Spießermathematik

 

"Als Spießbürger, Spießer oder Philister werden in abwertender Weise engstirnige Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen und Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung auszeichnen."
(Quelle:


Ein Spießer ist auch, wer

(abgesehen von seinen Sentimentalitäten)

immer nur

(derzeit auch so eine gesellschaftliche Norm:)

zweckorientiert denkt. 


Merke: Spießer sind immer nur die anderen

(etwa so, wie alle Gedanken, die nicht mit meinen übereinstimmen, "Ideologie" sind: welch netter Totschläger!).

  1. : ein mathematischer Spießer ist, wer immer einen (außermathematischen) Zweck (eine "Anwendung") der Mathematik fordert, also nicht tolerieren kann, dass "reine" Mathematik Selbstzweck ist, an dem man viel Spaß haben kann

(ich fordere ja nur Toleranz

[kann man Toleranz einfordern?]

und nicht etwa, dass man auch selbst Spaß an Mathematik hat);

solchen Spießern passt es z.B. auch nicht in den Kopf, dass man nicht Privatfernseh-Schwachsinn, sondern "gehobene Bildung" unterhaltsam (!) finden kann;

  1. : ein mathematischer Spießer ist, wer mit der Meute heulend beklagt, dass die

(immer schon schlechte)

Jugend von heute (potentielle Auszubildende) ja nichtmal mehr "Dreisatz & Prozentrechnung" beherrscht (beherrschen).

("DreisatzUndProzentrechnung" ist dabei eine "feste Fügung", d.h. der Dreisatz und die Prozentrechnung tauchen klischeehaft immer im Doppelpack auf.)

Als das mal wieder von drei anwesenden (Klein-)Unternehmern tränenreich beklagt wurde, habe ich ihnen mit diebischer Freude eben mal kurz folgende Aufgabe gestellt:

"Ein Mantel kostet in einem Modeladen 100 €. Der Besitzer des Ladens erhöht nun erst den Preis um 10 % und senkt ihn später im Sommerschlussverkauf [neudeutsch "sale"] dann doch wieder um 10 %. Wieviel kostet der Mantel dann?"

Alle drei Unternehmer antworteten spontan mit "wieder 100 €" - und lagen damit

(wie von mir bezweckt)

natürlich (?) falsch

(in Wirklichkeit kostet der Mantel nachher 99 €).

Die von mir gestellte Aufgabe war hübsch zweideutig:

(jedoch eben nicht identischen Prozentwerten!),

dass am Ende alles beim Alten bleibt, der Mantel

(der zwischenzeitlich mal 110 € gekostet hat)

also wieder 100 € kostet,

"wenn da schon so suggestiv gefragt wird, kommt am Ende garantiert ein anderer Preis als 100 € raus".

Diese Zweideutigkeit ist ja gerade der Gag der Aufgabe, aber diesen Gag haben meine drei Gesprächspartner

(da werde ich ein bisschen zynisch: natürlich)

nicht rausgehört. Also mögen sei bei "Dreisatz & Prozentsetzung" mal schön leise sein: "wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein".

(Nebenbei: so besserwisserisch wie mit dieser Aufgabe werde ich nur gegenüber Besserwissern.)

Was unsere drei Unternehmer vielleicht nicht wissen konnten: Dreisatz & Prozentrechnung kommen in der Schule im 7. Schuljahr vor - und danach nie wieder

(zumindest die Prozentrechnung ist nämlich [inner-]mathematisch völlig uninteressant).

Wie also sollten Schüler Dreisatz & Prozentrechnung noch am Ende ihrer Schulzeit und beim Einstieg in die Berufsausbildung beherrschen?!

Wenn einem das nicht gefällt, gebe man also nicht den Schülern, sondern der Schule die Schuld.

Von wegen "Zweck" (vgl. 1.): keine Sau braucht im Alltag Dreisatz & Prozentrechnung.

  1. : ein mathematischer Spießer

(es gibt sie - und zwar massenhaft - sehr wohl auch unter "richtigen" Mathematikern!)

ist auch, wer

(und damit alle Anfänger abschreckt; aber nichts gegen mathematische "Strenge": alles zu seiner Zeit - z.B. als explizites [!] Thema in einem Mathematik-Leistungskurs),

(also nur winzige Teile der "Gesamtkultur" - und zwar auch in Zeiten von "Big Data"),

Die Mathematik ist oftmals ein Refugium für picklige Fundamentalisten: in ihr ist alles so schön sicher - wie im Islamismus oder Rechtsradikalismus..

  1. : mathematische Spießer sind jene Mathematik-Lehrer, die rundum zufrieden damit sind, kreuzbrav den Lehrplan abzuhaken - und niemals über dessen Tellerrand zu schauen, also z.B.

in den Unterricht einzubeziehen.

(Immerhin muss man solchen Lehrern zugute halten, dass die Lehrpläne inzwischen so eng gestrickt sind wie in Margot Honeckers besten Zeiten in der DDR; und umgekehrt züchten die neuen Lehrpläne "solche" Lehrer).

Diese Mathematiklehrer verstehen sich dann oftmals als Erfüllungsgehilfen des "Systems", d.h.

("im Fach Mathematik gibt es noch glasklare [und unwandelbare] Kriterien, nämlich einfach »wahr« oder »falsch«" - und nichts dazwischen),

(viele Lehrer haben einen "Freie[?]-Wirtschafts-Komplex": weil sie selbst nichts produzieren, wollen sie immerhin ihre Schüler rabiat darauf vorbereiten).

Für solche Nutzung

(gar als "Haupt-", ja sogar "Kernfach")

sollte einem die Mathematik aber zu schade sein.