die gute alte Wertetabelle

keine Frage: an einer Wertetabelle allein sieht man kaum etwas,
sondern sie schreit nach der Umsetzung in einen Graphen,
der erst Zusammenhänge verdeutlicht

 

Zwei mal drei macht vier,
widde widde witt und drei macht neune.

y = 2x + 3

[Pippi Langstrumpfs Rechnung ist nicht falsch, sondern ganz im Gegenteil: die darf das - und warum wir nicht? Vielleicht weil die Welt eben doch nicht ganz so biegsam ist - aber doch biegsamer, als es uns oft erscheint?:]

Ich mach' mir die Welt,
widde widde wie sie mir gefällt.

[...]

Drei mal drei macht sechs,
widde widde wer will's von mir lernen?
Alle groß und klein,
tralla lalla lad' ich zu mir ein.

Ich hab' ein Haus,
ein kunterbuntes Haus,
ein äffchen und ein Pferd,
die schauen dort zum Fenster raus.
Ich hab' ein Haus,
ein äffchen und ein Pferd,
und jeder, der uns mag,
kriegt unser Einmaleins gelehrt.

[...]
 

 

"[...] das Bildungssystem [legt] allzu großen Wert auf das [...], was bekannt ist, und zu wenig auf das Unbekannte oder auch Unerkennbare. [...] [es vermittelt] eine völlig in sich geschlossene, widerspruchsfreie Sicht auf die Wirklichkeit [...]."
(Ralph Gomory)

Meiner Meinung nach werden im üblichen Schulunterricht

durchgenommen. Das macht durchaus Sinn:

Mir scheint aber, dass vor lauter Standardfunktionen ohne Funktionsgraphen all zu schnell der "funktionale Zusammenhang" abhanden kommt, d.h.

die simple (später ja auch analog in der Vektorrechnung benötigte) "Gleichsetzung"

Geometrie   Algebra
Ein Punkt P (x | y) liegt genau dann auf dem Funktionsgraphen von f wenn seine beiden Koordinaten x und y die Funktionsgleichung von f erfüllen,

also meiner Meinung nach "der Fundamentalsatz der Funktionenlehre", ist den SchülerInnen nicht mehr präsent (wenn überhaupt jemals geworden), was sich z.B. auch darin ausdrückt, dass

bedeutet (!), ihnen also sogar die simpelsten "Haltepunkte" eines Funktionsgraphen fehlen und sie sich somit an gar nichts mehr "festhalten" können.

Mehr noch: das Konstruktionsprinzip des Koordinatensystems, d.h.  kommt ihnen abhanden.


Heutzutage gibt es "Funktionenplotter"-Programme, in die man "vorne" die Funktionsgleichung eingibt, worauf dann "hinten" der zugehörige Graph "heraus" kommt. Zweifelsohne machen solche Programme Sinn, um Grundeigenschaften verschiedener Funktionenklassen zu untersuchen und an verschiedenen Parametern zu "drehen". Vor allem ist es aber (insbesondere bei komplexeren Funktionen) auf die Dauer viel zu mühsam und zeitraubend, immer erst Wertetabellen und daraus dann die Funktionsgraphen zu erstellen.

Mehr noch: auf die Dauer sollen die SchülerInnen ja z.B. internalisiert haben: die Graphen quadratischer Funktionen der Form f: y = ax2 + bx + c

Solch allgemeine ("invariante") Eigenschaften sind ja gerade der Gag, und da wäre die nochmalige Anfertigung einer Wertetabelle und daraus des Funktionsgraphen natürlich nur ein Rückfall (vom Allgemeinen zurück zum Spezialfall).

Ein Funktionenplotter sollte also inzwischen zur Standardausrüstung aller SchülerInnen gehören!

