter Sozialneid versteht man den Neid in einem sozialen Milieu auf eine – auch nur vermeintlich – besser gestellte Gruppierung (Bezugsgruppe). Er kann sich sowohl auf Privilegien als auch auf Besitz beziehen. „Neid“ wird in diesem Zusammenhang auch als polemischer Kampfbegriff gegen Soziale Bewegungen (historisch zum Beispiel gegen die Arbeiterbewegung) benutzt, um den eignen Vorzug (das eigene Privileg) zu wahren. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, ein Wunsch nach Gleichheit entspränge dem Neid, und dieser rühre aus der Unfähigkeit der Neider, durch Leistung den beneideten Vorzug selber zu erringen."
(zitiert nach  Bild  ) 

"Der Weg ins Nichts war der Weg von eins zu null. Die infinitesimalen Zahlen strebten gegen null, wurden es aber nie. Hinter der Null stand ein Komma, und hinter dem Komma standen unzählbar viele Nullen, gefolgt von einer einzigen einsamen, unüberwindbaren Eins. In der Hand hielt ich die Rechnung der Clinique de la Porte Verte: Hätte der Mensch, der sie aufgesetzt hatte, in einem Anfall von buchhalterischem Wahn die Zahl darauf vermerkt, die Aristoteles in Erklärungsnot brachte, das Blatt wäre bedeckt mit Nullen. Nur dass ein einzelnes Blatt Papier bei weitem nicht ausreichte, um die Zahl darzustellen. Sie hatte so viele Nullen hinter dem Komma, dass ein Buch dafür nicht ausreichte. Ein Buch nicht und nicht eine ganze Bibliothek voller Bücher voller Nullen. Nicht alle Bibliotheken, die es seit Aristoteles je gegeben hatte.
Millionen und Abertrillionen von Nullen reichten nicht aus, um alles zunichtezumachen. Wie unvorstellbar, wie
wundervoll. Nach all den Nullen doch diese Eins - sie war der letzte Posten, der Wächter am Tor zum Nichts. Und dorthin strebten wir alle. "
(Quelle:  )

Obwohl ihr größter Vorteil allemal darin besteht, Zahlen in der sogenannten "Stellenwertschreibweise" zu schreiben, also z.B. aus der 5 eine 50 zu machen, hat die Null doch noch eine rabiate andere Eigenschaft:

50.000.000.000 0 = 0

(wohlgemerkt: das gilt nur für die Multiplikation: bei der Addition oder Subtraktion von Null setzt sich hingegen das Vermögen von Bill Gates durch bzw. bleibt schlichtweg erhalten:

50.000.000.000 + 0 = 50.000.000.000,

und durch Null dividieren darf man ja sowieso nicht.)

-100.000 0 = 0

Wie wohltuend also: vor der Null sind alle Menschen gleich:

Bild

Diese Gleichmacherei durch die Null ermöglicht aber einen ungemein wichtigen und gleichzeitig doch relativ einfachen mathematischen Trick:

angenommen mal, ich suche eine quadratische Funktion mit den Nullstellen x = 3 und x = -2, also

x      = 3 |-3     oder x       = -2  |+2

Bild    x - 3 = 0           oder x + 2 = 0

Da reicht es, dass

in jedem der beiden Fälle ist ihr Produkt 0:

                             0   (x + 2) = 0

                       (x - 3)        =  0

Halten wir also fest: (x - 3) (x + 2) = 0

Da können wir nun die Klammern auf der linken Seite beseitigen, in dem wir sie "ausmultiplizieren", und erhalten:

                       x2 - x - 6 = 0

Und jetzt setzen wir statt der Null einfach y ein, und schon haben wir die Standardform einer quadratischen Gleichung

                      y = x2 - x - 6,

der man zwar nicht mehr auf Anhieb ansieht, von der wir aber trotzdem wissen, dass sie die Nullstellen x = 3 und x = -2 hat.

***

Auch noch in anderer Hinsicht ist die Null der gnadenlose Gleichmacher:

unter a0 kann ich mir zwar nichts vorstellen

(was soll eine Zahl a null mal mit sich selbst multipliziert sein?),

aber es lässt sich zeigen, dass a0 = 1 für egal welches a ist:

Auch so wird also aus dem Vermögen von Bill Gates einerseits und meinen Schulden andererseits dasselbe, allerdings diesmal 1 (was mir doch lieber ist) und nicht 0.

Nebenbei: so erzeugt das Potenzieren mit der einen zentral wichtigen Zahl, nämlich der 0, die andere, nämlich 1 .


Manchmal ist man versucht (die Rache der Frustrierten), statt von "erbarmungsloser Gleichmacherei" von "ausgleichender Gerechtigkeit" zu sprechen.


Auch in der Vektorgeometrie ist die Null manchmal der Königsweg, und zwar bei "geschlossenen Vektorzügen" bzw. einer

Angenommen mal, es sei

(vgl. S. 18ff)

gegeben und gefragt, in welchem Verhältnis der Punkt S die Strecken d und e teilt

(womit schon suggeriert wird, dass

Dann besteht ein geeigneter Lösungsweg (Weg!) darin, einen geschlossenen Vektorzug zu gehen,

Es kann also sinnvoll sein,