lebendige Mathematik

 

Mathematik kann bildschön sein. Aber das muss man mir nicht erst sagen, dass sie nur ein Abklatsch des bunten (und manchmal grauenhaften) "Lebens" sein kann.

Die übliche Schulmathematik hat zwei Nachteile:

  1. ist sie "abgenagt"

(was ja allemal auch seine Vorteile hat!),

  1. ist sie meistens statisch.

Beste Beispiele sind da Funktionsgraphen wie z.B.  

(obwohl ich diesen "Schwung" ja auch schön finde!).

Ein Nachteil etwa bei der "Kurvendiskussion" ist, dass solche Funktionsgraphen meistens schon völlig fertig sind, statt dass sie sukzessive entstehen bzw. "erwandert" werden:

Oder ein anderes Beispiel sind sogenannte "Kongruenzabbildungen"

(also Verschiebung, Drehung und Spiegelung),

bei denen

(aus technischen und Zeitgründen)

an der Schultafel immer nur die Anfangs- und Endzustände, aber nicht die fließenden Übergänge zwischen diesen gezeigt werden

(wie überhaupt die End- aus den Anfangszuständen entstehen).

Zumindest AnfängerInnen - das ist ja sowieso mein Credo - brauchen also dringend eine . Und ich selbst denke mir ja noch immer als


ist aber vor allem eine lebendige Mathematik bzw. eine Mathematik des Lebens, denn vor allem ja Lebewesen bewegen sich.

Inzwischen gibt es da etwa in der hochinteressante, aber für den Schulunterricht wohl zu komplizierte Ansätze.

Eine lebendige Mathematik habe ich aber schon ansatzweise in angedacht. Für Leute, denen das aber zu sexistisch (???) ist, hier ein anderer Ansatz, nämlich der Vogelflug .


Es ist geradezu ein Vorteil, dass wir hier nicht mit dem wiederum zu komplexen echten, sondern mit einem bereits simuliert-abstrahierten Vogelflug anfangen.

Der Anlass: im Planetarium Münster werden vor der Kindervorstellung einige simple Animationen an das "Sternenzelt" projiziert - und darunter eben auch .

(Nebenbei: ich habe die Projektion im Halbdunklen mit einer Handy-Kamera abgefilmt, wodurch die Qualität natürlich sehr zu wünschen übrig lässt.)

Der entscheidende Kick war dabei für mich

 

das Staunen darüber, dass die simple Simulation dennoch - zumindest auf mich - ein wenig lebendig wirkt.

Damit haben wir die entscheidende Frage:

was an der Simulation ist es genau, das den Eindruck von Lebendigkeit hervorruft?

Das ist natürlich keine "Anwendungsaufgabe" im üblichen Sinne: zwar mag man den Vogelflug anhand einer Simulation besser verstehen, aber die Vögel können natürlich (!) prächtig ganz ohne jede Mathematik fliegen:


Es soll im Folgenden nicht um eine vollständige Mathematisierung des Vogelflugs bzw. der Simulation gehen

(so dass man das Computerprogramm rekonstruieren könnte, mit dem die Simulation erzeugt wurde),

sondern es scheint mir schon allein "mathematik-propädeutisch", wenn man "nur" versteht, wie die Simulation ´"prinzipiell" funktioniert - und was den Vogelflug "grundsätzlich" ausmacht

(denn der Programmierer, der die Simulation geschrieben hat, scheint mir doch sehr genau Vögel beobachtet zu haben).


Die Simulation besteht aus zwei gleichzeitigen Effekten:

  1. der Flügelbewegung,

  2. der Auf- und Abbewegung des gesamten Vogels in Folge der Flügelschläge

(wenn der Vogel                die Flügel nach oben schlägt, fliegt er sogar ein wenig runter

[weshalb er sie dabei möglichst klein macht],

 wenn      er        hingegen die Flügel nach unten schlägt, fliegt er          wieder       höher).

Der zweite Effekt ist allzu selbstverständlich, als dass man ihn noch genauer untersuchen müsste. Weil er aber auf dem ersten beruht, läuft er in der Simulation natürlich gleichzeitig mit diesem. Um nun aber den ersten, uns viel mehr interessierenden Effekt alleine untersuchen zu können, müssen wir eine erste "Normierung" vornehmen, nämlich dafür sorgen, dass der zweite Effekt ausgeschaltet ist, d.h. der Vogel immer auf gleicher Höhe bleibt.