Und doch kommt es da - wie bei allen Computerprogrammen - auf den richtigen Zeitpunkt des Einsatzes an:

Computerprogramme werden oft zu pauschal und zu früh eingesetzt: sie verbergen zentral wichtige Erkenntnisse, weil sie sie schon (in ihrer uneinsehbaren Programmierung) implizieren:

ein Funktionenplotter verbirgt eben

Wir werden - das sei schon vorweg gesagt - unten noch sehen, dass Funktionenplotter noch andere Nachteile haben:


Die Standardfunktionen (insbesondere die quadratischen) haben den massiven Nachteil, dass sie den SchülerInnen schon allzu selbstverständlich sind

(was ja überhaupt oftmals ein Problem im Mathematikunterricht ist: die SchülerInnen kennen schon "woanders" her [aus dem Physikunterricht, Formelsammlungen ...] die doch eigentlich erst zu erarbeitenden Ergebnisse, und deshalb ist jede "Luft", d.h. jede Motivation, einer Formel selbst auf die Schliche zu kommen, heraus):

beispielsweise die Parabel (ihre Entstehung) lässt sich schon allein deshalb nicht mehr "problematisieren", weil sie den SchülerInnen oftmals vorweg bekannt ist, nämlich z.B., wenn sie bereits eine Parabelschablone besitzen:


(und auf dieser Schablone sind dann gleich auch noch andere Standardgraphen mitgeliefert)

Um dieser Selbstverständlichkeit zu entkommen, wird einE "guteR" LehrerIn natürlich möglichst schnell auf gestreckte oder gestauchte Parabeln ausweichen, bei denen die Parabelschablone nicht mehr zu gebrauchen ist. Und dennoch ist mit der Parabelschablone allzu eindeutig die (gegebenenfalls zu streckende oder zu stauchende) Grundform vorgegeben: so eindeutig, damit aber auch unreflektiert, dass SchülerInnen, wenn sie dann mal selbst eine Parabel zeichnen sollen, oftmals z.B. Folgendes zeichnen (Originalgraph eines Schülers):

Solch ein Graph beweist aber, dass wirklich Grundlegendes vor lauter Suggestivität nicht verstanden wurde:

(Wenn sowas in einer Nachprüfung passiert,


Mir scheint also, dass überhaupt erst (wieder) an ganz ungewöhnlichen Funktionen klar wird, wie der "funktionale Zusammenhang" funktioniert (!) und im Koordinatensystem sichtbar wird.

Gerade an diesen ungewöhnlichen Funktionen zeigt sich oftmals, dass die SchülerInnen ohne feste Raster (eben für Standardfunktionen) völlig hilflos sind, nämlich keinerlei Vorstellung vom Funktions(graphen)verlauf entwickeln können.

SchülerInnen fällt das simpelste Hilfsmittel bzw. die ultima ratio nicht mal mehr ein, nämlich die Wertetabelle (und wie man sie günstigerweise anlegt).

Die ungewöhnlichen Funktionen müssen ja gar nicht

(was sonst immer [falscher?] Anspruch des Mathematikunterrichts ist)

vollständig "durchdrungen" werden - eine Forderung

(bzw. fast ein Vollständigkeitswahn?),

die (bzw. der) ja eben zur üblichen Beschränkung auf Standardfunktionen führt. Es muss nicht jede Funktion analysiert und integriert werden!

Dennoch: auch wenn man gewisse Funktionen nur ansatzweise untersucht, ist damit schon viel gewonnen, nämlich eben ein grundsätzliches Verständnis des "funktionalen Zusammenhangs" und von dessen Abbild im Koordinatensystem.

Zudem wird unten noch deutlich werden, wie man anhand

durchaus viel

lernen bzw. wiederholen und festigen kann.


Bevor wir zur Betrachtung zweier spezieller Funktionen kommen, sei noch kurz auf das Problem zu sprechen gekommen, wo man eine Wertetabelle überhaupt "ansiedeln" sollte.

Da es MathematikerInneN "ums Prinzip" geht, verwenden Sie zwar gerne unterschiedliche Koeffizienten

(die dann beispielsweise eine Streckung, Stauchung, Spiegelung oder Verschiebung bewirken),

aber doch gerne einfache , also kleine ganze Zahlen.

