Potenzgesetze falsch / richtig "beigebracht"

Vorweg: "Potenzgesetze falsch / richtig beigebracht" heißt

(also solche, die den Namen "Gesetz" zu Unrecht tragen)

Art "beigebracht" werden.


Mit den Potenzgesetzen ist es ähnlich wie mit den Bruchrechengesetzen: beide sind

("es" ginge notfalls aber auch ohne diese Gesetze, wenn auch umständlicher),

und sowohl die Bruchrechen- als auch die Potenzgesetze

Z.B. reduzieren die Bruchrechengesetze Bruchrechnungen auf das Rechnen mit natürlichen Zahlen, also die einzigen Rechnungen, die Mathematiker

(die auch nur Dummerchen sind)

überhaupt beherrschen. Ein Beispiel:

(Nebenbei: auch beim Rechnen mit Dezimalzahlen, die hinterm Komma endlich sind

[also einem möglichen Äquivalent von Brüchen],

wird auf das Rechnen mit natürlichen Zahlen reduziert.

Auch dafür ein Beispiel:

[im rechten Fall mit "Kommazahlen" wird ja genauso gerechnet wie im linken Fall bei natürlichen Zahlen].)


Zur "richtigen" Vermittlung der Potenzgesetze gehört es zu allererst, die Vor- und Nachteile der Potenzen klarzumachen:

  1. Die Multiplikation ist eine verkürzte Addition: z.B. ist 5 • 3 eine Abkürzung

(hier sei schon eine später noch wichtige Erkenntnis notiert: Addition und Multiplikation hängen direkt zusammen;

und es sei gleich ohne Erklärung ergänzt, was man auch durch Analogie vermuten könnte: entsprechend hängen Subtraktion und Division zusammen).

  1. Das Potenzieren ist eine verkürzte Multiplikation: z.B. ist 53 eine Abkürzung für 5 • 5 • 5

(hier sei nebenbei festgehalten, dass also das Potenzieren und das Multiplizieren zusammenhängen).

  1. Aus a. und b. folgt, dass das Potenzieren eine extrem verkürzte Addition ist.

(Z.B. ist 53 =   5 • 5                    • 5 =

                   = (5 • 5)                    • 5 =

                   = (5 + 5+ 5 + 5 + 5) • 5 =

                   = (5 + 5+ 5 + 5 + 5) + (5 + 5+ 5 + 5 + 5) + (5 + 5+ 5 + 5 + 5) +

                       (5 + 5+ 5 + 5 + 5) + (5 + 5+ 5 + 5 + 5) =

                   = 5 + 5+ 5 + 5 + 5 + 5 + 5+ 5 + 5 + 5 + 5 + 5+ 5 + 5 + 5 + 5 + 5+ 5 + 5 + 5 + 5 + 5+ 5 + 5 + 5 .)

  Mit Potenzen lassen sich sehr leicht (kurz) riesig große Zahlen aufschreiben. Z.B. ist 210 eine Kurzschreibweise

Nun mag man das Ergebnis 1024 noch keineswegs als "riesig groß" empfinden. Gehen wir deshalb mal zu einer wahrhaft gigantisch großen Zahl, nämlich 1060, über:

1060 bedeutet, dass 10 sechzig mal mit sich selbst malgenommen wird, also

10 • 10 • 10 • ... •10

            sechzig Zehnen,

und das ergibt eine 1 mit sechzig Nullen, also

1 0000000000 0000000000 0000000000 0000000000 0000000000 0000000000 =

      = 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000

oder wieder hübsch kurz "eine Dezillion".

Hier sieht man sehr deutlich die beiden Extreme: ein und dieselbe Zahl lässt sich

  1. sehr kurz
  1. sehr lang als

1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000, also mit 61 Ziffern

schreiben, und daran sieht man sehr gut den Vor- und Nachteil der Potenzschreibweise:

die Potenzschreibweise ist

(in der ausgeschriebenen Form 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 vertut man sich doch allzu gern bei der Anzahl der Nullen;

aber das ist letztlich auch egal: die Zahl ist derart gigantisch, dass ein paar Nullen mehr oder weniger an ihrer Unvorstellbarkeit auch nichts mehr ändern;

vgl. das Vermögen von Bill Gates, das sich auf etwa 50.000.000.000 bzw. in Worten 50 Milliarden Dollar beläuft: das ist ein derart unvorstellbar großes [gestohlenes] Vermögen, dass er eine Null mehr oder weniger nichtmal bemerken würde);

der größte Vorteil der Potenzschreibweise, nämlich ihre Kürze, ist aber gleichzeitig auch ihr größter

die Potenzschreibweise 1060 oder auch der Begriff "eine Dezillion" kommt derart knapp daher, dass man darüber schnell vergisst, dass dahinter die gigantisch große Zahl 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 steckt.

Es muss ein zentrales Anliegen des Mathematikunterrichts sein, die "Explosivität" der Potenzrechnung

(als doppelt abgekürzte Addition)

dennoch halbwegs klar zu machen. Nicht

(was sowieso aussichtslos wäre),

um die Zahl 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 oder auch "nur" Bill Gates Vermögen von 50 Milliarden Dollar zu veranschaulichen, sondern um simple Rechenfehler zu vermeiden, nämlich z.B. den allseits beliebten

1060 = 10 • 60,

der entsteht, wenn man denkt:

"der Unterschied, der entsteht, wenn in der Potenzschreibweise die 60

[z.B. durch unsaubere Schreibweise]

ein paar mickrige Millimeter runterrutscht

[wodurch allerdings eigentlich nur die Zahl 1060 entstünde],

kann doch nicht sonderlich bedeutsam sein."

Nun ist aber 10 • 60 nur 600 und damit wahrhaft Welten entfernt von 1060 = 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.

Denn 1060 = 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 ist tatsächlich die ganze Welt bzw. das gesamte Weltall: wenn ich mich recht entsinne, ist 1060 = 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 so etwa die geschätzte Anzahl der Atome im gesamten Weltall. Das ist derart viel, dass davor jede Anschauung versagt bzw. man sich davon nur ansatzweise eine Vorstellung machen kann:

 

 

„Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres.“
(1. Buch Mose 22,16)

„So schüttete Josef das Getreide auf, über die Maßen viel wie Sand am Meer, sodass er aufhörte zu zählen; denn man konnte es nicht zählen.“
(1. Buch Mose 41,49)

(abgesehen von einigen Vordergrundssternen sind die Lichtpunkte auf diesem Bild
nicht Einzelsterne, sondern ganze Galaxien)


(hier sieht man Ketten [sogenannte Filamente] von Galaxien)
,

die wiederum jeweils aus etwa einer Milliarden gigantischen Sonnen bestehen?!

Da hilft es auch nicht, zum erheblich "kleineren" Vermögen von Bill Gates überzugehen: 50 Milliarden = 50.000.000.000 = 5•1010 hat zwar 50 (von 60) Nullen weniger als 1060, aber auch da versagt jede Anschauung:

,

allesamt Entfernungen, die schier unvorstellbar bleiben!


Die falsche Art, die Potenzgesetze "beizubringen", besteht u.a. darin, sie ohne "Hierarchie" einfach

(und in beliebiger Reihenfolge)

hintereinander zu stellen und dann auswendig lernen zu lassen

(obwohl

[wie so oft in der Mathematik]                                  

das stumpfe Auswendiglernen und, daraus folgend, das automatisierte Anwenden der Potenzgesetze natürlich auch wichtig ist, um sich bei späteren komplexeren Rechnungen, in denen die Potenzgesetze nur noch Beiwerk bzw. Nebenrechnungen sind, nicht noch mit diesen Potenzgesetzen aufhalten zu müssen).

Was ich mit der "Hierarchie" der Potenzgesetze meine, wird deutlicher bei der richtigen Vermittlung der Potenzgesetze: diese sind grob unterteilbar in

  1. anschauliche Potenzgesetze,
  2. abstrakte Potenzgesetze, die "nur" logisch aus den anschaulichen folgen.

Zu 1., also den anschaulichen Potenzgesetzen:

                       23       •            24        =

           =    2 • 2 • 2    •    2 • 2 • 2 • 2 =

              drei Zweien +   vier Zweien =

                        sieben Zweien

          =                     27

Oder kürzer:     23  • 24 = 2(3 + 4) = 27

Und allgemein: am • an = a(m + n)

(Auch hier wird wieder ein Zusammenhang zwischen Multiplikation und Addition deutlich!)

= = = 23

bzw.                     = 2(7 - 4) = 23

Und allgemein:

                              = a(m - n)

(... womit

[analog zum Zusammenhang Multiplikation / Addition]

ein Zusammenhang zwischen Division und Subtraktion deutlich wird).

Zeit zum Innehalten, weil da inzwischen so viele interessante und wichtige, aber leicht zu übersehende "Kleinigkeiten" aufgetaucht sind:

die beiden Potenzgesetze am • an = a(m + n) und  = a(m - n) wurden an sehr einfachen Beispielen hergeleitet:

(woran man mal wieder sieht: zum Verständnis reichen ganz simple Beispiele - und sind Taschenrechner überflüssig),

An der Anschaulichkeit der beiden Gesetze ändert sich nichts, wenn man in der Basis anstelle der einfachen natürlichen Zahl 2 eine kompliziertere Zahl, also z.B. , einsetzt oder sogar eine Nicht-Zahl wie z.B. @. Dann ergibt sich nach wie vor anschaulich

                    @3               •                    @4 =

          = @  • @ • @        •         @  • @  • @ • @ =

               drei @en          +              vier @en =

                                  sieben @en

         =                        @7

Oder kürzer:      @3  • @4 = @(3 + 4) = @7

Und allgemein: @m  • @n = @(m + n)

Alles schön und gut, solange die Exponenten m und n natürliche Zahlen bleiben.

Aber was, wenn die Expontenen nicht mehr natürliche, sondern gebrochene Zahlen sind? Was also soll z.B. bedeuten? Da sind ja bereits die beiden Einzelteile und unverständlich.

(Bleiben wir nur mal beim ersten Teil . Was soll es bedeuten, die 2 jetzt mal mit sich selbst malzunehmen?

[... aber wohlgemerkt nicht 2 mit , was ja sehr einfach 2 • = 1 ergäbe.]

Bzw. "Was soll es bedeuten ...?" ist [scheint] ja schon falsch gefragt bzw. eine rhetorische Frage, deren mitgelieferte Antwort doch wohl ist: "das kann gar nichts bedeuten, sondern ist schlichtweg Schwachsinn", womit für einen Normalsterblichen das Thema gründlich erledigt wäre.)

Erstaunlich und geradezu typisch für die Mathematik ist aber, dass die beiden Bestandteile und unverständlich sind, man aber wunderbar mit ihnen weiterrechnen kann:

= = =

... wobei das Ergebnis allerdings wieder unverständlich ist.

Man kann also in der Mathematik wunderbar mit unverstandenen Sachen rumhantieren und sie in neue (oftmals ebenfalls unverstandene) Sachen überführen.

Ein besonders eindrückliches Beispiel, allerdings nicht aus der Potenz-, sondern der Wurzelrechnung

(wobei wir noch sehen werden, dass beide durchaus zusammenhängen):

:

(in dem Sinne, was der halbwegs exakte Dezimalwert von ist),

(Außerhalb der Mathematik ist es genauso: ich kann z.B. Milch und Kaffee problemlos zu Milchkaffee verrühren, ohne im mindesten [chemisch] genau zu wissen, was Milch, Kaffee und. Milchkaffee sind.)

Bislang waren die ersten beiden (anschaulichen) Potenzgesetze für natürliche Exponenten, d.h. Zahlen aus der Menge

0 = {0, 1, 2, 3, 4 ...} ,

gezeigt worden. Für Mathematiker in ihrem Verallgemeinerungswahn liegt es da nahe, eine erste Zahlbereichserweiterung vorzunehmen, indem sie die Null hinzunehmen:

0 = {0, 1, 2, 3, 4 ...}

Was aber könnte a0 bedeuten? Auf Anhieb scheint das schon wieder falsch gefragt, denn was soll es bedeuten, dass a Null mal mit sich selbst multipliziert wird?

(Vorsicht, Verwechslungsgefahr!: es ist nicht gemeint, dass a mit Null multipliziert wird, wobei sich sehr einfach a 0 = 0 ergäbe.)

