die Geometrie der Kanaldeckel in Kiew

vgl.

Man kann natürlich nicht so tun, als gäbe es vor lauter Kanaldeckeln gar keine Stadt Kiew, sondern es müssten vorweg

(was im Mathematikunterricht allerdings höchst ungewöhnlich ist)

immerhin die simpelsten Informationen über Kiew durchgenommen werden:

  1. Hauptstadt der Ukraine (Lage in Europa),

  2. aktuelle politische Lage in der Ukraine

(kurze Geschichte der jüngsten Revolutionen; innenpolitische und soziale Lage; Krieg im Osten des Landes; Besetzung der Krim durch Russland;

wobei man sich natürlich fragen kann, was all das mit Kanaldeckeln zu tun hat: die von mir fotografierten Kanaldeckel [s.u.] sind großteils in miserabel schlechtes Pflaster eingebettet, was wohl auch ein Zeichen der Armut ist;

die Patina und den „shabby chic“ der Kanaldeckel findet aber vielleicht nur attraktiv, wer im Luxus lebt und dessen perfekte Glätte schon wieder satt hat),

  1. ca. 3 Millionen Einwohner,

  2. wunderschöne Innenstadt ,

  3. gigantische Hochhaus-Wohnviertel ringsum .


Wenn man Kanaldeckel durchnimmt, geht es zudem nicht an, ihre Funktion auszublenden: sie sind Schnittstellen zwischen der  Ober- und der meist unsichtbaren und damit fast unwirklichen Kanalisations-„Unterwelt“

(mit treffenden Metaphern auch als „Gedärm der Städte“ oder „Städte unter den Städten“ bezeichnet):

Kanaldeckel

(damit keiner unfreiwillig in letztere hinunterfällt, aber auch, damit kein Unbefugter letztere betritt),

Kanaldeckel sind also Türen. Fast am interessantesten an Türen ist aber, was dahinter (darunter) ist:

Beim Begriff „Kanalisation“ denke ich aber natürlich sofort an den Filmklassiker und insbesondere dessen legendäre Schlussszene:

Zwar gibt es in einigen Städten Führungen durch die Unterwelt der Kanalisation

(eben z.B. in Wien

  ),

aber mir ist nicht bekannt, ob es sowas auch in Kiew gibt.

(Dafür hat Kiew aber im Untergrund was anderes zu bieten, nämlich die teilweise 105,5 m unter der Erdoberfläche liegende und damit tiefste U-Bahn der Welt:

)

Und selbst wenn es in Kiew eine Führung in die Kanalisation gäbe, kann man ja nicht einfach mal kurz „nur“ zwecks Kanalisations-Tour mit einer Schulklasse nach Kiew reisen.

Ein empfehlenswerter Ersatz ist aber das leider vergriffene und deshalb nur antiquarisch erhältliche Buch .

  „Glotzt nicht beim Loben
 immer nur nach oben,
 schaut auch mal zur Seite
 [und wichtiger noch: nach unten ],
 dann sehr ihr die Pleite.“

Warum in die Ferne schweifen, wo das Gute (Kanaldeckel) liegt so nah, nämlich direkt zu unseren Füßen?!

Überhaupt ist mir ja jedes (am besten alltägliche) Mittel recht, um den „mathematischen Blick“ zu üben.

Und „mathematischer [und überhaupt wissenschaftlicher] Blick“ bedeutet ja u.a. Mustererkennung bzw. Muster-„making“:

Wie gesagt: das Gute liegt so nah: man muss nicht extra nach Kiew reisen, um interessante Kanaldeckel zu sehen, sondern es reicht,

                 (hier nur ein Beispiel aus Palma [Mallorca]:

(denn am besten sind noch immer "be-greifbare" Kanaldeckel, vor denen Schüler sich hinsetzen und die sie abmessen können).

Nun sind allerdings die meisten Kommunen (aus Kostengründen?) arg phantasielos und verwenden Standard-Kanaldeckel à la

.

Aber selbst an diesen Standard-Kanaldeckeln läßt sich viel lernen, nämlich z.B. die Punkt-, Achsen- und Drehsymmetrie:


Jetzt aber die Ergebnisse einer Kanaldeckel-Forschungsreise nach Kiew:

 

 

 

Darunter sind

(die aber gut für den Einstieg geeignet sind),

  , oder .


