der (Anti-)Nobbelpreis

 

Manchmal ist mir danach, einen ganz anderen "Nobelpreis" zu vergeben, nämlich den "Nobelpreis des Alltags". Und zwar für - wohl immer anonyme - Ingenieure, die ebenso simple wie geniale technische Neuerungen erfinden, nämlich z.B.

  • die gerippte Wärmflasche, so dass sie, wenn erhitzt, nicht mehr auf der Haut klebt,

  • oder den Lichtschalter, der (bei gleichem Materialaufwand!) nicht mehr großteils aus Rahmen, sondern großteils aus Schalter besteht.

  • "Verpackungen genial, besonders Karton-Verpackung der Eier." (Albert Einstein)

... also diese ebenso unscheinbaren wie wirklich hilfreichen Neuerungen, bei denen man sich fragt, warum da eigentlich keiner vorher drauf gekommen ist - und auf die man durchaus auch vorher hätte kommen können, die also nicht einer völlig neuen Technik bedürfen.

Der Alltag ist randvoll mit solch wirklich nützlichen Kleinigkeiten (nicht zu verwechseln mit all dem Hightech-Schnickschnmack), und Aufmerksamkeit für sie ist auch eine Form des Staunens - und der Dankbarkeit.

Allerdings wüsste ich auch, wofür ich den "Anti-Nobelpreis des Alltags" vergeben würde: dass es den Ingenieuren noch immer nicht gelungen ist, den überhaupt genialsten Alltagsgegenstand, nämlich das Fahrrad, mit einer todsicher funktionierenden Beleuchtungsanlage (ohne Batterie und Akku) auszustatten. Peinlich, peinlich für die gesamte Ingenieurszunft!

Mein (Anti-)Nobbelpreis wird hier von mir in frischweg angemaßter Machtvollkommenheit verliehen für

Für meinen Nobbelpreis kann man sich nichts "kaufen": er ist ein reiner Ehrenpreis sozusagen "zur höheren Ehre Gottes", also nicht - wie schnöde (und doch hätte ich das Geld natürlich gerne!) - hochdotiert wie der Nobelpreis, sondern "wertlos" wie der höchste Mathematikerpreis

(weil Alfred Nobel einen Mathematiknobelpreis vergessen oder absichtlich nicht vergeben hat),

die


Fields-Medaille


Vielleicht ist es nur eine letzte Selbstrechtfertigung eines fachwissenschaftlich sowieso drittklassigen Lehrers, wenn ich große PopulärwissenschaftlerInnen für genauso wichtig halte und genauso bewundere wie große WissenschaftlerInnen

(zumal es Leute gab, die das ersteres wie letzteres in Personalunion bzw. vielleicht sogar letzteres überhaupt nur deshalb waren, weil sie auch ersteres waren, nämlich noch einfache Fragen stellen und sich selbst [und dann auch anderen] Dinge erklären konnten):

Journalisten, Literaturkritiker und Lehrer sind nicht dazu da, eigene Ideen zu haben

(was natürlich auch nicht schaden kann; und dennoch: Schuster, bleib' bei deinen Leisten),

sondern dazu, staunend (und neidlos) auf die Fülle guter Ideen hinzuweisen:

"Es kommt einer nach mir, der ist stärker als ich;
und ich bin nicht wert,
dass ich mich vor ihm bücke
und die Riemen seiner Schuhe löse."

"Eine theoretische Wissenschaft, die sich nicht dessen bewußt ist, daß die Begriffe, die sie für relevant und wichtig hält, letztlich dazu bestimmt sind, in Begriffe und Worte gefaßt zu werden, die für die Gebildeten verständlich sind, und zu einem Bestandteil des allgemeinen Weltbildes zu werden - eine theoretische Wissenschaft, sage ich, in der dies vergessen wird und in der die Eingeweihten fortfahren, einander Ausdrücke zuzuraunen, die bestenfalls von einer kleinen Gruppe von Partnern verstanden werden, wird zwangsläufig von der übrigen Kulturgemeinschaft abgeschnitten sein; auf lange Sicht wird sie verkümmern und erstarren, so lebhaft das esoterische [!] Geschwätz innerhalb ihrer fröhlich isolierten Expertenzirkel auch weitergehen mag."

(Erwin Schrödinger, Nobelpreisträger für Physik; für diese Äußerung ist er von Stumpfwissenschaftlern in der Luft zerrissen worden.)


Nobbelpreis Anti-Nobbelpreis
  • erstens natürlich der "Nestor" der deutschen Populärwissenschaft


Hoimar von Ditfurth

(vgl. auch "der kleine Hoimar" in )

  • sein früherer Mitarbeiter Volker Arzt

  • Ranga Yogeshwar
    (mit seiner Sendung "Quarks & Co." sowie die Eloge )

In dieser Tradition seit Hoimar von Ditfurths epochemachenden Sendereihe "Querschnitte" hat sich bis hier ein vorbildlicher Wissenschaftsjournalismus erhalten:

  • wirklich für Laien anschaulich,

  • wissenschaftlich fundiert (mit Erklärungen), aber ohne fachlich prüde Angst vor notwendiger Vereinfachung,

  • durchaus auch humorvoll
    (wobei der "Kunde" dennoch immer ernst genommen wird),

  • aber ohne jede sachfremde Effekthascherei (vgl. Anti-Nobbelpreis).