Und wo ich schonmal dabei bin, führe ich gleich auch noch eine zweite Normierung durch, "lege" den Vogel nämlich waagerecht, damit wir einen klareren "Maßstab" gewinnen und später um so leichter mit einem Koordinatensystem arbeiten könn(t)en:

Da es im Folgenden also um die Flügelbewegung gehen soll, zwei Flügel aber doch des Guten ein bisschen zu viel sind

(wir doppelte Arbeit leisten, aber auch zu viel gleichzeitig betrachten müssten und dadurch irritiert würden),

sei zudem nur der (im Bild) obere Flügel betrachtet:

Wenn man genau hinschaut, erkennt man zudem, dass in der Simulation einige Linien gebogen sind, was natürlich auch zur "Lebhaftigkeit" beiträgt:

Trotzdem vereinfachen wir das noch, indem wir auf gerade Strecken, eindeutige Punkte und somit ein Fünfeck reduzieren:

Wir machen also systematisch genau das, was ich oben noch angeprangert hatte, nämlich Abnagen. Aber dennoch haben wir unser Anfangsinteresse nicht vergessen: ein klein wenig dem Leben auf die Schliche zu kommen.

Mit stehen wir nun aber überhaupt erst vor dem eigentlichen Problem:

was an sollen wir untersuchen, bzw. wie merken wir, was daran - wenn überhaupt noch - das "Leben" ist?

Ergibt sich hier nicht der typische "hermeneutische Zirkel"?:

Mir nämlich ist bereits bei der Originalsimulation im Planetarium nach kurzer Zeit ein Effekt aufgefallen, der für mich zentral den Anschein von "Lebhaftigkeit" ausmacht

(und so gesehen hätte ich gleich bei der Anfangssimulation bleiben und mir alle "Normierungen" sparen können):

dieser Effekt der "Lebhaftigkeit" entsteht für mich durch die absolute und relative Bewegung der beiden Punkte 1 und 2:

Es bleibt also nur noch übrig:

Und da nun könnte ich eigentlich sogar noch die letzten traurigen Überreste des Vogels weglassen:

... womit ich den Schlusspunkt der Abgenagtheit (den Tod des Vogels) erreicht hätte:

Ich werde aber vorerst dennoch die "Reste" des Vogels beibehalten, damit deutlich bleibt, wie sich die Bewegung der Punkte überhaupt erst aus der Flügelbewegung ergibt.

Um die von mir gemeinte absolute und relative Bewegung der beiden Punkte genauer betrachten zu können, reduziere ich im Folgenden noch weiter und zeige stroboskopartig nur vier markante Zwischenstationen - und diese zudem langsamer

(im Stroboskoplicht kann man Prinzipielles besser erkennen als in einer fließenden Bewegung).

Oder deutlicher mit den beiden Punkten und der Strecke:

Jetzt erst beseitigen (töten) wir den Vogel vollständig - und wird vielleicht überhaupt erst der von mir gemeinte Effekt deutlich:

Das nämlich ist keineswegs mehr eine einfache (parallele) Bewegung

,

sondern die beiden Punkte bewegen sich

(wenn man in der Originalsimulation genau hinschaut, sieht man sogar, dass Punkt 1 schon wieder hoch geht, während Punkt 2 noch runter geht).

Es scheint fast, als würde

(weil die Flügelspitze erst später Nervenimpulse erhält als der -anfang?),

Dabei sind die Personifikationen - wo´s um Lebendigkeit geht - natürlich Absicht.

Ich höre schon den Einwand, das alles sei ja noch nicht im mindesten Mathematik. Oh doch, denn hier wird vorgemacht, wie man ein Problem "abnagt", bis es überhaupt erst mathematisierbar ist.

Und die reine Mathematik

(eine Vermessung der Punkte im Koordinatensystem sowie die Erstellung von Funktionen, die deren Bewegung beschreiben; d.h. die Rekonstruktion des Computerprogramms, das der Simulation zugrunde liegt),

wäre jetzt nur noch ein Klacks (?).