Ziel eines "Kiewer-Kanaldeckel-Unterrichts" ist es, dass die Schüler

  1. die Muster verschiedener Kanaldeckel verstehen (s.o. "Muster erkennen"),
  2. diese Muster selbst machen (zeichnen) können (s.o. "Muster-making").

Nun haben mir ja schon die Fachleiter während meiner Referendarszeit beigebracht, dass "verstehen" kein brauchbares Lernziel ist, da es sozusagen in den Köpfen der Schüler eingesperrt bleibt.

(Die Rolinck-Brauerei hat vor Jahren die Crux der Konstruktivismus-Mode mal schön auf den Punkt gebracht: „Es zählen die inneren Werte. Nur wie kommen die da rein?“ [durch Biertrinken!])

Die beliebte Lehrerfrage, ob die Schüler etwas (z.B. einen Text) verstanden haben, ist ziemlich blöd, denn die direkten Antworten sind da wohl "ja", "teilweise" oder "nein".

(Wenn die Schüler fälschlich meinen, etwas verstanden zu haben, liegt das oftmals auch daran, dass ihr "Gedankenkonstrukt" durchaus in sich stimmig ist.)

Die Lehrer-Frage, ob die Schüler etwas verstanden haben, ist also oftmals rhetorisch: die mitgelieferte Antwort und fast schon bösartige Unterstellung ist da, dass die Schüler es sowieso nicht verstanden haben.

(und es vielleicht auch gar nicht verstehen wollen):

    1. haben sie dann vermutlich durchaus einiges verstanden, halten sich aber aufgrund einschlägiger Vorerfahrungen für dümmer, als sie in Wirklichkeit sind.

(Schule läuft allzu oft darauf hinaus, den Schülern zu zeigen, dass sie strunzdumm auf die Welt gekommen sind und erst mühsam schlau gemacht werden müssen.)

    1. : wo soll man denn als Lehrer überhaupt anfangen, wenn die Schüler sagen, „gar nichts“ verstanden zu haben?

Das „gar nichts“ rührt oftmals auch daher, dass die Schüler nicht verorten können, was sie nicht und was sie durchaus verstanden haben: sie sehen dann einfach vor lauter Bäumen (Unverstandenem) den Wald (das durchaus Verstandene) nicht mehr.

Manchmal ist die Behauptung, etwas (gar) nicht verstanden zu haben, aber durchaus schlau, denn so ist der Lehrer fast gezwungen, es nochmals zu erklären.

(Aus dem gleichen Grund behaupten Schüler gerne: "Das haben wir [beim vorherigen Lehrer] noch nie gehabt.")

Mit durchaus gutem Grund wird immer vorausgesetzt, dass immerhin der Lehrer alles (richtig) verstanden hat. Und doch ist das manchmal penetrant besserwisserisch:

"»Ich habe bemerkt«, sagte Herr K., »dass wir viele abschrecken von unserer Lehre dadurch, dass wir auf alles eine Antwort wissen.«"
(Bertolt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner)


Aber zurück zum Ziel eines "Kiewer-Kanaldeckel-Unterrichts", nämlich dass die Schüler

  1. die Muster verschiedener Kanaldeckel verstehen (s.o. "Muster erkennen"),
  2. diese Muster selbst machen (zeichnen) können (s.o. "Muster-making").

Wie gezeigt, reicht 1., also "verstehen", allein nicht aus, sondern muss es "offenbar" werden, und zwar

(und zwar mehr als nur „ich habe es [nicht / teilweise] verstanden“),


Nehmen wir als erstes Beispiel : hier könnten die Schüler

(denn oftmals sind [wie wir gleich nochmals sehen werden] die Hände schlauer als der Mund),

Ein zweites Beispiel ist : obwohl das Muster hier kaum schwieriger ist als , läßt es sich

Und nur noch ansatzweise sagbar ist wohl :

(Nebenbei: ist ein abstraktes Ornament oder ein stilisiertes Symbol [für elektrischen Strom?] ?)

