abschneiden ( - ) und / oder zusammensetzen (+)
Man könnte auch hochtrabend von "Analyse" und "Synthese" sprechen, nur dass ich "schneiden" und "zusammensetzen" wortwörtlich als manuelle Tätigkeiten verstehe. |
Als Lehrer ist man sich ja zu nichts zu schade:
während der Fußballweltmeisterschaft 2010
nehme ich doch nicht die ausgelutschte Standard-Aufgabe
"ein oben offener Quader mit einem Liter Inhalt soll minimale Oberfläche haben"
durch, sondern ein Extremwertproblem anhand von
:
das ist
(morgen aber schon wieder Schnee von gestern)
Aber Spaß beiseite:
ich akzeptiere die Schachtel nicht einfach in ihrem "So-Sein", um sofort mit dem im engeren Sinne mathematischen Teil loszulegen
(bei welcher Quadrat- und Rechteckgröße hat sie bei einem vorgegebenen Volumen [= Randbedingung] eine minimale Oberfläche [= Zielfunktion]?),
sondern mich interessiert zu allererst
(und mit solchen Fragen möchte ich die SchülerInnen doch "im Rahmen der Möglichkeiten" anstecken),
warum die Schachtel "so" aussieht
und was der Reiz an ihr ist
(ob sich aufgrund dieses Reizes auch die Extremwertaufgabe als reizvoll darstellt, sei mal dahingestellt).
Nun habe ich ja sowieso ein Faible für raffiniert konstruierte und schöne Verpackungen
(vgl. etwa
),
aber bleiben wir konkret bei
.
Zweifelsohne war es das Ziel, anlässlich der Fußballweltmeisterschaft auf möglichst einfache Weise, d.h. aus ebener Pappe bzw. Pappstücken annähernd die Form eines zu erreichen. Die für einen Standard-Fußball typischen (schwarzen) Fünfecke sind zwar nur auf die Schachtel aufgedruckt, also keine konstruktiven Elemente, aber die Schachtel ist eben doch halbwegs "rund"
(unten allerdings abgeflacht, damit man sie aufstellen und stapeln kann).
Wenn man den fußballartigen Deckel abhebt, sieht man als eigentlichen Behälter folgende "Schale":
(also dasselbe Konstruktionsprinzip wie bei )
Diese "Schale"
ist nicht nur so schön, dass man sie sogar auf einen feierlich gedeckten Tisch stellen könnte,
sondern hat auch den Vorteil, dass sie sich beim Abnehmen des Deckels sofort
(auch durch das Gewicht der innenliegenden Gummibärchen)
"blütenartig" öffnet.
Die Fruchtgummis müssen allein in dieser "Schale" Platz finden, d.h. die gesamte obere "Hälfte" der Schachtel ist eigentlich eine Mogelpackung
(aber wohl nicht, um den Kunden zu betrügen, sondern unvermeidlich aufgrund des Fußball-Konstruktionsprinzips):
Laut Bodenbeschriftung sind in der "Schale" 375 g Fruchtgummis
(in verschiedene kleine Tüten verpackt).
Da frage ich mich natürlich sofort: warum die (auf den ersten Blick) so "krumme" Zahl 375?
Nun sind (nicht nur) bei Haribo viele Packungen 375 g schwer
(vgl. oder ).
Nun ist "375" so krumm ja doch nicht, wie man schnell beim Multiplizieren merkt:
2 • 375 = 750,
4 • 375 = 1500,
8 • 375 = 3000.
Bzw. in "375 g" lebt anscheinend noch die früher übliche Maßeinheit "3/4 Pfund" weiter
(wobei solche klein gestückelten Maßeinheiten aus Zeiten stammen, in denen man sich nur kleine Mengen leisten konnte).
Es ist aber aus mehreren Gründen unklar, welches Volumen 375 g Fruchtgummis einnehmen:
, weil verschiedene enthaltene Sorten auch verschiedene Gewichte haben können,
, weil es immer Zwischenräume zwischen den einzelnen Fruchtgummis gibt,
, weil die verschiedenen Fruchtgummisorte - wie bereits gesagt - in Einzeltüten verpackt sind, zwischen denen es wiederum Zwischenräume gibt.
