der kleinste gemeinsame Nenner

Ausschnitte aus der Debatte zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel am 30.11.2005:

Noch ein "kleinster gemeinsamer Nenner": vor der Wahl 2005 hat

Geeinigt hat man sich nach der Wahl auf 3 (!) %.


Vorweg: ich bin ja wahrhaft kein Freund der neuen großen Koalition, aber ...


MathematikerInnen sind


Angenommen mal,

(das ist

Masterfrage: wie groß ist der Anteil beider Fraktionen zusammen im Bundestag?:

= ?

Nun kann man aber zwei Brüche mit unterschiedlichen Nennern (hier 42 und 30) nicht direkt addieren, sondern muss erst "den" Hauptnenner suchen, d.h. einen (!) gemeinsamen Nenner.

Solch ein gemeinsamer Nenner muss ein ganzzahlig Vielfaches sowohl von 42 als auch von 30sein, und das kleinstmögliche derartige Vielfache (also der kleinste [gemeinsame] Hauptnenner) ist 210.

(Hier sei nicht erklärt, wie man auf diese Zahl 210 kommt..

Immerhin sei aber schon darauf hingewiesen, dass hier

Die Addition verläuft also folgendermaßen:

  1. Wir erweitern den ersten Bruch mit 5 und den zweiten mit 7:

=

  1. Wenn man die jeweiligen Zähler und Nenner nun ausmultipliziert

(was nebenbei jeweils nur die Multplikation zweier ganzer Zahlen ist!),

erhält man

(Hier sieht man nebenbei - wie oben bereits angedeutet -, dass der Anteil der CDU/CSU ein klein wenig größer als der Anteil der SPD, dass also die CDU/CSU die stärkere Fraktion ist und deshalb auch die Bundeskanzlerin stellt.)

  1. Jetzt erst, beim selben Nenner 210 der beiden Brüche, kann addiert werden, indem man "auf den Hauptnenner" bringt, also aus den beiden Brüchen einen macht:

  1. Jetzt steht nur noch im Zähler eine Addition - und zwar die zweier natürlicher Zahlen!:

(Woran deutlich wird, dass - wie oben schon erwähnt - CDU/CSU und SPD zusammen eine satte Mehrheit haben, nämlich weit mehr als die Hälfte ; deshalb spricht man ja auch von einer "Großen Koalition".)

CDU/CSU und SPD haben also zusammen aller Bundestagsmandate.

 Dabei ist es eine Banalität, dass durch all die Rechnungen

(wenn sie nicht - wie abzusehen - bald die ersten Koalitionsquerelen haben werden).

Nun gibt es aber gar nicht "den" (einzigen) Hauptnenner (oben 210), sondern alle ganzzahligen Vielfachen von 210 sind ebenfalls als Hauptnenner möglich, also z.B. 2•210 = 420, 3•210 = 630 ...

(es gibt unendlich viele Vielfache von 210, also auch unendlich viele Hauptnenner).

... und 210 ist "nur" der "kleinste gemeinsame (Haupt-)Nenner".

Schauen wir uns also mal an, wie die Rechnung liefe, wenn wir mit dem nächstgrößeren möglichen Hauptnenner, also 420, rechnen würden:

Wir haben also insgesamt mit größeren, also "schwierigeren" Zahlen zu rechnen und zudem ist das Ergebnis (wiederum wegen dieser größeren Zahlen) unübersichtlicher als das oben erhaltene Ergebnis .

Und dennoch hat die Koalition aus CDU/CSU und SPD zusammen natürlich nicht

denn mittels Kürzen durch 2 können wir das zweite Ergebnis natürlich problemlos auf das erste Ergebnis zurückführen:

=

Es ist also herzhaft egal, mit welchem Hauptnenner man rechnet, das Ergebnis ist

(eventuell nach Kürzen oder Erweitern)

immer dasselbe.