Nun kann man allerdings in Abwandlung von Ludwig Wittgensteins ominös-tautologischem Diktum

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen

sagen:

“Wovon man nicht sprechen kann, das muss man tun“:

Solches Nachzeichnen ist aber zugegebenermaßen „unnatürlich“:

Diese Frage zeigt ein erhebliches methodisch-didaktisches Problem auf, zu dem mir leider nur eine einzige Lösung (?) einfällt: der Lehrer gibt die Anweisung, die Kanaldeckel zu zeichnen.

Hinter dem gezeigten Problem steckt ein viel grundsätzlicheres:

(Man könnte fast sagen: indem die Museen und Sendungen nur die Effekte zeigen, aber kein [allzu kompliziertes?] Verständnis ermöglichen, machen sie Naturvorgänge nur [passend zu unserer kapitalistischen Zeit] konsumierbar und lenken sie somit nur von der eigentlichen Wissenschaft ab.)

Das „natürliche“ (nicht-mathematische) Kopieren eines Kanaldeckels sähe z.B. so aus: man setzt sich vor dem Kanaldeckel auf den Boden, legt ein großes Blatt Papier über ihn und fährt mit einem dicken Kohlestift darüber, so dass nur die Erhebungen auf das Papier übertragen werden

(der Fachbegriff dafür ist „Frottage“)

Also etwa so, wie man mit einem Bleistift eine Münze kopieren kann:

 

Für solches Kopieren braucht man allerdings keinerlei geometrisches Verständnis.

Wie bereits oben gesagt:

Es bleiben also nur Fotos von (Kiewer) Kanaldeckeln, und die sind ja bereits Kopien. Wieso sie also nochmals kopieren?!


Heutzutage gibt es weniger Anlass zum Konstruieren denn je: wenn ich beispielsweise einen Kreis mit dem Durchmesser 30 cm brauche

(eine Größe, für die ich nichtmal einen Zirkel habe),

Außerdem ist es eben doch schade, dass heutzutage alles so glatt & fertig ist, die Muster also vorgegeben sind und nicht mehr gemacht werden müssen / können.

Also mal angenommen, man findet elegant. Das mag u.a. an der geschwungenen Seitenlinie liegen. Aber

(nach ästhetischen, mathematischen und Luftwiderstands-Kriterien)

entworfen

(d.h. ihr Muster muss erstmal gemacht)

werden,

(und mit ihnen die Seitenlinie)

hergestellt werden.

Bei der „Rezeption“ des Autos gibt es drei Schritte:

  1. findet man es (komplett) elegant

(ein Impuls, der ja durchaus Selbstzweck sein darf!),

  1. zerlegt man es „analytisch“ in verschiedene elegante Teile, und eines davon ist die Seitenlinie

(wobei natürlich die Beziehung der Einzelteile zueinander, also die harmonische Gesamtkomposition interessant bleibt),

  1. schaut man sich die Einzelteile (die Seitenlinie) genauer an und versucht (u.a. mathematisch) herauszufinden, weshalb sie so elegant wirken

(wobei Eleganz letztlich vielleicht subjektiv und damit un-mathematisch bleibt).

Die meisten Menschen bleiben aber auf der ersten Stufe stehen - und erst mit der zweiten beginnt die Wissenschaft.

Nun wird die Herstellerfirma allerdings wohl kaum verraten, wie die Seitenlinie konstruiert wurde

(nach welcher mathematischen Formel?),

aber es läßt sich doch immerhin sagen, welche Form sie so ungefähr hat, nämlich die eines dreidimensionalen Sinus. Vgl. z.B.

(Nebenbei: ein besonders krasses Beispiel für derzeit moderne völlig missglückte Linienführung und damit Potthässlichkeit ist .

Im Vergleich damit finde ich ja sogar schön, weil immerhin konsequent.)


Erstes Beispiel eines nachzuzeichnenden Kanaldeckels sei

,

Daran lassen wir noch die "Ausbuchtungen" oben und unten und die kryptische (kyrillische) Beschriftung in der Mitte weg:

(Nebenbei: das Muster dieses Kanaldeckels erinnert mich an Flugzeugdüsen - und solche Eselsbrücken sind bei der Mustererkennung immer hilfreich: die Wirklichkeit wimmelt von ähnlichen [Grund-]Mustern. Vgl. z.B. auch )

Nun ist zu fragen, in welchem Maßstab dieser Kanaldeckel nachgezeichnet werden soll. Am liebsten wäre mir ja die Originalgröße, da man dann in einer Ausstellung

(für die Abbildungen sehr groß sein müssen)

das Foto des Originals und die Konstruktionszeichnung nebeneinander hängen könnte.

