Immer mal wieder sollte man sich im Unterricht nicht mit den fertigen Ergebnissen zufrieden geben (Hauptsache, es kommt das Richtige heraus), sondern fragen, warum sie sich ergeben.
Zwei Beispiele:
Dass ein Ergebnis richtig ist, kann man im Mathematikunterricht meistens daran erkennen, dass es hübsch einfach ist (z.B. eine ganze Zahl).
Da könnte der fatale Irrtum aufkommen, dass die Ergebnisse der Mathematik immer so schön einfach sind. Solchem Irrglauben wäre dringend dadurch zu begegnen, dass auch mal Aufgaben mit extrem schwierigen oder unübersichtlichen Ergebnissen durchgenommen werden
(noch schlimmer: es gibt Aufgabentypen, bei denen man entweder einfache Ausgangsgleichungen oder aber einfache Ergebnisse haben kann, aber nicht beides gleichzeitig).
Anhand solcher Aufgaben mit teuflisch schwierigen Ergebnissen werden die SchülerInnen einfache Ergebnisse nur um so mehr zu schätzen lernen - und vielleicht auch wissen wollen, wie man Aufgaben mit einfachen Ergebnissen systematisch erzeugt.
Denn es sollte nicht verschwiegen, sondern offen dargelegt werden, dass die Ergebnisse oftmals nur deshalb so einfach sind, weil LehrbuchautorInnEn bzw. LehrerInnen von den Ergebnissen aus rückwärts rechnen.
Dabei darf man allerdings nicht stehen bleiben, weil solches Vorgehen letztlich doch unehrenhaft erscheinen müsste und die SchülerInnen sich nur reingelegt fühlen würden.
Vielmehr könnte man nun mit SchülerInnen denselben Weg gehen, also vom bereits bekannten Ergebnis aus (etwa den Nullstellen einer quadratischen Gleichung) rückwärts rechnen (bis zur Funktionsgleichung) - und dann wieder zu den Nullstellen.
Natürlich wirkt letzteres ein wenig langweilig und überflüssig, weil die Nullstellen ja schon bekannt sind. Aber immerhin hat es den Vorteil der Selbstkontrolle: Die SchülerInnen wissen bereits, was heraus kommen muss, und es ist nicht mehr die Lehrkraft oder "der Geist der Mathematik", die völlig uneinsehbar "ex cathedra" über wahr und falsch entscheiden.
Die Möglichkeit, von den Ergebnissen rückwärts zu rechnen, bietet zudem den leistungsstärkeren SchülerInnen ein interessantes Aufgabenfeld: Sie erschaffen Aufgaben für leistungsschwächere SchülerInnen - und können letzteren dann auch besser helfen.
"Rückwärts rechnen" kann auch heißen, mehrere, parallele Textaufgaben zu erfinden, die zu einer gegebenen mathematischen Lösung führen. Das kann durchaus auch ironisch geschehen, indem man etwa absurdeste Mischungsverhältnisaufgaben erfindet (man nehme, wenn man kann, einen 98-%-igen Katholiken und einen 47-%-igen Protestanten), die überhaupt erst die Angst vor den üblichen, hochtrabend aufgetakelten Aufgaben nehmen.
Zeichnet man (anlässlich der Vektorgeometrie) in einem beliebigen (!) Parallelogramm eine Diagonale sowie eine Gerade durch einen (anderen) Eckpunkt und den Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite, so schneiden sie sich exakt im Verhältnis 2:1.
Das ist ein vielleicht allzu einfaches Ergebnis, d.h. so suggestiv, dass man es einfach akzeptiert, statt sich zu wundern.
Hier wäre es aber gerade an der Zeit, die längere und auf Anhieb unübersichtliche Aufgabe minutiös darauf hin zu untersuchen, wie genau das Ergebnis zustande kommt bzw. wo die Zahlen 2 und 1 zum ersten Mal auftauchen.
Der Vorteil wäre, dass man sich immerhin exemplarisch nicht mehr - wie kein Geringerer als Schopenhauer - durch Beweise (oder gar die gesamte Mathematik) reingelegt fühlt, bei denen man zwar die Einzelschritte, nicht aber den Gesamtargumentationsverlauf überschauen kann.