expliziter Unterricht

 

"Everything you
always wanted to know
about mathematics *

* But were afraid to ask"

 

Üblicherweise sieht eine Aufgabe folgendermaßen aus:

"Berechne die Schnittpunkte einer Parabel mit einer Geraden!"

Implizit vorausgesetzt ist dabei, dass es solche Schnittpunkte (Plural!) gibt, und die SchülerInnen müssen sie "nur" noch herausfinden - werden also zu Rechenmaschinen degradiert.

(Nur ganz selten ist die Lehrkraft mal "richtig gemein", lässt die SchülerInnen ins offene Messer der Unlösbarkeit laufen und wundert sich dann, dass sie damit nicht umgehen können: schon gar nicht werden sie [bzw. viele unter ihnen] bei solch abstraktem [!] Unterricht die simple Tatsache bemerken, dass dann eben die Gerade ganz unter oder über der Parabel her läuft.)

Ich würde da doch allemal umgekehrt vorgehen und fragen:

  1. Wie viele Schnittpunkte können eine Parabel und eine Gerade denn haben?:

  1. zwei

  2. keinen

  3. und allemal am interessantesten: einen, wenn nämlich die Gerade ein Tangente der Parabel ist
    (immerhin eine Vorbereitung der Ableitung).

  1. Wie können wir eine Aufgabe bekommen, bei der garantiert a., b. oder c. der Fall ist?

SchülerInnen tun hier also genau dasselbe wie LehrerInnen bzw. Schulbuchautoren:
  • sie rechnen nicht so lange (und eventuell vergeblich), bis eine geeignete Aufgabe vorliegt
    (bzw. überhaupt nur fertige Aufgaben, bei denen sie nicht wissen, weshalb es zu den Ergebnissen kommt, in denen die Mathematik also immer fertig vom Himmel fällt),

  • sondern sie sorgen dafür, dass eine geeignete Aufgabe vorliegt,
  • d.h. sie kennen schon vorher das anvisierte Ergebnis
    (vgl. "erst denken, dann (gar nicht mehr) rechnen").

Man kann sich ja über Sinn & Nährwert solch einer Schnittpunktaufgabe streiten. Wenn überhaupt, so dient sie dazu, innermathematische Verfahrensweisen einzuüben (die auch für "Anwendungsaufgaben" gebraucht werden!).

Mir scheint aber, dass in "meiner" Version die Innermathematik spannend wird:

Die SchülerInnen werden von "Opfern" zu "Tätern".

Zu einem expliziten Unterricht gehört es auch, das "mathematische Faulheitsprinzip"

SchülerInnen sollen nicht mehr - wie gehabt - das Gefühl haben, dass Mathematik (als Selbstzweck) alles möglichst umständlich gestaltet, sondern gerade darin besteht, sich Arbeit zu ersparen.

Ein Beispiel:

Angenommen, das Thema im Unterricht war die Polynomendivision zur Berechnung von Nullstellen.

  1. kann´s nicht schaden, dass die SchülerInnen die Nullstellen schon vorher kennen und dann "dumm tun", sie also nochmals herausbekommen
    (aber immerhin schon zwecks Selbstkontrolle wissen, was rauskommen muss):
    dass sie also beispielsweise selbst dafür gesorgt haben, dass eine kubische Funktion die Nullstellen x1 = 2, x2 = 3 und x3 = 4 hat
    (und vorher [!] überlegt haben, wie viele Nullstellen eine kubische Funktion überhaupt haben kann);

  2. angenommen des weiteren, das ist für eine kubische Funktion mit den Nullstellen x1 = 2, x2 = 3 und x3 = 4 bereits durchgeführt worden, und nun soll zwecks Übung zu einer Funktion 4. Grades übergegangen werden.
    Da muss doch die Überlegung einsetzen: wie können wir uns das Leben einfach machen, also nicht noch mal alle Nullstellen ausrechnen, sondern die Ergebnisse der kubischen Funktion nutzen?
    Doch wohl, indem wir eine Funktion 4. Grades nehmen, die dieselben Nullstellen x1 = 2, x2 = 3 und x3 = 4 sowie beispielsweise zusätzlich die Nullstelle x4 = 5 hat. Und aus dieser Funktion 4. Grades "ziehen" wir nun natürlich als erstes die "neue" Nullstelle x4 = 5 raus (mittels Polynomendivision durch [x-5] ) - und übernehmen dann die bereits bekannten Ergebnisse der kubischen Funktion.


Zum expliziten Unterricht gehören des weiteren ausdrückliche Forschungsfragen bzw. ein regelrechtes (langfristiges) Forschungsprogramm:

  1. Beispiel:

Wir können bereits Minima bzw. Maxima von Parabeln berechnen (Scheitelpunktsform). Gibt es auch ein Mittel zur Minimaxberechnung bei ganzrationalen Funktionen höheren Grades?
(Ableitungspropädeutik)
Welche definierende Eigenschaft hat ein Minimum bzw. Maximum denn bei Parabeln - und müssten auch bei Funktionen höheren Grades gelten?

  1. Beispiel:

Angenommen, es steht bereits die Erkenntnis

Eine Funktion 3. Grades ist genau dann punktsymmetrisch zum Ursprung, wenn sie nur rein ungerade Exponenten hat (also y = ax3 + bx1)

(wobei hier mal uninteressant sei, wie diese Erkenntnis erlangt wurde und welchen Nährwert sie hat;
allerdings sollte diskutiert worden sein:

Dann stellt sich (?) doch die Frage:

Gibt es auch eine analoge Aussage für Funktionen nächsthöheren, also 4. Grades - und wie könnte die analoge (und dann noch zu beweisende) Aussage aussehen? Was heißt also "analog"?

Rekurierend auf die Grundeigenschaften von Funktionen 4. Grades müsste es natürlich heißen:

Keine Aufgabe mehr ohne anfängliche Überlegungen zu Grundeigenschaften und Lösungsmöglichkeiten!
Das stumpfe Rechnen von Unverstandenem wird verweigert - wodurch der Unterricht keineswegs einfacher, sondern durchaus anspruchsvoller wird
(und einige stumpfe Rechenknechte aus den "guten" MathematikerInneN ausgesondert werden).


Man sage, was man nicht tut, d.h.

Vgl. auch .

Und man tue es dann doch ansatzweise: beispielsweise sind SchülerInnen der 6. Klasse durchaus schon fähig (und allemal interessiert, ja durch solche einen Vorgriff stolz), Grundzüge der irrationalen Zahlen zu verstehen.