Nun haben Schüler aber keine Zirkel, mit denen ein Radius von ca. 40 cm gezeichnet werden kann, und deshalb würde ich die Konstruktionszeichnung im Maßstab 1:5

(also mit einem Außenradius von 16 cm)

zeichnen lassen. Indem man die so entstehenden Konstruktionszeichnungen einscannt und auf dem Computer mit dem Faktor 5 vergrößert, kann man dann eben doch wieder die Originalgröße erreichen.

Sehr einfach ist noch die Konstruktion des Außen- und Innenkreises

(... wobei es für das Folgende sehr wichtig ist, den gemeinsamen Mittelpunkt der beiden Kreise deutlich zu markieren):

Schwieriger ist nun die Konstruktion der 16 (!) „Rippen“:

Die Rippen sehen aus wie Kreisteile bzw. Kreissegmente. Fragt sich nur, wo die (verloren gegangenen) Mittelpunkte dieser Kreise liegen, denn die Mittelpunkte braucht man, um mit einem Zirkel die Kreise (und damit Kreissegmente) zeichnen zu können.

Da muss man sich erinnern, wie man zu einem gegebenen Kreis seinen verloren gegangenen Mittelpunkt wiederfinden kann:

Nun ist dieses Verfahren bei unserem Kanaldeckel allerdings nicht so einfach anzuwenden, weil jede Rippe nur ein sehr kleiner Kreisausschnitt ist. Deshalb lohnt es sich, mit einem sehr großen Ausschnitt des Kanaldeckels zu arbeiten:

Mit diesem Mittelpunkt M und dem Radius r lassen sich nun der Kreis und das Kreissegment / die Rippe zeichnen:

Wichtig ist jetzt noch die Entfernung e des Mittelpunkts M vom Mittelpunkt des Kanaldeckels:

Die Mittelpunkte aller für die Rippen benötigten Kreise liegen also auf einem Kreis mit dem Radius e um den Mittelpunkt des Kanaldeckels:

Wenn wir nun den Kreis in unsere Anfangszeichnung   übertragen, ergibt sich

Um die 16 Rippen zu zeichnen, brauchen wir 16 Kreise, deren Mittelpunkte reihum auf dem Kreis liegen.

Die gesuchten Mittelpunkte sind auf 3600 verteilt, so dass alle = 22,50 ein Mittelpunkt liegt:

(Nun sind 22,50 sind auf dem Geodreieck schwer ablesbar. Deshalb eine Preisfrage: wie kann man ein Sechzehneck konstruieren?)

Für das weitere Vorgehen brauchen wir nur

.

Nun zeichnen wir erst um einen Punkt einen Kreis mit dem bereits oben ermittelten Radius r

und dann um alle Punkte :



Obwohl ich auf dem fernöstlich-esoterischen Auge blind bin, kommt es mir doch gerade recht, dass die Zeichnung an Mandalas erinnert: die Schönheit von Mathematik kommt mir doch viel zu selten (als Selbstzweck!) im üblichen Mathematikunterricht vor.

Also nutzen wir doch mal zum Ausmalen: 

Denn Mathematik muss auch mal

(d.h. von der eindimensionalen Linie zur zweidimensionalen Fläche zum dreidimensionalen Körper [!]; denn [mathematisch!] streng genommen ist nichts in der äußeren Wirklichkeit ein- oder zweidimensional).

(der vollständigen Vereinfachung und Abstraktion),

(Nebenbei: die schönsten Mandalas werden nicht nur zweidimensional ausgemalt, sondern von buddhistischen Mönchen dreidimensional mit Farbpigmenten „aufgehäuft“: )


Wenn wir nun in noch die „Rippen“ markieren und alle Hilfspunkte und -kreise weglassen, erhalten wir zuguterletzt

.

 (Nebenbei: das Muster des Kanaldeckels taucht auch anderweitig auf:

Bei diesen beiden Gegenständen hat die "Rippenform" allerdings vermutlich mechanische Gründe, ist sie also nicht - wie beim Kanaldeckel - nur Ornament:


Ein zweites Beispiel ist .

