was schön ist, wird auch wahr sein

  "Das reimt sich, und was sich reimt, ist gut."
 (Pumuckl)

"Das ist zu schön, um wahr zu sein."

" Schön wie Mona Lisa, schön wie Mona Lisa, wie ein Bild der Phantasie,
 Schön wie Mona Lisa, schön wie Mona Lisa, wer dich sah, vergißt dich nie."
 (Demis Roussos; wobei der Text doch wohl besagt, dass die Phantasie
   Wirklichkeit geworden ist)

"Ich habe etwas Schreckliches getan:
 Ich habe ein Teilchen vorhergesagt,
 das nicht nachgewiesen werden kann."
 (Wolfgang Pauli; später konnte das Teilchen [nämlich das Neutrino] dann allerdings
 doch
nachgewiesen werden)

"Ich habe nicht für nötig gehalten, diese meine Theorie durch das Experiment zu bestätigen, denn sie ist aus den sichersten und unangreifbarsten Prinzipien der Mechanik abgeleitet, weshalb der Zweifel, ob sie wahr sei und in der Praxis statt habe, in keiner Weise aufgeworfen werden kann."
(Leonhard Euler)

In der Tat könnte einigen Stumpfbolzen unter den Naturwissenschaftlern ein wenig Erkenntnistheorie nicht schaden

(vgl. ),

aber es gibt auch welche, die mir diese Erkenntnistheorie allzu ostentativ vor sich hertragen und behaupten, sie wirklich zu "glauben":

"[...] die heute ausgebildeten Wissenschaftler [...] sind zu rational eingestellt, um durch ein brauchbares Ergebnis ihre Seele in Mitleidenschaft ziehen zu lassen. [...]"
(zitiert nach Bild )

Zwei Beispiele:

  1. Der Mensch sei durch verschiedenste Erkenntnisse von Kopernikus über Darwin bis hin zur neuesten Neurobiologie (Willensfreiheit?) "gekränkt" worden.

Da kann ich nur sagen: iwo, ich finde all diese Erkenntnisse zwar äußerst spannend, aber sie bleiben für mich doch letztlich abstrakt und können mich deshalb auch kaum kränken:

ich sitze doch beispielsweise in meinem Alltag mit meinem "Arsch" fest auf der Erde, und dabei können mich die Erkenntnisse des Kopernikus kaum erschüttern.

  1. Man kann sich doch beispielsweise wundern, dass die Mathematik so wunderbar auf Naturgesetze passt (die Naturgesetze sich nach der menschlichen Mathematik zu richten scheinen). Vermutlich ist es aber genau umgekehrt: der Mensch ist ja selbst Produkt der Natur (der Evolution), also (samt seiner Mathematik) an diese angepasst.

Nur ist Letzteres für mich doch weitgehend abstrakt - und darf ich mich weiter wundern!

Jene, die immer darauf bestehen, dass die abstrakte Erkenntnistheorie die einzige Wahrheit verkünde, und die somit alles Sich-Wundern wegrationalisieren, treiben die Laien regelrecht aus der "Kirche der Naturwissenschaften" heraus.

Zudem verschieben sie oftmals nur das Problem, ohne es dann an der neuen Stelle zu erklären. Nämlich z.B., wie die Evolution denn die (der Natur angemessene) Mathematik in den Menschen reingestopft hat.


Die Sprache ist ja oftmals so herrlich durchtrieben vieldeutig: z.B. kann "ich gehe nach Hause" je nach Kontext bedeuten:

  1. "ich gehe       gerade        nach Hause", d.h. das Präsens ist auch wirklich präsentisch gemeint;
  2. "ich gehe gleich/morgen nach Hause", d.h. mit dem (scheinbaren) Präsens ist in Wirklichkeit ein Futur ("ich werde gehen") gemeint.

