Zahnräder sind einfach (und) schön

 

Die allermeisten Schüler haben in ihrem Leben keinerlei Bezug zu Zahnrädern

(die, wenn überhaupt, tief in den Geräten verborgen sind),

d.h. einen "lebensweltlichen" Anwendungsbezug gibt es für die meisten Schüler nicht.

Bleibt, wenn überhaupt, nur ein anderer interessanter Zugang zu Zahnrädern, nämlich ihre Schönheit.

Dieser Bezug sollte aber ernst genommen werden, statt dass Zahnräder nur als vorgeschobener und zufällig-beliebiger Anlass dienen, aus ihnen doch wieder nur Mathematik zu destillieren.


Zahnräder sind einfach (und) schön kann zweierlei bedeuten:

  1. "Zahnräder sind einfach [...] schön": jeder (?) findet Zahnräder schön, und deshalb bedarf die Schönheit von Zahnrädern keiner Erklärung / Begründung mehr

(wenn sich Schönheit überhaupt begründen lässt);

  1. "Zahnräder sind einfach und schön", also
    1. einerseits schön,
    1. andererseits (unabhängig von der Schönheit) einfach (konstruiert, zu verstehen).

Zu 1. bzw. 2.b. also der Schönheit von Zahnrädern:

Mir scheint, man sollte darauf in zwei Schritten reagieren:

 

Johann Wolfgang Goethe: Gefunden

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.
 
Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.
 
Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

[...]

Und Gott der HERR sprach:
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.

(Bibel, Altes Testament, 1 Moses 23,1)

 

Ein Zahnrad kommt nie alleine.

Eigentlich ist ein einzelnes Zahnrad so überflüssig wie ein einzelner Schuh:

(es sei denn, man denkt, ein einzelner Schuh ist immer noch besser als gar keiner):

ein Zahnrad erfüllt seinen Sinn überhaupt erst im Zusammenspiel mit mindestens einem anderen Zahnrad:

(z.B. ist nur eine scheinbare Ausnahme, da von dem Zahnrad zwar ein Loch , nicht aber die Zähne benutzt werden; da hätte man statt des Zahnrads genauso gut benutzen können;

nebenbei:

ein Zahnrad, das sich nicht dreht, ist überflüssig,

bzw. ein Zahnrad erwacht überhaupt erst durch Drehung zum Leben:

[vgl. "der tote Gang" in dem unbedingt empfehlenswerten Jugendroman :

"Der Tote Gang war der siebte Mahlgang der Mühle im Koselbruch und befand sich im hinteren Teil der Mahlstube. In den Neumondnächten mahlten die Mühlknappen dort für den Herrn Gevatter. Sonst wurde der Gang nie benutzt und darum »Toter Gang« genannt. Stattdessen benutzten die Mühlknappen die anderen sechs Mahlgänge.
Nach seiner Ankunft vermutete Krabat zunächst, dass etwas am Toten Gang kaputt war und er deshalb nicht benutzt wurde, aber eines Morgens entdeckte er beim Ausfegen ein wenig Mehl auf den Bodenbrettern unter dem Auslauf des Toten Ganges. Als er genauer nachschaute, sah er auch im Mahlkasten Spuren von frischem Mehl. Krabat wunderte sich und fragte sich, ob heute Nacht auf dem Toten Gang gemahlen worden war. Ihm fiel ein, dass die Mühlknappen beim Frühstück müde ausgesehen hatten. Allerdings sah Krabat dann, dass es sich beim angeblichen Mehl um Zähne und Knochensplitter handelte."

[Quelle: ]

"Es ist nicht klar, ob der Gevatter eine andere Bezeichnung für den Teufel ist. Die Schwarze Kunst, das Tragen der Hahnenfeder, sein Hinken (Anspielung auf einen Pferdefuß) und Mahlen von Knochen sprechen dafür [...]. Der Gevatter Tod im gleichnamigen Märchen ist dagegen nicht zwangsläufig eine böse Figur."
[Quelle: ]

Genau genommen gibt es zu der Regel

ein Zahnrad, das sich nicht dreht, ist überflüssig

eine Einschränkung: manchmal gibt es in Maschinen Zahnräder, die sich für eine Weile drehen ["lebendig" sind] und zu anderer Zeit stillstehen ["tot" sind].)


Lasset uns nun aber erstmal einfach "nur" staunen:


 

 


(Ausschnitt aus dem Computerspiel )

  

 

 

      

 

   

   

 

 

 


(Ausschnitte aus dem Film


(Ausschnitt aus dem Film )


(keine echten Zahnräder, sondern "nur" eine Computeranimation;
das sieht phantastisch aus, aber vermutlich würde diese Uhr nie wirklich funktionieren,
was mich hier, wo es erst nur um die Schönheit geht, ausnahmsweise sogar mal freut)

last but not least ein echtes mechanisch-ästhetisches Meisterwerk
(bzw. nur ein Film davon):


(Preis: schlappe 259.000 €)


Seit ich mich mit Zahnrädern beschäftige, habe ich mehrfach von Laien, die nichts mit

(auf den Bildern sowieso nicht sichtbarer)

Mathematik am Hut haben, gehört, dass sie sich gerne eine echte Zahnradkombination wie z.B. oder als "Kunstobjekt" in ihrem Wohnzimmer aufzustellen oder aufzuhängen.