Wenn man aber all die enthaltenen Fruchtgummitüten in einen Messbecher gibt, so zeigt sich, dass 375 g
(nochmals: inkl. aller unvermeidlichen Zwischenräume)
fast genau 1 l Volumen haben
(tatsächlich hat dieser untere Teil der Schachtel aber - wie sich etwa durch Füllen mit Sand ergibt - ein Volumen von ca. 1,8 Litern!).
Dieser eine Liter muss nun
(wie schon gesagt)
allein in die untere "Hälfte" der Schachtel
,
also in die zusammengeklappte "Schale"
,
die umgedreht so aussieht
passen.
Das macht das Extremwert-Problem natürlich erheblich einfacher, da wir die obere und allemal kompliziertere "Hälfte" der Schachtel, also
,
gar nicht mehr mit berücksichtigen müssen.
Die Extremwertberechnung setzt aber eine Volumenberechnung der Schachtel voraus, und da ergaben sich bei der Behandlung im Unterricht doch ganz erhebliche Probleme, die
nicht darín begründet waren, dass bei der Extremwertberechnung natürlich mit Variablen hantiert werden muss,
sondern vielmehr auf Anschauungsproblemen beruhten: die SchülerInnen konnten die Schachtel nicht in "einfache" Körper mit ebenso "einfach" zu berechnendem Volumina zerlegen.
Eben dieses "Anschauungsproblem" soll hier mein eigentliches Thema sein - und auf das Extremwertproblem komme ich am Ende zurück.
Obwohl also
(wie oben gezeigt)
das Extremwertproblem sich nur auf die untere "Hälfte"
bezieht, sei im Hinblick auf die Anschaulichkeit doch die ganze Schachtel
betrachtet.
Auffällig an der Schachtel
(abgesehen vom "Fußballkonstruktionsprinzip")
sind vor allem zwei Dinge:
, dass sie nicht gleichmäßig "rund", sondern eher "elliptisch" ist, was daran liegt, dass sie teilweise aus Quadraten, teilweise aus (längeren) Rechtecken besteht:
Da stellt sich doch die Frage, warum von Haribo nicht die ideale "runde", sondern die "elliptische" Form gewählt wurde
(soweit diese Frage ohne Kontakt zur Firma Haribo überhaupt beantwortbar ist).
Ein Grund für die "ellipstische" Funktion mag sein, dass der Schriftzug oben auf der Schachtel, also "HARIBO FOOTBALL", in lesbarer Größe nur in ein Rechteck statt ein Quadrat passt.
Könnte es aber auch mathematische Gründe für die "elliptische" Form geben, was insbesondere heißt: könnte die Extremwertuntersuchung eine Antwort geben?
sind insbesondere die "dreieckigen" Ausschnitte an der Schachtel oben interessant:
Dabei sind die Seitenwände dieses ausgeschnittenen Tetraeders nicht waagerecht und senkrecht, sondern
die Seite ist nach oben gebogen,
die Seiten sind nach innen gebogen:
Warum?
Nun spielen bei der Entwicklung solcher Verpackungen ja keineswegs nur (wenn überhaupt) mathematische, sondern beispielsweise auch ästhetische und Praktikabilitätsgründe eine Rolle.
So lässt sich z.B. vermuten, dass die Seiten "eingedellt" sind, weil man dadurch die Schachtel besser im Griff hat: sie rutscht einem, wenn man dort anfasst, nicht so leicht aus den Händen.
Den "eigentlichen" Grund, weshalb die Ecken so "eingedellt" sind, erkennt man aber, wenn man sich die ebenso raffinierte wie letztlich erstaunlich einfache "Bauweise" der Schachtel ansieht:
:
Die Schachtel besteht letztlich nur aus einem langgestreckten Rechteck samt aufgesetzten Deckeln.
Und die dreieckigen Ausschnitte ergeben sich daraus ganz logisch als
(So eine Schachtel ist wie ein Gedicht oder Film: sie fallen nicht fertig vom Himmel, sondern da muss überhaupt erst jemand "drauf kommen" - und für die Schachtel muss eine spezielle Maschine entwickelt werden, die sie zuschneidet, an einer Kante zusammenklebt und zusammenbaut.)