Und just umgekehrt verhält es sich bei

"was schön ist, wird auch wahr sein":

  1. das Futur "wird [...] wahr sein" ist einerseits tatsächlich ein Futur: irgendwann wird, was jetzt noch "nur" schön ist, auch wahr sein:

Dabei könnte man noch differenzieren:

  1. noch ist es "nur" schön, aber erst in Zukunft wird es wahr werden,
  2. die Zukunft wird nur noch beweisen, dass es auch jetzt schon wahr ist (s. 2.).
  1. ist hinter dem scheinbaren Futur aber auch ein Präsens vermutbar. Vgl. etwa

"Was du da sagst, wird [?] vermutlich wahr sein."

"was schön ist, wird auch wahr sein" heißt dann: es ist vermutlich, aber noch nicht mit letzter Sicherheit wahr, aber man ist frohgemut, dass es sich in der Zukunft (nachträglich) als wahr erweisen wird (s. 1.a.).

Mit dem wechselseitigen Zusammenhang von 1.a. und 2. wird überraschenderweise deutlich, dass nicht (einander ausschließend) entweder die eine oder aber die andere Bedeutung gemeint ist, sondern beide zusammenhängen.

(Genauso es ist nicht einfach falsch, wenn jemand mit "ich gehe" ein Präsens benutzt, aber ein Futur meint. Sondern "ich gehe gleich nach Hause" heißt: "Ich nehme mir jetzt [Gegenwart] vor, gleich [sehr nahes Futur] nach Hause zu gehen", und "der Gedanke ist [fast] die Tat".)

So richtig schön schillernd wird der Satz

"was schön ist, wird auch wahr sein"

aber erst durch das unscheinbare Wörtchen "auch" (bzw. "auch wohl"). Aber wie soll man das beispielsweise einem Ausländer, der gerade Deutsch lernt, erklären?

"auch" heißt hier ja wohl mehr als nur "[jetzt] schön und [später zusätzlich] wahr".


Bild
(darin S. 69)

Dirac und die Eleganz mathematischer Gleichungen

[...] Was für ein brillanter Denker Dirac war, enthüllt eine seiner Äußerungen: »Es ist wichtiger, dass mathematische Gleichungen elegant sind, als dass sie irgendein Experiment bestätigen.Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverb»nde Dirac forderte außerdem: »Der theoretische Wissenschaftler wird in Zukunft indirekter vorgehen müssen«, er wird versuchen müssen, »den mathematischen Formalismus als reale Basis der theoretischen Physik zu perfektionieren und zu generalisieren«.
Dirac war so sehr von der inneren Schönheit der Mathematik (und damit der Naturgesetze) überzeugt, dass er nur ihretwegen 1928 die Existenz eines bisher unbekannten Elementarteilchens forderte: Eine Gleichung, die er aufgestellt hatte, würde dann besonders »schön« und symmetrisch werden, wenn es dieses Teilchen gäbe. Das hypothetische Teilchen sollte die gleichen Eigenschaften wie ein Elektron haben, aber nicht negativ, sondern positiv geladen sein. Ohne Diracs mathematische Voraussage des »Antielektrons« wäre dieses sicher nicht so schnell entdeckt worden: Dass es der Physiker Carl Anderson 1932 fand, war das Ergebnis einer gezielten Suche. Heute nennt man das Teilchen Positron.
Ermutigt von diesem Erfolg und getreu seinem Glauben an die Mathematik, stellte Dirac 1932 eine weitere Forderung zur Diskussion: Als Gegenstück zu den elektrischen Monopolen, also den einfachen elektrischen Ladungen, müsse es auch magnetische Monopole, also einfache magnetische »Ladungen« geben. Seine Begründung: »Die Maxwellschen Wellengleichungen würden damit mathematisch symmetrisch und daher wesentlich eleganter.«
[...]
Seither suchen Wissenschaftler in aller Welt nach solchen magnetischen Monopolen, und diese Suche verlor im Laufe der Jahrzehnte keineswegs an Intensität.

(... d.h. bislang sind die magnetischen "Monopole" [anscheinend] noch nicht gefunden worden.)

