Es ist durchaus möglich, eine Klasse - um der mathematischen Sache willen - zu einem verschworenen "Erkenntniskollektiv" zusammen zu schweißen
(wobei es immer Schüchterne geben wird, die zwar nichts sagen, aber sehr wohl mitdenken).
Zwei Beispiele:
"Der Satz des Pythagoras gilt angeblich für alle rechtwinkligen Dreiecke. Also passt bitte beim Beweis wie die Schießhunde auf, ob jemals konkrete Maße genannt werden (so dass der Beweis eben doch nur für ein Dreieck bzw. eine spezielle Dreiecksklasse gelten würde)."
Man nimmt jene berühmte Herleitung durch, dass ein "mangelhaft (5)" eines Schülers nicht so schlimm, weil letztlich identisch mit einem "ausreichend (4)" ist. Der (falsche) Beweis beruht dabei auf einer falschen Anwendung von Wurzelgleichungen.
Weil der "Beweis" so suggestiv ist, werden die SchülerInnen die Tücke wohl erst dann erkennen (und genau darauf beruht ja seine Schlagkraft), wenn am Ende "5 = 4" herauskommt. Von da aus kann man aber zurück bzw. den Beweis nochmals durchgehen, jetzt aber mit der Aufforderung:
"Passt bitte wie Sherlock Holmes auf, wo genau der Fehler auftritt, der ganz offensichtlich vorliegt."
Man kann die Kollektivleistung auch dadurch herausstellen, dass man am Ende klar macht, aus welchen Schritten von EinzelschülerInneN sich das Gesamtergebnis zusammengesetzt hat. Dabei kann es keineswegs schaden, Namen zu nennen:
"Aufbauend auf dem Denkfehler von Felix (und ohne diesen gar nicht möglich!) hat Alexander dann den richtigen Vorschlag gemacht."
Die Nennung von Namen schüchtert dabei (wenn es nur nicht die ewig gleichen sind) keineswegs die anderen ein, die nicht drauf gekommen sind, sondern erhöht den Gruppenstolz.
Wenn also beispielsweise Gaby als erste die p-/q-Formel für quadratische Gleichungen hergeleitet hat, heißt diese Formel probeweise vorerst "Gaby-Formel".
Das hat den Vorteil, dass die Formel nicht als fertig vom Himmel gefallen, sondern als (eben durch Gaby) entdeckbar erscheint. Zudem ist die Entdeckung damit anschaulich an ein konkretes Erlebnis bzw. eine konkrete Person gebunden.
Folge könnte weiterhin sein:
"Wenn Gaby (eine ganz normale Schülerin) das kann, dann kann jedeR das (ich auch)."
Oder:
"Gaby ist ein Teil der Klasse, also hat die ganze Klasse (haben wir!) es geschafft."
Solch ein kollektives "wir" ist auch eine Form des (sozialen) Selbstlernens!
Und dann kann man als LehrerIn am Ende ja durchaus anerkennend erwähnen:
"Ihr, die Klasse 11b, habt nur gemeinsam genau dasselbe geschafft wie kein Geringerer als Newton!"