(Nebenbei: wenn das ein Wellenmuster sein soll, passt es besonders gut auf einen Kanaldeckel für einen Abwasserkanal.)

In einem ersten Schritt abstrahieren wir wieder den Außen- und Innenkreis und erhalten somit

Jetzt kümmern wir uns aber erstmal um das Wellenmuster. Daran ist zu allererst bemerkenswert, dass alle Wellenlinien die gleiche Form haben und „gleich getaktet“ sind:

Wir nehmen uns daher erstmal nur eine einzige Welle vor:

bzw. vergrößert

und jetzt noch ausgeschnitten:

 

Hier scheiden sich nun die (Schüler-)Geister:

(was allerdings nur mal so nebenbei wohl kaum möglich ist;

immerhin soviel sollte allerdings möglich sein: wie mag ein Sprayer diese Linie gesprayt haben?: Indem er einfach [?] immer die Hand hoch und runter bewegt hat und gleichzeitig an der Mauer entlanggegangen ist!

Wichtig dabei sind allerdings aufeinander abgestimmte Geschwindigkeiten:

erstaunlicherweise beherrscht aber fast jeder diese komplizierte, mal langsamere und dann wieder schnellere Auf- und Abbewegung - was so erstaunlich dann aber doch wieder nicht ist: man kann eine gleichmäßige Auf- bzw. Abbewegung nicht urplötzlich stoppen und danach prompt zu einer [wieder gleichmäßigen] Gegenbewegung übergehen, sondern ist gezwungen, die eine Bewegung langsam zu stoppen und dann wieder in Gegenrichtung zu beschleunigen;

der Mensch scheint also eine natürliche Fähigkeit zum Sinus-Zeichnen zu haben),

Fragt sich nur, ob dieser (evtl. verkleinerte oder vergrößerte) „Fertig-Sinus“ annähernd mit den Wellen auf dem Kanaldeckel übereinstimmt. Und in der Tat:

Um Sinus-Graphen über die gesamte Breite des Kanaldeckels zeichnen zu können, benötigen wir die folgende, verlängerte Schablone:

Nun müssen wir uns nochmals ansehen, wie die neun (!) Sinuswellen auf dem Kanaldeckel angeordnet sind:

Da fällt auf:

  1. : es liegt immer gerade der blaue, „halbhohe“ Punkt der Sinuswelle auf der roten Mittellinie des Kanaldeckels;

  2. : wenn zwei blaue Punkte jeweils eine Einheit e voneinander entfernt liegen, liegen oben bzw. unten ein blauer Punkt und ein violetter Punkt  eine halbe Einheit e voneinander entfernt;

bzw. einfacher gesagt: wenn zwei blaue Punkte jeweils zwei Einheiten d voneinander entfernt liegen, liegen oben bzw. unten ein blauer Punkt und ein violetter Punkt  eine Einheit d voneinander entfernt - und es gibt 18 solche Einheiten d auf der roten Mittellinie.

Das heißt aber, dass wir die rote Mittellinie in 18 Einheiten d unterteilen müssen.

Wenn wir all das beachten, erhalten wir

.

Nun lassen wir noch die rote Mittellinie und die blauen Punkte weg und erhalten

Und zuguterletzt löschen wir noch alles außerhalb des roten und innerhalb des blauen Kreises:


PS:


An Kanal- bzw. Schachtdeckel lässt sich eine schöne „Fermi-Frage“ stellen.
 

Und hier nun also die Schachtdeckel-Fermi-Frage:


... womit sich für mich allerdings sofort auch die Frage stellt, weshalb Gully-Deckel rechteckig sind. Doch wohl, damit sie bis an die nunmal gerade Bordsteinkante heranreichen und somit alles Wasser aus der „Regenrinne“ (?) zügig in die Gullies abfließen kann.
PPS: erst einige Zeit später bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden:



PPPS:
Inzwischen gibt es (wohl spaßeshalber) sogar eine Wissenschaft von den Kanaldeckeln:



PPPPS: Fotosammlungen von Gullideckeln im Internet:

PPPPPS: ein interessantes komplizierteres Muster hat auch diese "Baumscheibe" (?) in Sandpoint im US-Bundesstaat Idaho:


(der arme eingezwängte Baum; und wie soll er denn jemals wachsen [einen dickeren Stamm bekommen]?)

