wo steht die Sonne im Sommer?

  Eine Reaktion im Gästebuch auf diesen Aufsatz:

"Lieber Kollege Stauff! Sie müssen sich nicht rechtfertigen, wenn Sie ein geozentrisches (Welt-)Bild verwenden, um zu erklären, wo die Sonne auf- und untergeht. Die Physiker haben dieses Problem längst überwunden. Im modernen Weltbild der Physik ist es genauso »richtig«, die Sonne, die Erde, den Mond, oder sogar das Linke Auge von Herrn Stauff als ruhenden Mittelpunkt der Welt zu betrachten. Insbesondere ist die Aussage »Die Sonne dreht sich einmal am Tag um die Erde« vollkommen korrekt und in keiner Weise »weniger wahr« als die Aussage »Die Erde dreht sich einmal im Jahr um die Sonne«. Leider hat diese Erkenntnis auch nach 70 Jahren (so alt ist inzwischen die allgemeine Relativitätstheorie, unsere bisher beste Theorie über Raum und Zeit) noch nicht den Weg in die Schule gefunden. Was sehr schade ist, denn so glauben immer noch viel Menschen, auf der Höhe der Zeit zu sein, wenn sie »wissen«, dass sich die Sonne nicht um die Erde dreht. Vielleicht müsste mal ein Physiklehrer etwas über »institutionalisierte Stumpfphysik« [vgl. Bild ] schreiben..."

Da bin ich mit allem einverstanden - außer mit einem: es lag und liegt mir wahrhaft fern, mich für meine zeitweise geozentrische Weltsicht zu "rechtfertigen".

Vorweg: es geht im Folgenden nicht (nur) um abstrakte Astronomie, sondern um etwas geradezu Elementar-Existentielles, nämlich die Existenz verschiedener Jahreszeiten.

Was daran aber soll elementar-existentiell sein, bzw. ist es nicht eine Banalität?

Es geht um die Wonne eines ersten berauschenden Frühlingstages oder um das Glück, wenn die Tage wieder länger werden und man abends noch im T-Shirt draußen sitzen kann.

(Wer kann sich im Winter wirklich den Sommer und im Sommer wirklich den Winter vorstellen?)

Ich gestehe allerdings gerne ein, dass die astronomische Erklärung wenig bei diesem Wonnegefühl "hilft"

(eben auch, weil sie meistens arg abstrakt bleibt),

es also glücklicherweise auch keineswegs zerstören kann.


Regelmäßige LeserInnen dieser Seite

(wenn's die denn gibt)

werden längst bemerkt haben, dass ich seit Langem mit dem heliozentrischen Weltbild

(dass also die Sonne im Zentrum steht und nicht die Erde)

hadere:

  1. ist nunmal all mein Erleben geozentrisch, d.h. ich klebe auf der Erde fest

(morgens geht für mich noch immer die Sonne auf, statt dass sich die Erde "unter ihr wegdreht");

  1. frage ich mich, wie man das heliozentrische Wissen und die geozentrische Erfahrung miteinander verbinden kann

(und ob das überhaupt geht; bleibt da vielleicht eine gewisse Schizophrenie unüberwindbar?);

  1. : wie ist man

(sind die Astronomen der Geschichte)

vom geozentrischen Erleben auf die heliozentrische Erklärung gekommen - und könnte ich das auch?

  1. finde ich es schade bis geradezu gemeingefährlich, dass bei astronomischen "Erkenntnissen" meist nur die heliozentrische Erklärung erfolgt

(tagsüber in geschlossenen Räumen),

die geozentrische Erfahrung aber verschwiegen, ja regelrecht abgewertet wird.

Die "message" dabei ist regelmäßig, dass nur die Heliozentrik richtig, die Geozentrik aber grundfalsch ist, womit jegliche menschliche Erfahrung und damit sogar "das erfahrende Subjekt" selbst abgewertet wird.

Meist geschieht das etwa in der Form: "Du kannst Mondfinsternisse nicht von Mondphasen unterscheiden?" Der Unterton dabei ist aber: "Also bist du blöd."

Genau das erweist sich aber als Bumerang, denn wegen solch herablassender Besserwisserei lehnen viele Menschen die Naturwissenschaften pauschal ab, weil die nichts mit ihrem Leben zu tun habe oder ihm gar regelrecht widerspreche.