Wenn also oben

»... und 210 ist "nur" der "kleinste gemeinsame (Haupt-)Nenner"«

gesagt wurde, so musste das "nur" natürlich in Anführungszeichen stehen, weil "nur" üblicherweise einen abwertenden Unterton hat, 210 als "kleinster gemeinsamer (Haupt-)Nenner" aber in Wirklichkeit besonders praktisch ist.

"kleinster gemeinsamer (Haupt-)Nenner" unterstellt immer, ein größerer oder gar der größte Hauptnenner sei besser. Da es aber - wie wir gesehen haben - unendlich viele Hauptnenner gibt

(alle ganzzahlig Vielfachen von 210),

 gibt es gar nicht "den" größten.


Nehmen wir nun aber mal an, und  seien nicht die Anteile der CDU/CSU bzw. SPD am Bundestag, sondern ihre "Kompetenzniveaus"

(wobei 1 vollständige Kompetenz bedeuten würde).

Dann


Wieso also malt Guido Westerwelle das Menetekel

"Wenn Sie über diese Koalitionsvereinbarung des kleinsten gemeinsamen Nenners nicht hinausgehen , dann wird diese Bundesregierung vor der Geschichte genauso scheitern, wie Rot-Grün gescheitert ist."

an die Wand?:

  1. weil er besser seine Hände von aller Mathematik lässt!?

(und damit wohl besser - welche Ironie, wo doch die FDP die Partei des Turbokapitalismus ist! - auch von allen Finanzen)

  1. weil sich mit "der kleinste gemeinsame Nenner" mathematisches Unverständnis in den alltäglichen Sprachgebrauch eingenistet hat?


Was aber ist mit "der kleinste gemeinsame Nenner" im alltäglichen Sprachgebrauch eigentlich gemeint

(unabhängig davon, dass das mathematisch falsch ist)?

Doch wohl die

(so wird da ja wohl unterstellt:)

Was aber ist - um (wenn schon, denn schon) zu den "Nennern" zurückzukehren - die "größtmögliche Gemeinsamkeit" zweier Nenner?

In der Mathematik versteht man darunter üblicherweise den

"Größten gemeinsamen Teiler" der beiden Nenner (kurz "GgT" genannt).

Schauen wir uns dazu die Teiler der beiden Nenner 42 und 30 an:

Der größte gemeinsame Teiler der beiden Nenner 42 und 30 ist also 6.

Das ist

(Immerhin könnte man sagen: die SPD bringt - als allerdings kleinere Fraktion - mehr [nämlich 1/5 ] von ihrer Substanz ein als die CDU/CSU [nur 1/7 ].)

Und da kann man sich tatsächlich streiten, ob das für eine sinnvolle Politik reicht.

Mit

"der kleinste gemeinsame Nenner"

ist also vermutlich gemeint, dass man

"den größten gemeinsamen Teiler der beiden Nenner" zu klein findet.

Letzteres ist dem Volksmund aber wohl zu umständlich gewesen, und vielleicht hat er es deshalb frischweg - wie so oft - zu Ersterem verschliffen.


Letztlich ist das Beispiel aber

(wie die meisten Pseudo-Anwendungsaufgaben)

an den Haaren herbeigezogen, denn

Weil es also insgesamt 614 Sitze gibt, ist bei allen Parteien "der größte gemeinsame Teiler der beiden Nenner" 614

(also ironischerweise auch bei

Man könnte das auch so interpretieren

(wo wir hier schon auf Teufel komm raus interpretieren; und was sowieso eine arge Floskel ist),

dass "alle demokratischen Parteien gleichermaßen koalitionsfähig sein sollten".

Der "größte gemeinsame Teiler der beiden Nenner" (hier 614) ist aber keineswegs klein.


Ansonsten gehört "der kleinste gemeinsame Nenner" aber unbedingt in .


PS:
(zitiert nach )
PPS: Der "kleinste gemeinsame Nenner" liegt vor, wenn im Deutsch-Zentralabitur 2007 in NRW u.a. "abgefragt" werden:
  • (grandios!)
  • (mittelprächtig)
  • (political correct und aus der Sicht eines alternden "Entscheidungsträgers" topaktuell)