PPPPPPS: genauso interessant sind zwei sehr ähnliche Tore an einem verwilderten Grundstück in der Nähe von Port de Soller (Mallorca):



Die beiden Tore sind ziemlich alt, es wird also kaum eine Möglichkeit geben, ihren Konstrukteur herauszufinden und ihn zu fragen, wie er die Geometrie der Tore entworfen hat

(mal ganz abgesehen davon, dass ich jetzt nicht nochmal kurz [gar mit Schülern] nach Mallorca fliegen kann, nur um den Konstrukteur herauszufinden und zu befragen).

Es bleibt also nur die Möglichkeit, mit aller Vorsicht von den Toren auf ihre vermutlichen Konstruktionsprinzipien zurückzuschließen.

Außerdem ist zu vermuten, dass der Konstrukteur der Tore identisch mit dem Schmied ist, der sie hergestellt hat

(ich gehe also mal davon aus, dass die Tore noch keine industriellen Serienprodukte sind).

Man tut diesem (Dorf-)Schmied aber vermutlich kaum Unrecht, wenn man vermutet, dass seine mathematischen Kenntnisse begrenzt waren/sind: seiner bewundernswerten handwerklichen Kunst tut solch eine Vermutung ja sowieso keinerlei Abbruch, und überhaupt bleibt es allemal erstaunlich, dass an einem „hinterletzten“ Grundstück in Port de Soller zwei derart komplexe Tore stehen.

Bei den beiden Toren




ignorieren wir der Einfachheit halber die ähnlichen oberen Aufsätze  und  :



Außerdem amputieren wir beim rechten Tor noch die beiden Seitenteile:



Insgesamt erhalten wir damit:



Wie ähnlich sich die beiden Tore sind, wird besonders deutlich, wenn wir das rechte Tor horizontal stauchen, um es genauso breit zu machen wie das linke:



Da gibt es dann nur noch einen markanten Unterschied zwischen den beiden Toren:

  • während das linke "Törchen" annähernd aus Quadraten besteht,
  • besteht das rechte "Törchen" aus sehr hohen Rechtecken:

ein minimaler Unterschied, der uns im Folgenden nicht weiter interessieren soll. weshalb wir bei beiden Toren die "Törchen" löschen:



Da beide Tore sehr ähnlich sind, reicht es im Folgenden, eines von beiden genauer zu betrachten, und da wählen wir das (nicht horizontal gestauchte) Tor
 
.

(Nebenbei: die Ellipse in ergibt sich aus dem Kreis in durch horizontales Stauchen.)

Ein Tipp, um die Struktur des Tors



zu verstehen, sind die angebrachten Strahlen-Spitzen:



Angenommen mal, da sind wirklich (Licht-)Strahlen gemeint

(das Tor besteht dann nicht nur aus abstrakten Ornamenten, sondern bildet „Wirklichkeit“ ab).

Dann stellt sich doch die Frage, wo diese Strahlen ihren Anfang haben bzw. wo die jeweiligen Lichtquellen sind.

Diese Lichtquellen lassen sich aber finden, indem man die Strahlen zurückverfolgt - - - . Wenn man das für alle Strahlen durchführt, stellt sich heraus, dass sie alle annähernd aus derselben, also einer einzigen Lichtquelle stammen:



Diese "LIchtquelle"   ist gleichzeitig auch annähernd Mittelpunkt des Kreises o und des Kreises o :



Weshalb aber funktioniert hier alles nur "annähernd“?:
  • wurde das Tor bereits ungenau konstruiert bzw. hergestellt
  • und/oder habe ich ungenau gezeichnet?
Deutlich wird dieses Problem auch, wenn man sich fragt, wie viele Strahlen das Tor hat und welche Winkel zwei jeweils benachbarte Strahlen einschließen:
  • auf 1800 kommen 17 Strahlen
,

  • auf 3600 also 34 Strahlen, so dass
(unter der Voraussetzung, dass die Strahlen gleichmäßig verteilt sind)

zwischen jeweils zwei benachbarten Strahlen ein Winkel von 3600 : 34 = 10,5882352941176470 0 liegt.

Das ist nun wahrhaft ein unschönes, beim Schweißen des Tors kaum einzuhaltendes Ergebnis

(und zwar selbst dann, wenn man mit der Näherung 10,60  arbeitet).

Kommt hinzu, dass es mit solchen Winkeln bei vorgegebenen Außenmaßen des Tors gar nicht möglich ist, die vier „Diagonalstrahlen“ exakt durch die Torecken zu führen:



Spätestens hier erahnt man aber vielleicht, dass das Tor „andersrum“ entworfen wurde:
  • es wurde mit mit den senkrechten Strahlen und den „Diagonalstrahlen“ begonnen,
  • und die anderen Strahlen wurden dann annähernd (!) passend verteilt.
Das ist aber nur möglich, wenn die Strahlen nicht gleichmäßig Winkel von 10,5882352941176470 0 miteinander bilden. Und in der Tat findet man schnell offensichtlich unterschiedliche Winkel:




Bzgl. der Konstruktionsprinzipien des Tors bleiben drei Fragen offen:
  • wie denn wurden “die anderen Strahlen [...] dann annähernd (!) passend verteilt“?:
    • hat der Konstrukteur das nur nach Augenmaß bzw. mittels gemacht,
    • oder hat er ein mathematisches Prinzip benutzt
(z.B. Bruchteile der Tor-Außenseiten; und wenn ja, welche Bruchteile)?
  • In welche (willkürliche?) Höhe h wurde die "Lichtquelle" gelegt?:


  • Wie wurden die Radien der Kreise o und o gewählt:


Statt aber diesen Fragen weiter nachzugehen, wählen wir Im Folgenden eine andere Perspektive (!) auf das Tor:

die Kombination aus
  • den bogenförmigen "Türchen" bzw. einerseits
  • und Strahlenbündeln von einer einzigen "Lichtquelle" aus andererseits
erinnert mit doch sehr an die "Centered tunnel perspective".

Dafür hier nur vier Beispiele aus der Kunstgeschichte:



Hier sieht man sozusagen die Grundlagen der Geometrie am Werk: schon die alten Griechen haben vor allem
  • einerseits Geraden (auf den Bildern jeweils an den Seiten)
  • und andererseits Kreise (auf den Bildern als Kreishälften jeweils oben) interessiert,
weshalb die alten Griechen als Mittel geometrischer Konstruktionen nur Lineale und Zirkel zugelassen haben.

Die Auswahl von Geraden und Kreisen war dabei nicht rein willkürlich, sondern hatte einen guten Grund: Gerade und Kreise sind die einfachsten und vielleicht auch schönsten geometrischen "Gegenstände"

("einfach"?: zumindest ist es teuflisch schwer zu definieren, was eine Gerade eigentlich ist).

Nun erkennt man auf den beiden Bildern aber noch andere Geraden als nur die an den Seiten

(von diesen anderen Geraden sei jeweils nur eine einzige eingezeichnet):



Diese "Centered [...] perspective" = Zentralperspektive war eine der ganz großen Entdeckungen der Renaissance:

"[Die Zentralperspektive] wird vor allem in der Architektur und zur Veranschaulichung benutzt. Raumparallele Kanten werden nicht abbildungsparallel dargestellt, sondern vereinigen sich optisch in einem scheinbaren, gedachten Punkt, dem sog. Fluchtpunkt [der bei den mallorquinischen Toren bislang als »Lichtquelle« verstanden und bezeichnet wurde]."
(Quelle: )

Meine ersten Recherchen, wer denn nun eigentlich in der Renaissance die Zentralperspektive entdeckt (erfunden?) hat, ergeben kein klares Ergebnis:

  • über das Bild heißt es:

"Die Dreifaltigkeit ist ein Fresko in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz. Es wurde zwischen 1425 und 1428 von Masaccio geschaffen. Es gilt als bahnbrechend für die europäische Kunst, da erstmals in der Malerei ein Künstler die Gesetze der Perspektive korrekt angewandt hat."
(Quelle: )

In derselben Quelle ist allerdings auch zu lesen:

"[...] die Gebrüder Lorenzetti, die laut Panofsky als Erste einen Fluchtpunkt erfanden [!]"