Und noch in anderer, vielleicht sogar noch "gefährlicherer" Weise könnte solche Vermittlung von Wissenschaft ein Rohrkrepierer sein: die Menschen "schlucken" die wissenschaftlichen Erklärungen sogar brav - und verlieren damit alles Staunen über die Natur, fragen sich also auch überhaupt nicht mehr, wie man auf die wissenschaftlichen Erklärungen kommen bzw. sie mit den eigenen Erlebnissen verbinden könnte.


Wie schon angedeutet, hatten sich mir ähnliche Probleme bzgl. der "Helio-/Geozentrik" schon früher gestellt, und zwar in

  1. Bild
  2. Bild

In 1. spielte die Helio-/Geozentrik allerdings noch nur eine Nebenrolle, weil mich vor allem das Zweiersystem Mond/Erde (fast ohne Sonne) interessierte.

In 2. ging es um das oben angeschnittene, in der Tat grundlegende Problem, ob die Erde sich um die Sonne dreht oder umgekehrt.

Hier in diesem Text spielt nun ein Spezialaspekt der Bewegung der Erde um die Sonne (also von 2.) die Hauptrolle, nämlich die "Schräglage" der Erde auf ihrem Weg um die Sonne - und damit das Problem der Jahreszeiten.


Irgendwann im Winter

(aber tagsüber und bei Sonnenschein; ja, vielleicht war ich gerade deshalb so aufmerksam, weil im Winter ausnahmsweise mal die Sonne schien)

stand ich mal im Garten und wunderte mich ausnahmsweise, wie tief die Sonne ca. morgens um 11 Uhr

(also immerhin kurz vor Mittag!)

über dem Horizont stand:

Bild

Ich gestehe gleich ein, dass in diese Zeichnung schon einiges Vorwissen eingegangen ist, das ich nunmal besitze:

  1. die Abstraktion des Horizonts als Ellipse, d.h. als ein Kreis in Seitenansicht, womit die Dreidimensionalität der Zeichnung angedeutet wird,
  1. das Wissen um die Himmelsrichtungen, also auch darum, dass die Sonne um 11 Uhr morgens "kurz vor Süden" steht

(ich habe nunmal das Talent, fast immer [nicht nur bei meinem Haus/Garten] intuitiv zu wissen, wo gerade die jeweiligen Himmelrichtungen sind, und mich überhaupt immer an den Himmelsrichtungen zu orientieren).

Nebenbei: die Zeichnung ist nicht maßstäblich korrekt, d.h.

Aufgrund meiner ersten Verwunderung darüber, wie tief die Sonne stand, war meine nächste Frage, wo sie wohl zu gleicher Uhrzeit im Sommer stehen würde

(wobei hier die Sommerzeit mal weggelassen sei).

Und urplötzlich wusste ich intuitiv, wo das sein würde, nämlich

(wieder nicht maßstabsgetreu)

dort:

Bild

... wobei Sw die winterliche und Ss die sommerliche Sonne ist.

Sw stünde also seitlich oberhalb von Ss , und ich hatte auch intuitiv die Erklärung dafür vor Augen, ja ich "sah" regelrecht die Hilfslinien:

Bild

Dabei ist

(die also - und das ist der erste "Gag" -, weil sie denselben Mittelpunkt M haben, "konzentrisch" sind),

Wichtig daran ist mir nicht meine ach so "meisterhafte" Erklärung

(ich empfinde sie - und das ist geradezu die Quintessenz hier! - ja gerade nicht als mein Verdienst),

sondern vielmehr die schlagartige Erkenntnis bzw. das urplötzliche "Zusammendenken".

Mir scheint manchmal (eben auch in Bild ):

die Überwindung der o.g. Schizophrenie gelingt nur in unplanbaren, geradezu als Gnade empfundenen Glücksmomenten

("Zum Augenblicke dürft' ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!")

 - und kurz darauf zerfällt die Welt wieder in ihre Schizophrenie.

Bemerkenswert an der Zeichnung ist allemal, dass die Kreise teilweise unterhalb des Horizonts verlaufen und damit auch ihr Mittelpunkt M unterhalb des Horizonts liegt, also "virtuell" ist. Entsprechend wurde auch der unterhalb des Horizonts liegende Teil der violetten Strecke nur punktiert gezeichnet.

Aber ich "sah" eben doch die vollen Kreise, den Punkt M und die gestrichelte violette Strecke.


Mit der Zeichnung

Bild

offenbart (!) sich aber noch etwas anderes an Jahreszeiten Wichtiges, und zwar insbesondere, wenn man jetzt einige Details wieder weglässt

(u.a. die unterhalb des Horizonts liegenden Kreisteile):

Bild

Oder anders gesagt: die "Tage" sind (wie banal!?) im Sommer länger als im Winter.