(wobei man zudem oft besonders markante Werte erhält:

x = 0, x = 1 und x = -1 sollten also immer in einer Wertetabelle vorkommen;

(wenn man sie - etwa aufgrund der erkannten Funktionenklasse - überhaupt schon "sieht" bzw. ahnt):


Als Beispiele ungewöhnlicher Funktionen

(die durchaus behandelt werden können, wenn Ableitung und Integration noch gar nicht bekannt sind; vgl. Orientierungslauf "Grundwissen über Funktionen")

seien hier genommen:

(diese beiden Funktionen wurden gewählt, weil

Zu f: y =

Die Funktion lässt sich zusammensetzen aus

Abgesehen von den oben genannten Standardwerten ergeben sich damit als ebenso interessante wie kritische Stellen in der Wertetabelle:

Viel weiter wird man wohl kaum kommen - und braucht man auch gar nicht zu kommen (ja nicht mal zu rechnen!): man ist vorgewarnt, was an bestimmten Stellen passieren könnte - und kann jetzt (jetzt erst!) tatsächlich zum Funktionenplotter greifen:

Zwar konnte wohl niemand den genauen Graphenverlauf vorausahnen, aber immerhin besttätigen sich viele der oben angestellten Vermutungen für Wertetabelle.

Dennoch ergeben sich aber auch berechtigte Zweifel

(die man nie bemerkt hätte, wenn man ohne Vorüberlegungen gleich den Funktionenplotter benutzt hätte):

Um beides genauer zu untersuchen, nutzen wir für den grün umrandeten Bereich die Zoomfunktion des Funktionenplotters und erhalten (aber nur aufgrund der Vorüberlegungen!) ein aussagekräftigeres Bild:

  1. scheinen im vorher rot markierten Bereich durchaus noch Werte vorzuliegen,

  2. sieht es (wie nach den Vorüberlegungen zu erwarten) so aus, dass dort asymptotisches Verhalten, aber keine Nullstelle vorliegt.

Inzwischen skeptisch gegenüber der Anzeige des Funktionenplotter geworden, spielen wir ein bisschen weiter und verkleinern den Graphen nun. Dabei ergibt sich etwas sehr Merkwürdiges:

Zumindest laut Funktionenplotter enden die Graphen an Stellen (z.B. ), wo laut den Vorüberlegungen asymptotisches, also unendliches Verhalten zu erwarten wäre.

Was ist passiert?:

Inzwischen also misstrauen wir gründlich den Fähigkeiten von Funktionenplottern

(auch wenn sie oftmals durchaus hilfreich sind).

Erst mal misstrauisch geworden, stellt sich also die Frage, ob uns der Funktionenplotter überhaupt annähernd den richtigen Grobverlauf (ganz zu schweigen von den Details) der Funktion angezeigt hat.

(Misstrauen gegenüber Computerergebnissen ist auch ein Lernziel, aber erst nach Vorüberlegungen ohne den Computer möglich!)

Gerade weil der tatsächliche Funktionsgraphenverlauf wohl erst durch den Funktionenplotter klar wird, ergeben sich damit auch Rückfragen, also z.B.:

,

also bestimmt nicht die schöne Symmetrie bzw. fast schon Langeweile im Graphen von f: y = , die offensichtlich vom periodischen Sinus her stammt;

Solche Überlegungen scheinen mir viel wichtiger als immer (nur) Rechnungen (an Standardfunktionen).

Zu g: y =

Die Funktion lässt sich ähnlich zusammensetzen wie die vorher genannte. Hier soll daher nur ein Aspekt betrachtet werden:

Der Funktionenplotter zeigt aber

an:

Inzwischen skeptisch gegenüber Funktionenplottern geworden, stellen sich zwei Fragen:

Im vorliegenden Fall ist Letzteres der Fall - nur hätten wir es ohne Vorüberlegungen anhand der Wertetabelle gar nicht bemerkt: der Funktionenplotter glättet das Außergewöhnliche und Interessante völlig, er macht es unsichtbar.

Bzw. dass für x = 0 etwas Merkwürdiges passiert, sieht man erst, wenn man - und zwar erst aufgrund der Vorüberlegungen! - dort mal hinein zoomt:

Von hier aus wäre also überhaupt erst die Frage interessant, was in der Umgebung von x = 0 genau mit der Funktion bzw. dem Graphen passiert.

Oder vereinfacht: was passiert mit

in der Umgebung von x = 0?:

(womit man dann nebenbei einen schönen Nebeneingang zur Ableitung [hier der Sinusfunktion] gefunden hätte)