Die sich also letztlich so einfach ergebenden, aber schwierig zu berechnenden dreieckigen Aussparungen seien nun aber im Hinblick auf SchülerInnen vereinfacht, indem wir dort waage- und senkrechte Seiten einziehen:
Unsere vereinfachte Schachtel sieht damit so aus:
Hier sind dann auch schon gleichlange Strecken mit jeweils derselben Farbe dargestellt.
Die Zwei(!)dimensionale Oberfläche der Schachtel
(und das ist ein erster wichtiger Tipp!)
besteht also aus nur drei verschiedenen und sehr einfachen Elementen:
Quadraten mit der Seitenlänge x ,
Rechtecken mit derselben Breite x und der Länge y ,
rechtwinkligen (!!!) Dreiecken mit wieder derselben Hypothenuse x und den Katheten z :
Nun schreit "rechtwinkliges Dreieck" nach dem Satz des Pythagoras, und damit ergibt sich:
z2 + z2 = x2
2z2 = x2 | : 2
z2 = x2 | : 2
z2 = | √
z =
Damit haben wir uns zwar
(wie oft in solchen auf den ersten Blick einfachen Fällen, nämlich z.B. auch bei )
die unschöne eingehandelt
(und die - was alles noch doppelt schwierig macht - auch noch im Nenner!),
dafür aber immerhin die Anzahl der Variablen auf zwei (nur noch x und y) verringert. Die ganze scheinbar komplizierte Schachtel ist also aus nur zwei Strecken (eben x und y) zusammengesetzt.
Noch kurz zur : wir rechnen sie natürlich nicht aus, d.h. ermitteln nicht mittels Taschenrechner einen immer nur ungefähren Wert
(z.B. 1,4142: ein Fehler, der sich bei jeder nachfolgenden Rechnung verschlimmern könnte),
sondern schleppen die unverändert in der Hoffnung mit, dass sie irgendwann doch wieder quadriert wird und dann die simple 2 rauskommt. Dieses Mitschleppen sollte uns nicht schwer fallen, denn ist letztlich nur eine ganz normale Zahl wie beispielsweise auch 7.
Kommen wir damit zum eigentlichen Thema dieses Aufsatzes, nämlich der Volumenberechnung von
.
Spätestens hier muss nun eine glasklare Unterscheidung vorgenommen werden:
Wir unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Schachteln:
|
Die Berechnung des Volumens von fällt SchülerInneN aus verschiedenen guten Gründen sehr schwer:
sehen sie vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, d.h. in der komplizierten Schachtel (sozusagen dem Molekül) nicht die einfachen Grundbausteine (Atome) - und geben dann oftmals sofort auf;
kennen sie nicht das "newton-leibnizsche Rettungsverfahren" bzw. sehen sie keinen Grund, sich auf sowas Umständliches "einzulassen":
"ich kann nicht A. [z.B. Krummes oder eben ]",
"dafür kann ich aber immerhin B. [z.B. Gerades oder einfache Körper wie Kuben oder Prismen]",
"auf dem Umweg über B. erreiche ich dann doch noch A.]";
bleibt der Körper im üblichen Schulunterricht arg abstrakt selbst dann, wenn man nicht nur eine zweidimensionale Projektion an die Tafel zeichnet, sondern tatsächlich eine Schachtel mitbringt:
, weil man aus Kostengründen nicht für jedeN SchülerIn oder auch nur jede Schülergruppe eine Schachtel mitbringen kann; weil also die einzig vorhandene Schachtel
weit entfernt, also im Grunde eben doch zweidimensional bleibt,
nicht für jedeN SchülerIn(gruppe) be-greif-, d.h. untersuch- sowie zerschneid- und zusammensetzbar ist;
wegen einer speziellen Eigenschaft der Schachtel selbst, nämlich dass sie hohl ist: wenn man diese Schachtel in einfachere dreidimensionale Körper zerschneidet (s.u.), fehlen deren Außenwände bzw. muss man sie sich eben wieder "nur" vorstellen, was vielen SchülerInneN enorm schwer fällt.