Mein eigentliches Problem lag immer darin, dass ich die Sache mit der " Ekliptik" nie so richtig (anschaulich) verstanden habe:

Bild

Wenn ich das überhaupt richtig verstehe, so ist

(Und doch ahne ich immerhin das Problem: die Ekliptik ist nicht die tägliche, sondern die jährliche Sonnenbahn, und die Zeichnung basiert auf der - wie ich finde: enorm schwer anschaulich zu begreifenden - Fiktion, dass sich die Erde gar nicht einmal pro Tag um sich selbst dreht, sondern nur einmal pro Jahr um die Sonne [bzw. die Sonne um die Erde].)

Was zusammen heißt:

(und doch suggeriert es einen Blick von außen),

(Nebenbei: unheimlich gerne hätte ich doch mal eine sogenannte

Bild
Armillarsphäre
[vgl. auch Bild  ]

und zwar am liebsten richtig schön groß aus Messing

[aber "Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld, wer hat soviel Pinkepinke?"].

Und dann würde ich sie doch gerne auch noch verstehen, wobei "verstehen" eine unmögliche Schizophrenie bedeuten würde: die Armillarsphäre von außen und gleichzeitig von innen [der Erde in der Mitte aus] zu sehen.)

Gleichzeitig gibt es aber noch folgende Darstellung:

Bild

Hier ist aber alles heliozentrisch von der horizontalen Erdbahn ( Erde bzw. meinem Horizont!) um die Sonne aus gesehen, und im Vergleich damit ist die Erde schräg geneigt

(und zwar auf höchst merkwürdige Art:

  1. bewegt sich die Erde einmal pro Jahr auf der Erdbahn um die Sonne,
  2. dreht sich die Erde täglich um ihre eigene Achse,
  3. aber zeigt diese Achse immer in dieselbe Richtung, nämlich von links unten nach rechts oben

[wobei ich allerdings sehr wohl weiß, dass die Erdachse über die Jahrtausende doch taumelt, was man "Präzession" nennt]).

Die eigentliche Schizophrenie besteht also darin, dass beide Bilder verschiedene Perspektiven zeigen

(das erste ist geo-, das zweite heliozentrisch)

und kaum zusammen denkbar sind.

Das wird auch daran deutlich, dass im letzten Bild nicht

(wie in meinem Text anfangs)

die Winter- bzw. Sommersonne zu sehen ist, sondern die Winter- bzw. Sommererde.

Immerhin weiß ich ja aus dem letzten Bild:

Bild

und genau das war der Grund, oben den Sommerkreis höher und größer als den Winterkreis zu zeichnen.


Aber das sind alles nur stammelnde Versuche, "es" anschaulich zu verstehen

(und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich alles richtig verstehe),

und da helfen mir auch keine Bücher.

Ja,

ich will hier das regelrecht das Stammeln vormachen und damit zeigen, dass die Zusammenhänge eben nicht so selbstverständlich sind, wie es oft scheint bzw. vorgegeben wird.

Nehmen wir nur den eben gesagten Satz

"... und genau das war der Grund, oben den Sommerkreis höher und größer als den Winterkreis zu zeichnen."

Wieso?

Der Versuch einer Erklärung dafür sieht

(basierend eben auf

folgendermaßen aus:

Bild
(Nebenbei: ich weiß selbst, was an diesem Bild falsch ist
[die Sonne bewegt sich eben nicht parallel zum äquator der Erde],
und doch brauche ich es, um mir die Zusammenhänge [falsch] klar zu machen.)

Dabei ist

Nur hat diese Darstellung eben wieder den Nachteil, dass sie von außen gesehen ist. Ich aber möchte alles von meinem Standpunkt 0 sehen, und zwar in Richtung Süden bzw. "schräg die Erde" runter

(man könnte [sollte?] regelrecht schwindlig werden!).

Woher aber kurz mal den Blick "die Erde runter" nehmen?

(Oder liegt dieser Blick mit Bild bereits vor?)

Also vereinfach ich mal und schaue an mir selbst runter:

Bild
(ich bitte, die notorisch ungeputzten Schuhe zu entschuldigen;
und die Hose könnte auch mal wieder gebügelt werden)

Und da dann eben scheint der rote (Winter-)Kreis viel kleiner als der blaue (Sommer-)Kreis, weil ersterer viel weiter entfernt ist.

(Nochmals: ich weiß sehr wohl, dass auch dieses letzte Bild "an mir herab" problematisch ist, denn die Sonne ist ja immer [annähernd] gleich weit entfernt.)