der Nenner nennt, der Zähler zählt
(wie sollte es auch anders sein :-)

„Oben steht der Zähler,
unten steht der Nenner,
das weiß doch jeder Penner.“
(Das mag diskriminierend gegenüber Obdachlosen sein,
aber:

Christian Morgenstern:

Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.

Wißt ihr,
weshalb?

Das Mondkalb
verriet es mir
im Stillen:

Das raffinier-
te Tier
tat´s um des Reimes willen.)

In war gezeigt worden, warum es besonders günstig ist, dass

zweier Brüche nebeneinander stehen (z.B. )

Typisch mathematisch daran ist das "besonders günstig": es musste nicht so sein bzw. wäre auch anders gegangen, aber es hat doch spezielle Vorteile.


Offen ist in hingegen geblieben, weshalb in einem Bruch

(mit ihren spezifische Funktionen)

steht.

Nun könnte man in linguistischer Sprache antworten, dass das

  1. "arbiträr",

  2. aber danach "konventionell"

sei, d.h.:

  1. war es völlig beliebig

(d.h. man hätte - genau umgekehrt wie heute üblich - den Zähler auch unten und den Nenner dann oben schreiben können),

aber nachdem man sich erstmal geeinigt hatte

(irgendjemand es so festgelegt hatte),

  1. mussten sich alle verbindlich dran halten, um einander korrekt verstehen zu können.


Einzuschränken wäre allerdings, dass die Wahl anfangs nicht völlig frei ("arbiträr") war:

(bei Wörtern in der Umgangssprache ist das anders: da gibt es sogenannte "Teekesselschen", d.h. dass ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann [vgl. etwa das "(Königs)Schloß" und das "(Tür)Schloss"];


Bleibt allerdings die Frage offen, ob auch die Festlegung

"Zähler stehen oben, Nenner stehen unten"

"besonders günstig" ist.


Ich frage das keineswegs aus historischem Interesse

(keine Ahnung, weshalb der erste Mathematiker, der Zähler nach oben und Nenner nach unten gesetzt hat, das getan hat),

sondern einzig und allein aus einem pädagogischen Grund. Es kann nämlich keine Frage bestehen, dass SchülerInnen oftmals Zähler und Nenner in ihren spezifischen Funktionen verwechseln und also beispielsweise fälschlich meinen, dass und dasselbe sind.

Da könnte jemand natürlich sofort einwerfen:

(von mir vielleicht tatsächlich zu einfach gewählt)

Brüche durcheinander zu werfen. Denn es ist doch allemal ein Riesenunterschied, ob

verteilt werden. Mehr noch: es ist endgültig Hopfen und Malz verloren, wenn jemand nicht sieht, dass

ist."

Mir ist solch reaktionär-überhebliches Geläster natürlich viel zu billig, sondern ich frage mich vielmehr

(wenn´s denn überhaupt so oft vorkommt ),

ob die Überlegungen, weshalb es besonders günstig ist, dass Zähler oben und Nenner unten stehen, zur Vermeidung solcher Fehler hilfreich sein kann.


  Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.
Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht.
Und Gott sah das Licht, daß es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis.
Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht.

Ein erster guter Tipp ist - wie so oft - die Alltagssprache, die mit "zwei Drittel" übersetzt, wobei

Der substantivische Charakter von "Drittel" wird auch dadurch deutlich, dass "Drittel" offensichtlich von "Drei-Teil" stammt

(und entsprechend "Viertel" von "Vier-Teil" ...;

nebenbei: da schiene es fast günstiger, nicht von "Nenner", sondern von "Teiler" zu sprechen).

Mit all dem wird schon angedeutet, dass der Nenner wichtiger ist.

Ein zweiter guter Tipp besteht darin, sich anzuschauen, wie man herstellt:

D.h. man fängt mit dem Nenner an!

Wenn nun der "Nenner" jemand ist, der etwas "be-nennt", so könnte man sagen:

Der "Nenner" benennt die Größe () der gleichgroßen Teile.

Und erst DANACH zählt der "Zähler" die Anzahl der benötigten Teile ab (2).