Schön wäre also eine massive (dann eben nicht mehr) Schachtel, in der die Schnitte wirklich sichtbar, ja be-greifbar würden.
Nun gibt es zwei Wege, an eine solche massive "Schachtel" zu kommen:
: einen relativ einfachen massiven Quader, der die Schachtel umfasst
und schneide dann alles ab, was über die Schachtel hinausgeht. Das Volumen der Schachtel ist dann
das des Quaders
minus
den Volumina der abgeschnittenen Reste.
statt des Hohlkörpers einen gleichgroßen massiven Körper, was z.B. dadurch möglich ist, dass man den Hohlkörper vollgießt.
Und eben dieses "Vollgießen"
(wobei natürlich hinterher ein fester und dennoch leicht schneidbarer Körper herauskommen soll)
ist am einfachsten mit Kuchenteig möglich
(was zudem den Vorteil hat, dass man den Kuchen hinterher genüsslich mit den SchülerInneN aufessen kann).
Wir backen also zwei Kuchen, nämlich
einen in Quaderform,
einen in Form der Fußballschachtel
Zu A., also dem quaderförmigen Kuchen :
Ich habe immer gedacht, es sei Michelangelo gewesen, der (als erster) gesagt hat, er
befreie nur die Figuren aus dem Stein, die sowieso schon darin seien: (Und in der Tat hat er ja sogar, wie das Band quer über die Stirn der Pieta zeigt, die Maserungen der Steine in seine Skulpturen integriert:
|
Zu allererst schneiden wir von dem kubischen Kuchen an den Ecken vier Prismen mit dreieckiger Grundfläche ab:
Als Nächstes schneiden wir Körper oben an den Kanten entlang ab:
Zur genaueren Betrachtung sei da mal der vordere Körper "herausvergrößert":
Diese Körper bestehen also aus einem Prisma mit dreieckigen Grundseiten, an das zwei Pyramiden mit dreieckigen Grundseiten angesetzt sind.
Spätestens hier zeigt sich, dass in der zweidimensionalen Projektion oder allemal dann, wenn man sich den Kubus nur vorstellt, für SchülerInnen weitgehend unanschaulich bleibt, wie die abgeschnittenen Körper aussehen.
Beim tatsächlichen Abschneiden ist das allerdings kein Problem.
Allerdings gibt es sich bei diesem "Herausschälen" des "Fußballs" aus einem Quader ein viel grundsätzlicheres Problem: da man den "Fußball", auf den da hinzuarbeiten ist, ja noch nicht hat, ist es ungeheuer schwierig, quadratische Seiten herzustellen - oder gar Ecken der Breite abzuschneiden.
Und jetzt müssten nur noch die "dreieckigen Einbuchtungen" oben ringsum ausgeschnitten werden:
Zu B., also einem massiven Körper, der bereits die Form hat:
Diesen Kuchen zerschneiden wir nun so lange, bis die Einzelteile nur noch aus möglichst einfachen Körpern mit einfach zu berechnenden Volumina bestehen. Und aus diesen Einzelteilen können wir dann hinterher wieder den Gesamtkörper zusammensetzen und somit sein Volumen bestimmen.
Ein möglicher erster Schnitt besteht dann darin, Ober- und Unterteil des Körpers zu trennen:
Oberteil | Unterteil | ||||||||||||
Dieses Oberteil wird nun weiter zerschnitten in die Körper 1 - 5: | Dieses Unterteil wird nun weiter zerschnitten in die Körper 1 - 9: | ||||||||||||
Halten wir schon mal fest, was alle Körper 1 - 5 gemeinsam haben, nämlich die Höhe z = . |
Halten wir schon mal fest, was alle Körper 1 - 9
gemeinsam haben, nämlich die Höhe
x . |
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Kommen wir damit zu den verschiedenen Teilkörpern:
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Kommen wir damit zu den verschiedenen Teilkörpern:
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Das gesamte Oberteil hat also das Volumen
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Das gesamte Unterteil hat also das Volumen
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Damit ist das "Abschneide- und Zusammensetz-Prinzip" gezeigt - und zu den langwierigen Termumformungen zwecks Extremwertbestimmungen habe ich keine Lust mehr.