Bemerkenswert daran finde ich

  1. , dass - für viele Laien vermutlich höchst unverständlich - Mathematiker Gleichungen (oder auch Beweise) als schön empfinden (vgl. Bild  ), ja, über die Wahrheit oftmals auch (oder zumindest in einem ersten Schritt) nach ästhetischen Erwägungen entscheiden;
  2. , dass sie überhaupt mittels rein mathematischer Überlegungen Voraussagen für die Außenwelt machen können (vgl. Bild );
  3. und vor allem aber, dass sie so unerschütterlich optimistisch darauf vertrauen, dass sich das (innermathematisch) Schöne irgendwann auch als (außermathematisch) wahr erweisen wird

(wenn sie denn überhaupt "anwendungsbezogen" denken).

Manchmal ist es regelrecht bewundernswert, wie MathematikerInnen bzw. theoretische PhysikerInnen vor Selbstbewusstsein strotzen:

Frage an Albert Einstein, wie er reagiert hätte, wenn seine allgemeine Relativitätstheorie nicht empirisch bestätigt worden wäre. Einstein: "Da könnt' mir halt der liebe Gott leid tun. Die Theorie stimmt doch."

(Nunja, sowas lässt sich im Nachhinein leicht sagen, und solch eine Einstellung [allzu viel Vertrauen in die Mathematik] macht vielleicht auch manchmal betriebsblind.)

Oder Leonhard Euler:

"Ich habe nicht für nötig gehalten, diese meine Theorie durch das Experiment zu bestätigen, denn sie ist aus den sichersten und unangreifbarsten Prinzipien der Mechanik abgeleitet, weshalb der Zweifel, ob sie wahr sei und in der Praxis statt habe, in keiner Weise aufgeworfen werden kann."

Nun ahne ich allerdings schon, was die o.g. (Schmalspur-)Erkenntnistheoretiker mir antworten werden:

  1. , dass die mathematische Logik (inkl. der Symmetrie) ja schon ein Produkt der Natur sei,
  2. , dass die entsprechenden Gleichungen ja aus der Natur abgeleitet seien und somit das Unbekannte (Positronen, Monopole) schon enthielten, nur dass der Mensch das nicht auf Anhieb erkenne; dass also die menschliche Erkenntnis nur der Natur hinterherhinke, aber das "a posteriori" mangels Einsicht als Prophezeiung "a priori" empfinde, sich also zu Unrecht was einbilde bzw. das "Verdienst" fälschlich der Mathematik (als einem ganz eigenen "Lebewesen") statt richtig der Natur zuschreibe.

Der gezeigte Optimismus und auch das Selbstbewusstsein, selbst aktiv sein und entdecken (fast wie ein Gott erfinden?) zu können

(arg anthropozentrisch?: die Welt entsteht überhaupt erst im Kopf, bzw. es bedurfte eben des Genies eines Kopernikus, um das Weltall sortieren oder zumindest doch ansatzweise durchschauen zu können),

scheinen mir aber weit über die Mathematik/Physik hinaus bedeutsam zu sein.

Die MathematikerInnen und PhysikerInnen "treiben" diesen Optimismus nur auf ungewöhnlichem Gebiet.

Viele Literatur

(und insbesondere wohl Trivialliteratur, worüber man sich aber laut   nicht allzu billig-überheblich lustig mache)

besagt doch auch nichts anderes als

"Alles wird gut"
Bild
(was wohl immerhin impliziert: es ist noch nicht gut)

Und Märchen signalisieren mit der Reihenfolge

sogar: die Störung ist nur vorübergehend, d.h. letztlich war immer alles gut, ist es gut und wird es gut sein (vgl. "die beste [kleine Einschränkung:] aller möglichen Welten" von Leibniz).

Das mag unrealistisch sein (vgl. Voltaires Reaktion auf Leibniz in "Candide"), aber vielleicht braucht der Mensch solch dreist-unrealistischen Optimismus, um weitermachen zu können.


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