eine Ausstellung über Wasser ohne


"Panta rhei" (altgriechisch πάντα ῥεῖ ) = alles fließt.
(Heraklit)

Dieser Spruch sollte aber in einer Wasserausstellung nicht bloß Floskel bleiben, sondern in das Ausstellungskonzept eingehen.

Ich habe schon anderweitig eine Kritik vieler (scheinbarer) Populärwissenschaft und von Naturwissenschaftsmuseen geschrieben. Vgl. .

Symptomatisch scheint mir aber auch die Ausstellung

  ,

die 2016/17 im Museum für Naturkunde in meiner Heimatstadt Münster läuft (lief):

positiv an dieser Ausstellung ist allemal, dass von der Mythologie bis zu den Naturwissenschaften viele relevante und für den Laien wohl auch erstaunliche Aspekte aufgezeigt wird.

Ansonsten aber haben die Ausstellungsmacher es tatsächlich geschafft, eine Ausstellung über (!) Wasser auszurichten, in der nirgends (echtes) Wasser vorkommt!

Um genau zu sein: an drei Stellen kommt durchaus echtes Wasser vor:

  • in zwei Plexiglassäulen gleich zu Beginn der Ausstellung, in denen das Verhältnis zwischen Süß- und Salzwasser auf der Erde verdeutlicht wird;
  • in einer Schwipp-Schwapp-"Wellenmaschine":
  • in der Simulation eines Wellenkraftwerks, also ähnlich wie

(Quelle: ).

In allen drei Modellen ist das "echte" Wasser aber 

(allemal aus guten Gründen)

in Plexiglas eingekapselt, findet es also sozusagen hinter verschlossenen Türen statt.

Ansonsten ist die Ausstellung

(wieder: durchaus aus guten Gründen)

arg textlastig, was ab und zu neumodisch durch Multimedia-Elemente aufgelockert wird.

Bezeichnend für die Ausstellung sind aber zwei "Highlights":

  1. die Unterwasserstation BAH-I vor dem Museum:

Da hat man also mit gigantischem Aufwand einen riesigen Metallzylinder herangekarrt, aber was soll's?: ohne Erklärung und vor allem Besichtigung von innen ist er doch nur eine größere Mülltonne. Vor allem aber: was besagt das Dingsbums über das Ausstellungsthema "Wasser"

(wenn man davon absieht, dass der Zylinder ursprünglich mal unter Wasser lag - und vor sich hin rostete)?

  1. eine - irre! - "Augmented Reality Sandbox":

"Der Besucher kann die Landschaft haptisch selbst verändern und beobachten, wie sich das Wasser verhält. Die Sandbox kann so spielerisch Ausstellungsinhalte wie Flussdynamik und Hochwasserschutz spannend vermitteln."
(Quelle:   )

Richtig daran ist, dass man da eine "echte" Sand-Landschaft haptisch verändern kann. Aber (echtes) Wasser fließt da eben nicht, man kann also auch nicht sehen, "wie das Wasser sich verhält", sondern da projiziert nur ein Computer "blaues Wasser".

An der "augmented reality sandbox" spielten vor allem Kinder, die ich dabei genau beobachtet habe: ihnen hat das Sandverschieben in diesem besseren Sandkasten viel Spaß gemacht, und allemal haben sie darüber gestaunt, dass wie von Zauberhand (durch den Computer) Höhenlinien und "Wasser" angezeigt wurden, der Sand also noch viel plastischer erschien.

Aber kein Kind hat "Flussdynamik und Hochwasserschutz" beobachtet bzw. simuliert.

Da ist jeder


Wasser-Kinderspielplatz

besser - und einfacher zu haben.


 

"Im letzten Buch der Physik (Buch VIII) und im Vorfeld seiner Theologie (Buch XII der Metaphysik) argumentiert Aristoteles für die Notwendigkeit eines „unbewegten Bewegers“, d. h. einer Kraft, die alle Bewegung auf der Welt verursacht."
(Quelle: )

Was mag uns der Ausstellungstitel "Wasser bewegt" wohl sagen wollen?