Vermutlich sind viele mathematische Erkenntnisse gar nicht gezielt gesucht worden, sondern haben sie sich zum großen Erstaunen der Entdecker beim Rumhantieren mit Gleichungen ergeben. Im vorliegenden Fall hat also ein Mathematiker vielleicht mal folgendermaßen gerechnet:

... und hat dann über die beiden Enden der Schlange gestaunt:

Mit  a0 = 1 haben wir somit das erste nicht anschauliche, sondern abstrakte Potenzgesetz.

(Kleiner Exkurs:

anhand von ist mir erstmals aufgegangen, dass das Gleichheitszeichen nicht kommutativ ist.

Angenommen mal, Arno, Berta und Clara sind gleich groß. Dann gilt doch wohl A = B = C, aber auch jede beliebige andere Reihenfolge, also z.B. auch B = C = A, d.h. man kann A, B und C beliebig austauschen bzw. sie sind bzgl. des Gleichheitszeichens kommutativ.

Statt       

                                                                                              

haben aber so einige Schüler in einer Klassenarbeit

                                                                                                     

geschrieben, und das ist nicht dasselbe:

[Die Version ist ein schönes Beispiel dafür, dass etwas völlig Unverstandenes brav auswendig gelernt wurde.])

Wenn man nun für die Exponenten weitere Zahlbereichserweiterungen vornimmt, also

so ergeben sich nacheinander folgende Probleme:

  1. : z.B. kann man sich auch unter 2 -3 wahrhaft nichts anschaulich vorstellen

(es ist einfach nur unsinnig, die 2 nun minus 3 mal mit sich selbst zu multiplizieren),

aber

(man wird inzwischen ahnen, dass das trotzdem möglich ist)

welche Bedeutung können die Mathematiker der  2 -3 "hintenrum" dennoch geben?

Ohne zu zeigen, wie genau dieses "hintenrum" aussieht, sei erwähnt:

2 -3 = bzw. allgemein a -n .

Im vorliegenden konkreten Fall ergibt sich damit insgesamt 2 -3 = = , und das kann man notfalls in die Dezimalzahl 0,125 umrechnen. 

(Dabei ist an 2 -3 = =   zweierlei bemerkenswert:

  1. , dass man sich unter   2 -3 rein gar nichts, unter      aber sehr wohl etwas vorstellen kann; hier zeigt sich, dass die [gar nicht so] abstrakten Potenzgesetze nicht nur dazu da sind, mit exotischen Exponenten zu rechnen, sondern auch und zu allererst dazu

                    [was allerdings in Schulen viel zu selten Thema, ja Kriterium ist],

           abstrakte Potenzen hintenrum doch noch vorstellbar zu machen;

  1. der oben schon angekündigte Zusammenhang zwischen Potenzen und Brüchen!) 

  2. : bei der nächsten Zahlbereichserweiterung zu den rationalen Zahlen (Brüchen) hin lassen wir für die Exponenten nun erstmal die "Stammbrüche", also solche mit dem Zähler 1, zu

(Beispiele: ,  , ...).

Wieder ohne genauere Erklärung sei dafür das zugehörige "abstrakte" Potenzgesetz genannt:

(Der einfachste Spezialfall ist da  oder kurz .

Nebenbei: mit haben wir nun auch einen Zusammenhang zwischen Potenz- und Wurzelrechnung!)

Aus und dem in diesem Text nicht hergeleiteten, durchaus anschaulichen Potenzgesetz erhalten wir nun ein (abstraktes) Potenzgesetz für alle Bruch-Exponenten:

Insgesamt ergibt sich damit folgende Systematik der Potenzgesetze:

  Kombination von zwei Potenzen einzelne Potenzen
gleiche Basen gleiche Exponenten  
anschauliche Potenzgesetze
(anfangs nur für natürliche Exponenten)
Multiplikation aman = a(m + n)
(Zusammenhang
Multiplikation / Addition)
ambm = (ab)m
(langweiliges Potenzgesetz)
 
Division  am : an  = a(m - n)
(Zusammenhang
Division / Subtraktion)
am : bm = (a :b)m
(langweiliges Potenzgesetz)
 
Potenz einer Potenz
(Zusammenhang
Potenzieren / Multiplikation)
abstrakte Potenzgesetze für den Exponenten 0   a0 = 1
für negative ganzzahlige Exponenten   a -n
(Zusammenhang
Potenzen / Bruchrechnung)
für gebrochene Exponenten  
(Zusammenhang
Potenzen / Wurzeln)