Nun lesen wir aber üblicherweise

  1. von links nach rechts (vgl.   )

  2. bzw. von oben nach unten.

Also sollte man im 2. Fall doch denken, dass

(genau umgekehrt wie heute üblich)

der wichtigere Nenner oben steht.


Zur Klärung dieses Problems schauen wir uns aber mal die einfachste und grundlegendste Bruchrechenregel, nämlich die der Bruchaddition, an:

  1. zwei bereits gleichnamige Brüche (also mit demselben Nenner) werden addiert, indem man die Zähler addiert und den Nenner beibehält;

  2. zwei noch nicht gleichnamige Brüche (also mit unterschiedlichen Nennern) müssen erst gleichnamig gemacht werden (denselben Nenner erhalten) - und dann siehe 1.

Auch hier stehen eindeutig die Nenner im Vordergrund - und sind die Zähler wenn nicht egal, so doch zweitrangig.

Man könnte auch

(als Tipp an SchülerInnen)

sagen:

"Achte bei der Bruchaddition zu allererst auf die Nenner."

(Nebenbei: bei der Bruchsubtraktion steht´s genauso, während bei der Bruchmultiplikation und -division die Zähler und Nenner "gleichrangig" sind.
Hinweise zur Schreibweise sind also nur von der Bruchaddition und -subtraktion zu erwarten.)

Auch hier bestätigt sich also wieder, dass die Nenner wichtiger sind

- und scheinbar nochmals, dass sie nach oben gehören.


Aber wenn man genauer auf die Bruchaddition "hört", erhält man eben doch einen Tipp, warum der Nenner unten steht:

zwei Brüche müssen

(zwecks Addition)

  • bereits auf DEMSELBEN Nenner-Fundament stehen

  • oder auf DASSELBE Nenner-Fundament gebracht werden.

Und Fundamente sind immer unten!

(Hier z.B. ein 6er-Fundament, wie es bei folgender Rechnung gebraucht wird:

Und daran ist wieder bemerkenswert, dass der [endgültige] Nenner 6 viel früher von Bedeutung ist als der [endgültige] Zähler 5.)


Andere Zugänge zur Bruchrechnung

(vgl. )

scheinen aber nahezulegen, dass manchmal doch der Zähler wichtiger ist als der Nenner:

kann ja auch bedeuten: man verteilt zwei Kuchen an drei Leute, d.h. man beginnt mit dem Zähler 2:

  1. Es sind als Vorgabe zwei Kuchen vorhanden

(z.B. vom Vortag übrig geblieben),

und als

  1. zufällig drei Leute vorbeikommen, werden die zwei Kuchen halt an diese drei Leute verteilt und erhält jeder Kuchen.

Nun muss man aber nur ein wenig an der Geschichte drehen, und schon funktioniert´s mit der Dominanz des Nenners wieder:

  1. Ich habe (als Vorgabe) zwei Leute eingeladen (mit mir zusammen sind´s also drei) und überlege nun, wieviel jeder essen wird:

"ein Kuchen ist zu wenig, da dann jeder nur bekommen wird; also

  1. backe ich doch besser zwei Kuchen."

Üblicherweise wird man also von der Anzahl der Leute (Nenner!)

(und deren zu erwartendem Hunger)

ausgehen und dementsprechend die Anzahl der Kuchen (Zähler) backen.

Das Reste-Essen ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme.


Es könnte reizvoll sein, SchülerInnen

  1. zu "jemandem, der nennt" ,

  2. bzw. "jemandem, der zählt" ,

zu ernennen, und im ersten Durchgang hat immer zuerst der "Nenner" das Sagen.

Denkbar wäre es auch, immer nur einen "Nenner", aber mehrere "Zähler" in einer Schülergruppe zu haben.

(also z.B. 1/3, 2/3, 3/3 ...;

und erst sehr viel später spielt man das Spielchen auch umgekehrt, also mit einem "Zähler" und mehreren "Nennern", und beobachtet, was dann passiert, nämlich z.B. 2/3, 2/4, 2/5 ...)