Bild oder Katastrophenmathematik

(Ausschnitt aus "Der Spiegel" 36/2006)

Wohlgemerkt:

Letzteres aber macht schnell einen zynischen Eindruck: "man" macht keine netten (Mathematik)-sprachlichen Spielchen, wenn man über (und sei´s verhinderte) Katastrophen spricht,

und eigentlich verbietet es sich auch, wie hier anhand einer Katastrophe Grundsätzliches über Mathematik herausarbeiten zu wollen, also sozusagen die Katastrophe für die Mathematik zu fleddern.

Das ja eben ist der Vorteil der richtigen, also reinen Mathematik: dass sie mit den Widrigkeiten des "richtigen" Lebens ("Anwendungen") rein gar nichts am Hut hat, und das einzig Zynische daran mag sein, dass da die Widrigkeiten völlig ignoriert werden.

Was also meint der Spiegel-Redakteur (Erich Follath), wenn er schreibt?:

"Gedacht war an einen 11. September hoch zwei."

Oder, da das ja schon offensichtlich mathematisch formuliert ist, nun auch mathematisch geschrieben:

"Gedacht war an einen 11. September2."

Auch mathematische Laien werden da raushören:

Fragt sich nur, um wieviel größer.

Nun verbietet es sich natürlich, mit Toten zu rechnen

(auch so ein gefährlich relativistischer Spruch: "Stalin hat aber zwei Menschen mehr umgebracht als Hitler").

Deshalb seien hier (vorerst) nur abstrakte Zahlen betrachtet:

42 = 44 = 16

Bemerkenswert dabei ist vor allem der Unterschied zur reinen Multiplikation, also

4 2 = 8

Das Ergebnis bei der Quadrat-Rechnung ist also doppelt so groß wie das bei der Multiplikation

... oder auf das Flugzeugbeispiel zurück bezogen: die Katastrophe der neuen Flugzeugsprengungen wäre nicht bloß doppelt so groß gewesen wie die am 11. September 2001, sondern vier Mal so groß.

Wenn man das auf die Anzahl der Flugzeuge bezieht, stimmt das annähernd:

(Und über die Anzahl der Toten und dann auch noch einen Vergleich möchte ich erst gar nicht spekulieren.)

Summa summarum heißt "11. September2" also

(soweit es überhaupt eine Steigerung von "schlimm" gibt bzw. geben darf)

Bleiben wir beim "Quadrateffekt", der für eine größere Zahl, also z.B. 10, schon erheblich auffälliger ist:

  1. lineare Funktion, also y = 2x . Wenn wir da für x eine 10 einsetzen, ergibt sich y = 2 10 = 20;

  2. quadratische Funktion, also y = x2 . Wenn wir da für x eine 10 einsetzen, ergibt sich y = 102 = 100

(das Ergebnis ist also schon fünf Mal so groß!);

  1. Exponentialfunktion, also y = 2x. Wenn wir da für x eine 10 einsetzen, ergibt sich y = 210 = 1024,

d.h. wirklich mörderisch (?!) rasant wächst überhaupt erst die Exponentialfunktion, und Exponentialfunktionen (also viele natürlich verlaufende Prozesse!) führen oftmals mehr (schneller) noch als quadratische Funktionen in Katastrophen.

(Nebenbei: die Verwechslung bzw. leichtfertige Gleichsetzung von 2x und x2 und 2x ist ja geradezu ein Standardfehler vieler SchülerInnen, an dem sich oftmals mangelndes Grundverständnis zeigt, der aber oftmals auch "nur" durch unsaubere Schreibweise entsteht.)

Auf das Ausgangsbeispiel bezogen: 11. September2 wäre schon schlimm genug, aber 211. September wäre der endgültige Triumph des Terrors.


Nochmals: es ist schon fast zynisch, mit Katastrophen (im mathematischen Sinne) zu rechnen

(ein Vorwurf, der weniger dem Spiegel-Autor als mir zu machen wäre).

Zudem bleibt (auch im vollständigen Spiegel-Artikel) unklar, woran der Autor das "schlimmer" messen wollte:

(am 11. September 2001 sind eben nicht "nur" die Passagiere in den vier Flugzeugen, sondern auch Tausende im World Trade Center und im Pentagon gestorben)

Eins wäre vermutlich allemal geschehen, wenn die zwölf Flugzeuge tatsächlich explodiert wären: der  gigantische Terror wäre nicht mehr auf Amerika beschränkt gewesen, sondern - eigentlich das höchste Ziel aller Terroristen - ubiquitär geworden.