  • Jean Pütz
    (mit der Sendung "Hobbythek",
    wenn er mal wieder Gasbeton mit Eigelb herstellt)

  • Die Sendung mit der Maus

  • Peter Lustig
    (mit der Sendung "Löwenzahn")

  • Harald Lesch
    (die wissenschaftliche Quasselstrippe
    mit der Sendung "Alpha Centauri";
    vgl. auch
    "Der Sterndeuter
    Wie der Münchner Astronomieprofessor Harald Lesch zum Showstar wurde ")
     

  • Martin Wagenschein
    (für sein Lebenswerk)

  • Hugo Kükelhaus
    (für seine "Wissenschaftspropädeutik")

  • Margaret Wertheim
    (insbesondere für ihr Buch
    "Die Hosen des Pythagoras")
     

  • K.C. Cole
    (insbesondere für ihr Buch

    "Warum die Wolken nicht vom Himmel fallen";
    vgl. auch )

  • Simon Singh
    (für sein Buch )

  • Leonard Bernstein

für seine Vorlesungen/-spielungen

Bevor ich hier einseitig werde, sei doch auf eine kleine Relativierung hingewiesen:

  • Die "Knoff-Hoff-Show":

Die Sendung funktioniert(e) ganz einfach:

  • ex und hopp, das Nächste bitte - und dazwischen Musik, weil (wie verächtlich!) der "sowieso dumme" Zuschauer eh nicht länger als zwei Minuten stillsitzen und zuhören kann;

  • massenhaft Effekte, aber auf keinen Fall Hintergründe.

Eine Pest in vielen pseudopopulärwissenschaftlichen Fernsehsendungen ist auch

  • der allzu schnelle Bildwechsel
    (Schnitt-Schwenk-marsch: man denunziert das eigene Thema, indem man nichts mehr ernst nimmt),

  • sowie eine unnötig-übertriebene Dramatisierung ("männliche" Stimme) nicht aus der Sache heraus
    (auch eine Art Denunziation des eigenen Themas: ohne Aufpeppen interessiert´s doch eh keinen).

  • Naturalis  :

ein riesiges Naturkunde"museum" in Leiden/Niederlande, in dem

  • alles rauscht und blitzt und funkelt
    (wenn ich schon allein dieses "Weltraumgesäusel" höre!)

  • und man doch rein gar nichts über irgendwelche Hintergründe und Zusammenhänge erfährt.

Sonntags um 12 Uhr ist es brechend voll mit Eltern, die verzweifelt (und verständlicherweise!) versuchen, einem langweilig-quengeligen Sonntag zu entfliehen und ihren Kindern "irgendwas", also "Wer wird Millionär?"-"Wissen" zu liefern

(schließlich soll in PISA-Zeiten ja auch die Unterhaltung noch Bildungsnährwert haben!).

Und was machen die Blagen da? In der Tat, sie tun was (also eigentlich das Beste, was sie tun können):

  • sie drehen eine drehbare Erdkugel auf Höchstgeschwindigkeit

  • oder schieben mit möglichst hoher Geschwindigkeit einen "Schieberegler" an einem Zeitstrahl und staunen darüber, dass jeweils Texte zur gerade gewählten Zeit aufleuchten.

(und diese Blagen erzählen einem dann später im Unterricht: "das habe ich - gähn! - alles schon [und zwar viel besser] im Museum [oder Fernseher] gesehen - wenn auch nichts verstanden.")

Da haben wir die multimediale Inhaltsleere dann wirklich mal in Reinkultur: man staunt über den Effekt des Aufleuchtens - liest aber natürliche die Texte nicht.

Natürlich sind die staubtrockenen früheren Museen (als reine Sammlungen) keine Alternative. Aber beim "Naturalis" wird tatsächlich mal überdeutlich, dass Computer & Multimedia, wie sie heutzutage oftmals museumspädagogisch eingesetzt werden, meist nicht wertfrei sind, sondern alles nur noch schlimmer machen: sie lenken vom Wichtigsten ab, ja, ich möchte fast behaupten: sie sollen vom Wichtigsten ablenken. Bzw. da wird mit einem irrwitzigen (auch irrwitzig teuren) technischen Aufwand gearbeitet, weil man

  • als Produzent solch einer Show (!) keinen geistigen Aufwand mehr zustande bringt (= Dummheit),

  • den BesucherInneN keinen geistigen Aufwand mehr abzuverlangen bereit ist bzw. zutraut (= Zynismus bzw. Menschenverachtung).

Nichts gegen das primäre Staunen über die Phänomene, dass oftmals "vor lauter Wissenschaft" (also schon Glauben) vergessen wird und laut Wagenschein ja allemal der Einstieg ins Verstehen sein sollte. Aber solche pseudowissenschaftliche Show raubt den Rezipienten das Recht auf (immerhin ansatzweises) Verstehen.

(Ich muss allerdings hinzufügen, dass zu dem Zeitpunkt, als ich da war, das anscheinend ein wenig seriösere "Natuur Informatie Centrum" noch nicht geöffnet war.)

  • Wer sich ansehen will, wie forschendes Staunen zum

    • Erlebnisersatz

    • und zum Feuerwerk aus Gags

    degradiert wird, kann das auch gerne im

Universum Science Center

in Bremen tun.

(Auch da dieselbe Beobachtung: die "Kids" fummeln kurz rum - und rennen weiter.)

  • Natur Bornholm

  • Endgültig masochistisch war allerdings mein Besuch im

Nemo in Amsterdam:

überhaupt nur noch Gags & Gimmicks und Krach & Radau.

... wogegen gar nichts einzuwenden wäre, wenn da nicht der Anspruch hinter stünde, Wissenschaft zu vermitteln.

Aber Verständnis wird da ja rundweg verweigert.

Die vermeintlichen Modernisierer der Populärwissenschaften sind in Wirklichkeit ihre Totengräber

... und der allergrößte Irrtum ist ja sowieso (dass ich nicht lache!:) "interaktiver"  Multimediazauber).