Zu allererst denke Ich denke dabei natürlich an meine uralte Programmsammlung bewegte Mathematik.

Nun, was wollte ich denn mit diesem Titel sagen?: hübsch raffiniert doppeldeutig zweierlei:

  1. , dass die Schulmathematik da
    • nicht mehr - wie sonst an der Tafel - statisch ist

(bzw. z.B. bei der Drehung eines Dreiecks bloß Anfangs- und Endzustand gezeigt werden),

    • sondern kontinuierliche, also "harmonische" Bewegungen durchgeführt werden;
  1. aber wird mit dem Titel "bewegte Mathematik" natürlich auch suggeriert, dass solch eine Mathematik wegen ihrer "Harmonie" vielleicht auch ein bisschen "anrührend" ist bzw. die Herzen der Schüler bewegt.

Was also mag "Wasser bewegt" bedeuten?:

  1. , dass Wasser passiv bewegt wird,
  2. , dass Wasser (etwa bei der Erosion) aktiv anderes bewegt,
  3. aber doch wohl auch, dass es "die Herzen bewegt" und anrührt

(oder dass es das tun sollte bzw. dass dies zu evozieren die eigentliche Aufgabe der Ausstellung ist).

Was aber die Herzen bewegt bzw. anrührt, sollte (sich) doch erstmal

(wenn irgend möglich - und bei Wasser ist das allemal möglich)

wortwörtlich bewegen und anrühren bzw. sich anrühren, also be-greifen lassen.


  Wieso gehen viele Leute beim ersten Sonnenstrahl im Frühling am liebsten am Wasser spazieren?:

Sinn der Ausstellung sollte es also wohl sein, das Wasser hinter seiner scheinbaren Selbstverständlichkeit

(die es wohl bei uns, in vielen Teilen der Welt aber keineswegs ist)

hervorzuholen.

Da hätte ich das Wasser doch zu allererst mal fließen und plätschern und spritzen und hoch aufspringen und tief fallen lassen

Conrad Ferdinand Meyer:
Der römische Brunnen

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

und die Ausstellungsbesucher animiert, das Wasser zu rühren und zu werfen und fallen zu lassen und verschiedene "Aggregat"-Zustände des Wassers

(also Eis, gefrierendes und tauendes Wasser, Wasserdampf und Wolken)

zu erleben.

Warum hört man da keine Wasserfälle, warum nicht das Gluckern einer Quelle, das Meeresrauschen und Tosen des Wassers bei Sturm

(wobei die letztgenannten Phänomene wohl leider doch nur medial eingespielt werden können)?

Warum regnet es nicht in verschiedener natürlicher Heftigkeit und sind keine Wolken beobachtbar?

Hier also eine Ansammlung von Phänomenen, die

(wenn auch kleiner)

in eine Wasser-Ausstellung eingehen könnten:

 

 

   

 

  

 

  

 

  

 

 

 

Oder wenn da in einem Segment der Ausstellung von Mineral(trink)wasser die Rede ist und verschiedene

(natürlich verschlossene!)

Mineralwasserflaschen gezeigt werden: warum läßt man die Besucher nicht einige völlig unterschiedlich schmeckende Mineralwasser trinken?

(Der Vater eines Freundes hat mal in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts gesagt: "Die Zeiten sind so bescheuert. Irgendwann gibt's noch Wasser in Flaschen."

[und der Plastikmüll verstopft inzwischen die Weltmeere:
])


Mir scheinen nur zwei Gründe vorstellbar, weshalb es in der Ausstellung nirgends fließendes, anfassbares, trinkbares Wasser gab:

  1. die Abgehobenheit der Ausstellungsmacher, die nicht mehr einfach denken, also bei den Phänomenen (vgl. ) anfangen können;
  2. die Angst, das offenes, echtes Wasser zu kleinen Überschwemmungen, ja - horribile dictu - Matsch führen könnte. Da kann ich nur sagen:


Nichts gegen einige "geile" Aufmacher, also z.B. kubikmeterweise herabstürzendes (echtes) Wasser. Lieber wäre mir aber echtes Wasser, das zu wissenschaftlichen Fragestellungen hinführt

(vgl. nochmals ).