grundverkehrt: y = 2 ● x= 2 ● 0,5 = 1
(knapp vorbei ist auch daneben)
Die Gleichung ist mir letztens sofort aufgestoßen, als ich sie so in einem Buch las, und dabei weiß ich nicht, was schlimmer auf mich wirkt: dass sie
grob falsch ist
oder mir (im Hinblick auf SchülerInneN) grob irreführend erscheint.
Wie so oft möchte ich auch hier nicht behaupten, dass meine Erkenntnisse weltbewegend neu sind. Im Gegenteil: über die doppeldeutige (und also auch irreführende) Verwendung von Buchstaben
einerseits für Variable,
anderseits für Unbekannte
wird ja seit Ewigkeiten gestritten.
Es hat einfach ganz praktische Gründe, dass da nicht immer unterschieden wird, und deshalb bin ich der allerletzte, der nun in Purismus ausbricht:
solcher fachsprachlicher Purismus wendet sich oftmals mehr gegen SchülerInnen als eine gewisse umgangssprachliche Laxheit (insbesondere in Fällen, in denen sowieso jeder weiß, was gemeint ist). |
In der "Gleichung" (???) oben wird aber völlig Unterschiedliches gleichgesetzt und eine Trennung übertüncht, die SchülerInnen dringend brauchen:
y = 2 ● x ist eine Funktionsgleichung, in der man rechts jedes x (alle - also unendlich viele! - reelle Zahlen) einsetzen kann, aus denen dann jeweils mittels Verdopplung das passende y links berechnet wird. Also z.B.
2 = 2 ● 1
4 = 2 ● 2
6 = 2 ● 3
...
5000 = 2 ● 2500
Man kann sich die Funktionsgleichung auch als kleine Maschine vorstellen, die gnadenlos und sozusagen "ohne Ansehen der Person" jedes eingegebene x verdoppelt. Sie kann alle x verdoppeln - aber auch nur dies, d.h. sie ist allmächtig und doch völlig blöd.
(Vgl. )(Inzwischen frage ich mich sogar, ob die umgekehrte Reihenfolge, also 2 ● x = y nicht pädagogisch sinnvoller wäre, weil wir nunmal Zeilen [und z.B. auch Funktionsgraphen!] von links nach rechts lesen und ja wohl erst das x "da" ist und daraus erst in einem zweiten Schritt das zugehörige y berechnet wird.)
in 2 ● 0,5 ist nun aber in die allgemeingültige Funktionsgleichung ein einziges der unendlich vielen möglichen x, nämlich 0,5 eingesetzt worden
(und entsprechend ergibt sich in diesem einen Spezialfall dann 2 ● 0,5 = 1).
Insgesamt ist also
y = 2 ● x
eine allgemeine Regel,
2 ● 0,5
aber ein einziger Spezialfall,
und somit wird in
2 ● x = 2 ● 0,5
eine allgemeine Regel mit einem einzigen Spezialfall
gleichgesetzt.
Man könnte das auch als
unzulässige Verallgemeinerung
(und das ausgerechnet im Herzen der Mathematik)
oder als "mathematischen Rassismus"
bezeichnen:
ich kenne einen in der Tat geldgierigen Juden,
also sind alle Juden geldgierig.
(Dabei könnte die Mathematik - wenn sie überhaupt einen fächerübergreifenden Sinn hat - doch dazu beitragen, solch unzulässigen Verallgemeinerungen das Wasser abzugraben!)
Hier aber interessiert natürlich nur die innermathematische Katastrophe
(und in diesem Sinn ist die "Juden"-Analogie - nur um der Mathematik willen - vielleicht sogar makaber, also unzulässig).
Was da aber mathematisch fatal schief läuft, ist, dass die SchülerInnen so den nun wahrhaft zentralen Funktionsbegriff niemals klar durchschauen lernen.
Aber die "Gleichung" y = 2 ● x = 2 ● 0,5 = 1 ist
(ich weiß gar nicht, was schlimmer ist)
nicht nur gefährlich irreführend, sondern auch grundfalsch.
Und das liegt weniger an
2 ● x= 2 ● 0,5
als an
2 ● 0,5 = 1 .
Denn in
2 ● x= 2 ● 0,5
sieht man ja immerhin noch, dass für das x der Spezialfall 0,5 eingesetzt wurde: eine Information die in
2 ● 0,5 = 1
endgültig wegfällt: dem Endergebnis 1 sieht man nicht mehr an, woher es stammt:
genauso gut wie aus der Gleichungskette
y = 2 ● x = 2 ● 0,5 = 1
könnte es aus der Gleichungskette
y = x2 = 12 = 1
stammen, und somit ergäbe sich
y = 2 ● x = 2 ● 0,5 = 1= 12 = x2 = y (*)
oder kurz
2 ● x = x2 ,
womit nur das beliebte Unverständnis bei SchülerInnen bestätigt würde, dass Multiplikation und Potenzieren dasselbe seien.
Kommt hinzu, das in 2 ● x = x2 das x ja (ohne dass man es merkt) gar keine Variable, sondern bereits eine Unbekannte ist und sich, wenn man weiterrechnet, ergibt:
2 ● x = x2 | : x (und schon übersieht man wieder allzu leicht, dass man da evtl. durch 0 teilt - also 0 auch eine Lösung ist)
=> 2 = x
Und mit den beiden Ergebnisse 0 bzw. 2 sind wir nun (aufgrund der Gleichsetzungsschludrigkeit) endgültig in Teufels Küche: in der Gleichung (*) war doch x = 0,5 bzw. 1
(was schon ein fataler Fehler war: x darf in ein und derselben Gleichung immer nur denselben Wert haben),
jetzt ist es plötzlich 0 oder 2 !???
Man könnte ja immerhin folgern:
y = 2 ● x
=> y =2 ● 0,5 = 1
nach Einsetzen des Spezialfalls 0,5 für x
Aber auch hier wird mit y = ... = 1 natürlich unzulässig verallgemeinert: das allgemeine y (zu jedem x) schnurrt zum Spezialfall 1 zusammen.
Eine saubere Alternative wäre eine Indizierung des y :
y = 2 ● x
=> y0,5= 2 ● 0,5 = 1
Solche Übergenauigkeit ergäbe aber spätestens dann Probleme, wenn man etwa den Schnittpunkt zweier Geraden g und h durch "Gleichsetzung" der beiden Funktionsterme herausfinden wollte:
(wobei "Gleichsetzung" oftmals nebenbei auch ein fatales Wort ist, da es verbirgt, welche geometrische und erst in Folge davon algebraische Logik dahinter steckt, nämlich
ein Punkt P ( x | y ) ist Schnittpunkt (bzw. gemeinsamer Punkt) von g und h,
wenn er sowohl auf g als auch auf h liegt,
wenn also seine beiden [noch unbekannten!] Koordinaten x und y
sowohl die Funktionsgleichung von g
als auch die Funktionsgleichung von h
erfüllen ...)
g: y = 2x + 3
h: y = 5x - 4
In beiden Funktionsgleichungen liegen noch allgemeine x vor (Variable). Im selben Augenblick aber, indem man gleichsetzt, erscheint
2x + 3 = 5x - 4,
ist x also keine Variable mehr, sondern eine (noch) Unbekannte
(mit dem zusätzlichen Problem, dass Unbekannte manchmal unbekannt bleiben, nämlich wenn Gleichungen nicht lösbar sind).
Korrekter wäre da
2x? + 3 = 5x? - 4,
und spätestens da sieht man, dass der Formalaufwand wohl allzu groß würde. Oder sollte man tatsächlich derart genau differenzieren?