Die Quelle   führt das weiter aus:


  • Besonders eindrücklich finde ich aber eine Anekdote, für die ich allerdings leider keine Quelle mehr finde: Filippo Brunelleschi sei eines Tages aus der florenzer Kathedrale, mit deren Kuppelbau er gerade beschäftigt war, herausgekommen, auf das davor liegende Baptisterium zugetreten und habe urplötzlich die Zentralperspektive dieses Gebäudes „gesehen“:

(In Wirklichkeit entstammte Brunelleschis Beitrag zur Entdeckung der Zentralperspektive aber anschienend nicht ganz so klischeehaft einer genialen Eingebung:

„[...] [ein] Experiment, mit dem er [= Brunelleschi] eine Tat vollbrachte, deren Wirkung kaum geringer einzuschätzen ist als der Bau der Kuppel.

Dieses Experiment, das aufgrund bestimmter Umstände vor 1413 anzusetzen ist, galt der Demonstration der zentralperspektivischen Konstruktion, die unter dem von Alberti gewählten Begriff der costruzione legittima in die Geschichte der Malerei und in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Der Bericht über dieses Experiment findet sich in Manettis [Brunelleschi-]Biographie.

[Mit diesem Experiment wollte] Brunelleschi die Wirkungen zeigen [...], die vom Maler mit der Zentralperspektive erzielt werden können. Ein von ihm selbst gemaltes Abbild des Baptisteriums, das ca. 29 cm im Quadrat maß, erhielt in der Mitte eine kegelförmige Durchbohrung, deren größere Öffnung sich auf der dem Betrachter zugewandten Rückseite befand. Das Loch markierte die Stelle, die der Maler beim Malen des Bildes und während des Experiments einnahm. Wer das Bild in einer Hand hielt und durch dieses Loch schaute, während er mit der anderen Hand einen Spiegel so vor das Bild hielt, dass es sich darin vollständig abbildete, erblickte das Spiegelbild des seitenverkehrt gemalten Abbildes, das dank der Spiegelung seitenrichtig erschien. Schwenkte man den Spiegel beiseite, war das Abbild nicht vom wirklichen Gebäude zu unterscheiden [...].
Manetti erwähnt ausdrücklich, dass das gemalte Bild so genau war, dass der beste Miniaturmaler es nicht besser hätte machen können. [...]“

[Quelle: ])

Unter den oben gezeigten Zentralperspektive-Bildern finde ich im Hinblick auf unsere mallorquinischen Gartentore das schmieeiserne Gitter  im Paderborner Dom am interessantesten:

  • im Gesamttor
  • ist ein großer Torbogen zu sehen
  • und ein kleiner .
Dadurch wird eine mehrfache optische Täuschung hervorgerufen:

  1. entsteht der Eindruck eines dreidimensionalen Tunnels, in den man durch den großen Torbogen hineingehen und dann auf den kleinen Torbogen zuschreiten kann:
das Ensemble wirkt also dreidimensional, obwohl die gesamte schmiedeiserne Konstruktion doch zweidimensional ist

(der 3D-Effekt wird zudem dadurch verstärkt, dass der untere Teil des Gesamttores den Kirchenboden aufnimmt und der obere Teil Deckenleuchter imitiert;

nebenbei: ich bin mir doch fast sicher, dass sich ursprünglich hinter dem kleinen Tor   das Allerheiligste bzw. der Tabernakel befunden hat).

  1. kommt die offene Wirkung des "Tunnels" überhaupt erst dann zustande, wenn das Gesamttor geschlossen ist.
Genau das ist aber auch die Wirkung der mallorquinischen Gartentore: obwohl sie geschlossen sind, wirken sie paradoxerweise offen.

         (und damit nicht ganz so abweisend).
Überhaupt ähneln die mallorquinischen Gartentore erstaunlich dem Kirchen-Tor , wie man schnell sehen kann, wenn man nur einen Ausschnitt dieses Kirchen-Tors betrachtet:



(Der einzige markante Unterschied kommt dabei dadurch zustande,
dass der mallorquinische Schmied die bogenförmigen "Törchen" in rechteckige Gesamttore eingepasst hat.)


Hat der mallorquinische Schmied also gar nicht Lichtstrahlen zeigen wollen, sondern die Zentralperspektive benutzt?

(So oder so ist mir aber unklar, welchen "Sinn" der Kreis    bzw. die Ellipse haben soll.)