Trauen wir uns jetzt aber doch an einen demütigen Versuch, die Schönheit der o.g. Zahnräder zu verstehen: wichtige Kriterien scheinen mir da zu sein:

  1. das Material (meist Metall):

  2. es liegt schwer in der Hand und wirkt daher "wertig"

(man möchte es und vielleicht sogar wie einen Handschmeichler streicheln; allerdings sollte man seine Finger niemals zwischen zwei sich drehende Zahnräder bekommen ) ,

  1. der glänzende und spiegelnde Edelmetalloptik: ,

  2. die hochpräzise Ausführung: .

  3. scheint Symmetrie ein wichtiges Schönheitskriterium zu sein, und Symmetrie ist ein wichtiges Thema in der Mathematik:

Ein Zahnrad ist (in der Regel)

Nun ist schon allein der Kreis (noch ohne Zähne) ein ewiges Faszinosum der Mathematik, weil er

(alle Punkte, die gleich weit vom Mittelpunkt entfernt sind; einfach ist der Kreis allerdings nicht mehr, wenn man aus dem Radius seinen Umfang oder seine Fläche berechnen möchte, was zu der ebenso komplizierten wie hochinteressanten Zahl führt) ,

(punktsymmetrisch zum Mittelpunkt , achsensymmetrisch zu jeder Geraden durch den Mittelpunkt , drehsymmetrisch um jeden beliebigen Winkel α ).

Kein Wunder, dass schon die alten Griechen den Kreis (neben der ebenso einfachen Geraden) heiliggesprochen haben, indem sie geometrische Konstruktionen nur mit dem Zirkel (und Lineal)) erlaubt haben.

 


  (s.o.):

  1. ein Zahnrad kommt nie alleine,

  2. ein Zahnrad, das sich nicht dreht, ist überflüssig.

Es ist ja doch bezeichnend, dass man in Suchmaschinen

(außer wenn man einzelne Zahnräder kaufen möchte)

kaum Fotos einzelner, sondern mehrerer Zahnräder findet: die eigentliche Faszination durch Zahnräder scheint erst durch ihr Zusammenspiel (in Bewegung) zustande zu kommen.

Die Schönheit dieses Zusammenspiels lässt sich aber kaum mathematisch erfassen, sondern da ist eher die Metapher des Tanzes hilfreich:

Kein Wunder also, dass Zahnräder oft als Metaphern für benutzt werden.

Blöd nur, wenn man dabei Zahnradbilder verwendet, die misslungene Teamarbeit zeigen:

  • die Zahnräder greifen nicht ineinander, jeder bosselt also in Wirklichkeit weiterhin alleine vor sich hin: ,

  • das rote, blaue und pinke Zahnrad blockieren sich gegenseitig - und damit auch alle anderen Zahnräder: .

Ästhetisch reizvoll ist auch die -Form

(zusammengesetzt aus den Kreisausschnitten !),

z.B. wenn Charlie durch eine Maschine gezogen wird: 

(Der Witz bei diesem Ausschnitt aus dem tragikomischen Filmklassiker besteht natürlich darin,
dass da einerseits ein Mensch von einer Maschine aufgefressen wird
und das andererseits sehr harmonisch wirkt.)


Zahnräder waren mal Speerspitzen des industriellen Fortschritts, scheinen aber heute im Zeitalter der (angeblichen) Deindustrialisierung, der Computer und des Internets, also des Virtuellen, nur noch zur Nostalgie ("früher war alles besser") geeigneter Trödel  zu sein.

Und doch tauchen sie noch ab und zu in dieser schönen neuen Welt auf:

(Nebenbei: in der guten alten Zeit, als alles noch aus Holz oder Metall war [links], wurde noch der [oftmals stockende oder sogar stehenbleibende] Ladefortschritt gezeigt, heute [rechts] dreht sich alles nur noch im Kreis:

)

Zahnräder scheinen da Symbole dafür zu sein, dass im Hintergrund wieder mächtig was weggeschuftet wird.


Bemerkenswert finde ich es aber, mit welch gigantischem mechanischen bzw. computertechnischem (virtuellem) Aufwand dem mechanischen Zahnrad Denkmäler gesetzt werden:


Nun zu

  1. "Zahnräder sind einfach und schön", also

Oder kurz "Zahnräder sind einfach", wie wir ja schon anhand von gesehen haben.

Nur ist es leider doch nicht ganz so einfach:

Einen ersten Hinweis darauf, dass Zahnräder doch nicht ganz so einfach sind, wie suggeriert, liefert .

Zwei Gründe für solch einen enormen Planungs- und Herstellungsaufwand sind:

Wie anspruchsvoll die Konstruktion eines Zahnrads sein kann, sei mit einem einzigen Video angedeutet:

Funktion und Konstruktion der dabei benötigten "Evolvente" lassen sich aber durchaus praktisch mit Schülern durchführen:


Es geht mir hier also um sehr viel mehr als nur die Berechnung von Zahnrädern oder das Rechnen mit Zahnrädern

(Verhältnisse der Anzahl der Zähne),

nämlich auch um die Kulturgeschichte des Zahnrads, wie sie etwa in dem folgenden ebenso uralten (nicht mehr jugendgemäßen) wie brillanten Film deutlich wird:


PS: teilweise nach denselben (u.a. mathematischen) Kriterien wie bei Zahnrädern schön sind auch Turbinen: