Thesen und Fragen |
wenn ich im Folgenden Probleme aufzeige,
so sind das immer auch meine Probleme
der beste Grund für neue/andere Methoden
ist die Unzufriedenheit mit den alten
(bzw. ihren offensichtlichen Ergebnissen)
die Problemlage
"Selbstlernen" und Konstruktivismus
Eingrenzung und Differenzierung des Begriffs "Selbstlernen"
die alten Methoden
Verwechslung von "selbst" und "allein"
methodisches Lernen mathematischer Methodik
kann man alles "selbstlernen"?
Lernen lernen
das Anwendungsproblem
methodischer Schnickschnack
konkret werden
Perspektiven
selbstständig, eigenständig, eigenlebig (schweiz.), frei, ungebunden, unbehindert, ungehindert, unabhängig, für sich allein, absolut, souverän, schrankenlos, uneingeschränkt, unumschränkt, unbeschränkt, eigenmächtig, übergeordnet, autonom, autark, emanzipiert, unangepasst, unbequem, nonkonformistisch, eigenwillig, nicht unselbstständig; aufgeklärt, eigenmächtig, schöpferisch, unbedingt, unbeliebt, unzugänglich; Schrittmacher; selbstständig werden, sich loslösen / lösen / losmachen von, sich freischwimmen, sich freischreiben, loskommen von, abnabeln, die Nabelschnur durchschneiden / durchtrennen; Aussteiger; selbstständig sein, freie Bahn / Hand haben, unabhängig / nicht eingeschränkt sein, sein eigener Herr sein, auf eigenen Füßen / Beinen stehen, privatisieren; sich selbstständig fühlen, sich nichts mehr sagen lassen, jemandem (seinen Eltern o. ä.) über den Kopf wachsen; selbstständig machen, unabhängig machen, emanzipieren, befreien, gleichberechtigt stellen; nicht selbstständig sein, abhängig sein, nach jemandes Pfeife tanzen müssen, in jemandes Kielwasser schwimmen; etabliert; Außenseiter, Emanzipation, Frauenrechtlerin, Hilfe.
© Dudenverlag
trotz all der neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung (nicht erst) aus der "decade of the brain" wissen wir auch weiterhin nur ansatzweise, wie das Gehirn arbeitet - und damit trotz aller interessanten Lerntheorien auch kaum, was (Selbst-)Lernen eigentlich ist und wie es funktioniert; eine eindeutige Definition des Selbstlernens ist also in näherer Zukunft kaum zu erwarten; vgl. dennoch den Versuch einer genaueren Begriffsbestimmung.
noch weniger ist bekannt, wie (mit welchen Methoden) dieses "Selbstlernen" initiiert werden kann;
nur sehr wenige Selbstlernmethoden sind ausgearbeitet, und mangels sonstiger Masse werden sie nun bis zum Geht-nicht-Mehr eingesetzt;
zwar gibt es eine Fülle oftmals unscheinbarer, aber wirksamer Methödchen, von denen man aber leider in den seltensten Fällen erfährt, weil all die EinzelkämpferInnen "an vorderster pädagogischer Front" ihre Erfahrungen kaum für mitteilenswert halten - und deshalb das Rad oftmals immer wieder für sich neu erfinden;
allzu oft werden nur die Hochglanz-Planungen von Methoden veröffentlicht, nicht aber die Probleme geschildert, die sich auch bei den besten Methoden im konkreten Unterricht ergeben (vgl. etwa "mit Methode scheitern");
häufige Folge der "Großmethoden" ist, dass zu wenig bedacht wird, was doch den Fluss des eigentlichen Unterrichts ausmacht: die Details und verschiedensten ad-hoc-Situationen (vgl. "Abschied von den »Großmethoden«?).
"Selbstlernen" und Konstruktivismus
(merke: Richtlinien sind vor allem dazu da,
das rauszusuchen, was als Anregung oder Legitimation für den eigenen Weg dienen kann,
die Lücken in ihnen zu suchen)
basieren explizit auf konstruktivistischen Ansätzen:
"Lernen ist konstruktiv
Lernen ist eine Aktivität der Lernenden selbst und nicht eine passive Übernahme von Informationen. Insofern können die Lehrenden Hilfestellungen geben, aber nachhaltige Lernleistungen kann es nur geben, wenn die Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler im Unterricht angeregt wird."
(S. 31)
Solch konstruktivistische Ansätze sind dabei gleichzeitig Problem und Herausforderung:
das mehrfache Problem:
dass geglücktes Lernen letztlich immer "selbst" geschieht (es muss schließlich im individuellen Kopf "ankommen"), ist nachgerade schon eine Banalität, die auch durch permanente Wiederholung nicht intelligenter und hilfreicher wird;
gerade weil die Forderung nach Selbstlernen so banal ist, verkommt sie schnell zu einem pädagogischen Schlagwort à la "Qualität" oder "Effizienz": es bleibt weitgehend unklar, wie Selbstlernen
denn konkret funktioniert,
durch eine Lehrmethode initiiert werden kann;
ein fataler Nachteil wohltönender, aber letztlich inhaltsleerer Worte (also auch von "konstruktivistisch") ergibt sich schnell, wenn sie
sich als aufspielen und die Messlatte allzu hoch legen und damit schnell ihr eigenes Anliegen diskreditieren, weil die Umsetzung im pädagogischen Alltag nie den hohen Forderungen gerecht werden kann;
letztlich sogar beschämend wirken:
"mein Unterricht ist nicht so (wird nie so sein), wie er sein sollte";die PraktikerInnen bei der konkreten Umsetzung allein im rauen Wind des pädagogischen Alltags stehen lassen;
die Herausforderung besteht hingegen darin, Unterricht wieder mehr von den SchülerInnen aus zu denken als üblich bzw. alltäglich. Das ist (wie der ganze "konstruktivistische" Ansatz) nicht völlig neu (und schon gar nicht ein Patentrezept), aber doch immer wieder ein guter Tipp bzw. eine notwendige kritische Anfrage an unser pädagogisches Handeln.
Eingrenzung und Differenzierung des Begriffs "Selbstlernen"
In den Richtlinien ist es doch auffällig, dass der Begriff "Selbstlernen" dort nie wortwörtlich auftaucht.
Vielmehr ist dort die Rede von
Selbstverantwortlichkeit,
Selbstständigkeit,
Selbsttätigkeit und auch
selbstständigem Lernen, Arbeiten ...
Ein guter Tipp, um herauszufinden, was Selbstlernen eigentlich ist bzw. welche verschiedenen Ansätze es da gibt, ist es nebenbei, mal zu überlegen bzw. sich dabei zu beobachten, wie man (als Lehrkraft, aber auch als ehemaligeR SchülerIn/StudentIn und lebenslänglicheR LernerIn) denn eigentlich selbst gerne und erfolgreich gelernt hat bzw. (bei einem komplexen, bisher unbekannten Stoff wie z.B. der Quantentheorie) lernt.
Da werden schnell massive individuelle Unterschiede zu Tage treten, was beispielsweise am Leistungsdruck deutlich wird: Den einen beflügelt solch äußerer Druck, den anderen lähmt er.
Da Selbstlernen prinzipiell individuell ist (wenn auch oftmals in einer Gruppe bzw. Klasse), kann es nicht die Lehrmethode geben, die eine (eindeutige) Lernmethode unterstützt. Vielmehr ist wohl zu unterscheiden nach
visuell (vgl. z.B. )
(neben der Rechengeschwindigkeit und der Erledigung stumpfer Rechnungen sicherlich der zentrale Vorteil neuer Medien);haptisch (vgl. z.B. )
(vermutlich im konventionellen wie neuen Unterricht zumindest gleichermaßen vernachlässigt; sicherlich dient die Oberstufe zusätzlich der Abstraktion, was aber doch haptisches [fast hätte ich gesagt: ganzheitliches] Vorgehen nicht ausschließt);akustisch
(im konventionellen Unterricht genauso überbetont wie im neuen Unterricht vermutlich unterbetont).
Daraus folgt, dass mehrere methodische Ansätze sich (nicht nur, um Langeweile zu vermeiden) abwechseln und parallel ergänzen müssen.
Eine Schwierigkeit besteht dabei allerdings darin, gleichzeitig einer Großzahl verschiedener individueller SchülerInnen in oft zu großen Kursen gerecht werden zu sollen. Vielleicht hilft da die Einstellung: "Mal ist für dieseN, mal für jeneN was dabei (Abwechslung, Schrotschussladung)".
Und die weitere Schwierigkeit besteht darin, dass einE LehrerIn vermutlich automatisch vor allem seinen eigenen Lerntypus "versorgt". Da wird man sich einerseits immer wieder daran erinnern müssen, dass andere Menschen anders lernen (und ihnen "Futter" geben müssen); andererseits ist es nur gut, dass SchülerInnen verschiedene und sich abwechselnde LehrerInnen haben.
Die Vielfalt der Methoden impliziert auch, dass die konventionellen Methoden keineswegs überholt sind, sondern an entsprechender Stelle im Unterrichtsverlauf durchaus noch ihren Platz haben
(die Rahmenrichtlinien schließen sie keineswegs aus, sondern gehen nur nicht näher auf sie ein, weil sie allgemein bekannt sind).
Der klassische "fragend-entwickelnde" Unterricht (vgl. auch "Fragen, Fragen, nichts als Fragen") muss nicht automatisch nur stumpfer Nachvollzug einer vorgegebenen Denkrichtung und einfach nur suggestiv sein
(so dass es - sicherlich ein Hauptgrund für Schülerschweigen - den SchülerInnen zu dumm ist, auf solche Fragen überhaupt noch zu antworten).
Sondern der fragend-entwickelnde Unterricht kann auch die Fiktion des Selbstentdeckens erzeugen, wenn er im sokratischen Sinne mäeutisch ist, also den Geburtshelfer für die eigenen Gedanken der SchülerInnen "spielt"
(vgl. auch "sokratisches Fragen" sowie "Bekenntnis zur guten alten Methode des UNTERRICHTSGESPRäCHS").
Eine gute Lehrkraft kann sich nämlich sehr wohl teilweise in die Fragen und Probleme ihrer SchülerInnen hinein denken
(u.a. auch deshalb, weil sie sich an eigene frühere Probleme erinnert und immer noch nicht alles versteht bzw. noch staunen kann).
Wenn die Richtlinien Selbstlernen als "Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler" oder "Selbsttätigkeit" definieren, so wäre es eine völlige Verengung der Begriffe "Eigenaktivität" und "Selbsttätigkeit", wenn man darunter ausschließlich äußere Tätigkeit verstünde: Nicht mess- und sichtbare Denkaktivität ist auch eine Eigenaktivität bzw. Selbsttätigkeit
(womit selbstverständlich nicht einem Unterricht das Wort geredet werden soll, in dem SchülerInnen wie Salzsäulen stillsitzen).
Bei allem Bemühen um Methodenvielfalt wird es wohl immer Sonderbegabungen geben: die eine oder andere Lehrkraft ist nun mal einE begabteR RednerIn bzw. kann besonders gut Zusammenhänge in bunten und hintergründigen Lehrervorträgen darstellen.
All das wird hier nur eingewandt, damit der Begriff des "Selbstlernens" nicht allzu eng gezogen wird. Umgekehrt wird er aber natürlich völlig aufgeweicht, wenn ihm jetzt auch noch alle konventionellen Verfahren subsummiert werden. Dann ist letztlich jede Methode eine Selbstlernmethode - und braucht man gar nichts zu ändern.
Wie überall sonst im Leben ist auch bei Methoden Pluralismus gefordert - der keineswegs mit Beliebigkeit zu verwechseln ist.
Das Problem ist nur, dass die meisten Radikalvertreter "neuer" Methoden die "alten" Methoden zwar vordergründig auch gelten lassen, durch die Blume aber als reaktionär abwerten.
Weil es aber nicht (feige?) bei der bloßen Differenzierung des Begriffs "Selbstlernen" bleiben kann, siehe einen Versuch einer genaueren Begriffsbestimmung.
Verwechslung von "selbst" und "allein"
"Bildung ist ein Wort, das doppelte Bedeutung hat. Zunächst einmal ist Bildung das, was man selbst gemacht hat: Damit wird der Prozess des Machens bezeichnet. Es meint aber auch dasjenige, was dabei entstanden ist. Das heißt, Bildung drückt aus, dass man immer im Prozess des Lernens bleiben muss: Im Gespräch mit anderen Menschen versucht man sich fortzuentwickeln. Gebildet ist also für mich jemand, der dann auch ein Bild hat von dem Thema, über das er sprechen möchte: der also z. B. ein Bild von den Naturwissenschaften hat und über dieses Bild mit jemand anderem sprechen möchte. Die einfachste Form der Definition von Bildung ist daher: Gebildet ist und wird derjenige, der mit jemandem sprechen möchte, der ebenfalls gebildet ist." "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott" (also keiner?) |
Wenn jemand gefragt wird, wann er etwas "selbst" gelernt habe, wird er sich vermutlich vor allem an Situationen erinnern, in denen er allein gelernt hat.
Das liegt wohl vor allem daran, dass die Frage
"Wann hast Du etwas selbst gelernt?"
insbesondere durch die Betonung des "selbst" suggestiv ihr Gegenteil anklingen lässt:
"... und hast es nicht beigebracht bzw. vorgemacht bekommen bzw. dir helfen lassen".
Bei dem "selbst" schwingen wohl auch Assoziationen mit an
positiven Heimwerkerstolz ,
aber auch die nur scheinbare völlige Autarkie des "lonesome cowboy" , d.h. da ist sich jemand seiner sozialen Abhängigkeit und Bedingungen (bzw. zumindest der aller jugendlichen Lernenden) nur nicht bewusst: selbst das "einsame Genie" ist aber eben auch ganz "Kind seiner Zeit".
Steht die Betonung des Allein- wie des Selbstlernens nicht in einer immerhin zu reflektierenden Nähe zum ja immerhin auch fraglichen ("humanistischen" bzw. idealistischen) Bildungsbegriff der deutschen Klassik?:
"Es ist [...] ein individualistisch-solipsistischer, auf die Vervollkommnung des einzelnen geistigen Wesens gerichteter Begriff. Die Sozialität des Menschen, seine »ungesellige Geselligkeit«, seine Herrschaft über andere Menschen kommen als entscheidende Kategorien von Bildung und Bewusstwerdung nicht vor [...]"
(Werner Kutschmann: Naturwissenschaft und Bildung; Stuttgart 1999; S. 70)
Immerhin fügen die Richtlinien da aber andauernd hinzu, was manchmal allzu leicht übersehen wird: soziales Lernen, d.h. Lernen von Kommunikation und in Kommunikation.
Um nicht systematisch missverstanden zu werden:
Selbstverständlich sind solche wirklich eigenen, ganz allein geleisteten Lernerfolge ungeheuer wichtig:
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Wo eigentlich erleben SchülerInnen das im Unterricht und wie kann man es anregen?:
"Ich bin zwar nicht Weltspitze [so genial wie Euklid oder Newton], aber doch mit einigem Stolz »Avantgarde meiner selbst«, d.h. habe meine Grenzen ausgetestet und überschritten."
Sehr wichtig ist es da nebenbei, solche "Grenzüberschreitung" in einem historischen Rückblick auch mal bei Genies gesehen zu haben, denen auch nicht alles zugeflogen ist und die uns daher ermutigend nahe sind.
Dennoch ist es wohl ein Irrtum, "selbst" allzu sehr auf "alleine" zu verdichten:
Sogar wenn ich "alleine" z.B. aus einem Buch gelernt habe, geschah das oftmals dennoch dialogisch, nämlich im fiktiven Zwiegespräch mit dem Autor bzw. Erzähler. Gute populärwissenschaftliche Bücher zeichnen sich ja oftmals gerade dadurch aus, dass sie den Leser freundschaftlich bei der Hand nehmen (auch seine Gedanken voraus ahnen bzw. sie provozieren) und begleiten.
Vieles Lernen findet - und daran ist ja gar nichts auszusetzen - um der sozialen Anerkennung willen statt
(und zwar insbesondere bei Jugendlichen, die genau heraushören, was Eltern und LehrerInnen, aber auch Peergroupmitglieder tatsächlich oder vermeintlich wollen).
Dieser soziale Hintergrund liegt oftmals selbst dann vor, wenn das eigentliche Lernen allein stattfindet.
Ein Lernen rein um der Sache willen und nur dazu, um sich selbst etwas zu beweisen, findet oftmals erst sehr spät (jenseits des 20. Lebensjahrs) statt, ja macht vielleicht überhaupt erst ein "erwachsenes" Lernen aus.
Nicht umsonst betonen die Richtlinien auch in Mathematik das soziale Lernen fast genauso sehr wie das selbstständige Lernen, und zwar
zuerst als Selbstzweck neben der Mathematik und wohl auch ergänzend-korrigierend zur persönlichen und nur fachlichen Dimension:
"Die gymnasiale Oberstufe fördert den Bildungsprozess der Schülerinnen und Schüler in seiner persönlichen, sozialen und fachlichen Dimension."
(S. XI)Dabei wird insbesondere die soziale Verantwortung hervorgehoben.
Soziales Handeln kann anhand von Fächern (die dann sozusagen "nur" Anlass sind) gelernt werden, die dann "Mittel zum Zweck" des sozialen Lernens sind:
"Wissenschaft [also auch die Mathematik] soll auch als soziale Praxis erfahren werden, die auf spezifische Weise eine Verständigung über unterschiedliche Positionen und Sichtweisen ermöglicht."
(S. XIII)
Aber mehr noch, soziales Handeln ermöglicht teilweise auch überhaupt erst fachliches Lernen, ist also kein Luxus neben den Fächern, sondern macht sie teilweise auch aus:
"Soziale Interaktion kann zu einem Prozess der Konstruktion und Veränderung von Wissen führen [...]"
(S. 33)Dass Fachwissen sozial konstruiert wird, ist nicht nur praktisch ("vier Augen sehen mehr als zwei"), sondern im Zeitalter von Arbeitsteilung, Spezialisierung und Teamarbeit zunehmend unabdingbar und unumgänglich.
Das Problem besteht bislang aber darin, dass "soziales Lernen" meist eine Floskel bleibt, die über ein
windelweiches (dort ja halbironisches) "wir ham uns lieb"
bzw. (letztlich nur als Notwehr der Lehrkraft) "jetzt seid doch bitte, bitte endlich mal nett zueinander (und natürlich vor allem mir)"
kaum hinaus geht. Soziale Methoden wirken oftmals nur aufgesetzt und beliebig (auch beliebig übertragbar), statt an den Stoff gekoppelt zu sein und dort zu erkennbaren Vorteilen zu führen ("vier Augen sehen eben doch mehr als zwei").
Insgesamt kann es also durchaus mal (als eine Methode unter vielen) wichtig sein, alleine lernen zu lassen.
Versuche mit e-learning (weitgehend solistisches Lernen von zu Hause aus mittels Computer) scheinen aber zu zeigen, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, wenn man die persönlich-soziale Ebene
einerseits von SchülerInneN untereinander,
andererseits aber auch zwischen SchülerIn und LehrerIn
völlig abschafft bzw. nur noch auf virtuellem Wege ermöglicht.
(Und man wird doch leise und ohne Unterstellung anfragen dürfen, ob e-learning vor allem propagiert wird, um LehrerInnen überflüssig zu machen, also Geld zu sparen.)
Die SchülerInnen tun dann verzweifelt alles, um doch wieder reale soziale Kontakte herzustellen bzw. die Virtualität zu unterlaufen
(was ja kein prinzipieller Einwand gegen e-learning ist, sondern nur zeigt, dass es wohlüberlegt sozial flankiert werden muss).
Verstünde man unter Selbst- immer mehr nur Alleinlernen, so hieße das in der Quintessenz:
"Hier hast du eine CD - und nächste Woche ist Abitur darüber."
Eine spezielle methodische Gefahr sehe ich auch in eisern vorstrukturierten, "programmierten" Lehrgängen (auf Computern, in html-Form), die speziell für das Alleinlernen geschaffen wurden. Da beißt sich sozusagen die Katze in den eigenen Schwanz:
weil der "Kunde" allein lernt, also nicht nachfragen kann, muss ihm alles erklärt und in äußerster Stringenz "vorgekaut" werden,
weil ihm alles "vorgekaut" wird, hat er nicht die mindeste Chance, selbstentdeckend Seitenwege zu gehen: da ist keiner mehr, der darauf reagieren könnte.
Kommt hinzu, dass Computer(-programme) bisher kaum geeignet sind, eine "intelligente" Nutzerführung umzusetzen. Viele "gute", d.h. bestens erklärende und (mangels Rückfragemöglichkeit) strikt vorstrukturierte Computer-Lerneinheiten "würgen" zudem jedes auch nur ansatzweise selbstständige Denken ab, indem sie (weil nicht voraussehbar) keine Nebenwege und auch individuelle Fehler zulassen. Sie sind allzu suggestiv, die SchülerInnen schauen nie über den "Tellerrand" hinaus.
Und Hyperlinks eröffnen ja meist keine dynamischen Seitenwege, sondern führen nur in die Unüberschaubarkeit.
Zentraler Dreh- und Angelpunkt des fachlich-sozialen Selbstlernens ist und bleibt (immer mal wieder und solange kaum andere sinnvolle soziale Methoden vorliegen) die Lehrkraft, die
weder durch Computer ersetzt werden kann (und darf)
noch zum gruppendynamischen Moderator degeneriert
(obwohl sie selbstverständlich und vielleicht sogar zunehmend auch soziale Kompetenzen vermitteln und anregen sollte).
(Und dennoch waren und sind die ja keineswegs neuen kritischen Anfragen an die traditionelle Lehrerrolle enorm wichtig:
"Hilfe zur Selbsthilfe, pädagogischer Begriff für die nicht autoritär eingreifende, sondern anleitende Hilfestellung des Pädagogen zur Selbsttätigkeit des Kindes.
Die selbstmotivierte Tätigkeit des Kindes wurde bereits von Johann Pestalozzi und Friedrich Fröbel gefordert, dann insbesondere von Maria Montessori und der Schulreformbewegung aufgegriffen und zum Ziel pädagogischer Arbeit erklärt (Montessori-Pädagogik). Dem Ideal der Selbsttätigkeit steht allerdings die Hilfebedürftigkeit gegenüber, so dass es auch innerhalb der modernen Pädagogik Kontroversen über das Ausmaß und die Methodik der Hilfe zur Selbsthilfe gibt.
Unstrittig ist, dass die Hilfe zur Selbsttätigkeit sich in ihrer Gestalt und in ihren Aufgaben alterskonform zu den Kindern verhalten muss. Nur bei einer inneren Anteilnahme des Kindes an den zu lösenden Aufgaben lässt sich Selbsttätigkeit anregen. Wichtige neuere [!] Überlegungen zur Selbsttätigkeit wurden u. a. von den Pädagogen Gaudig und Georg Kerschensteiner angestellt."
Andreas Nohl; Microsoft Encarta)
Vielmehr ist die Lehrkraft auch als Fachfrau/-mann und sogar als soziale und disziplinarische Autoritätsperson gefragt, wobei Autorität
- das zu leugnen, hieße sich selbst belügen - einerseits qua Amt vorhanden ist (eine eingeforderte Autorität),
andererseits aber auch im Sinne von Vorbild gemeint ist (eine vom "Untergebenen" frei zugestandene oder aber verweigerte Autorität).
Wer sonst, wenn nicht die Lehrkraft, soll auf individuelle und situative Probleme eingehen und SchülerInnen begleiten, bei ihnen Forderungen anmahnen bzw. sie zu Höchstleistungen anstacheln?!
Man erinnere sich: Gelungenes Selbstlernen war oft an überzeugende Lehrkräfte gebunden, die
menschlich "interessant", wenn schon nicht vorbildlich waren,
ihr Fach beherrschten und offensichtlich liebten,
Schwieriges einfach machen konnten,
einen freundlich und überzeugend in die Pflicht nahmen und
um deren Anerkennung (auch durch Schulnoten ausgedrückt) man buhlte.
Das hat - nebenbei - keiner so sehr betont wie Goethe.
Einerseits ist es sehr wichtig, dass die Richtlinien an eine grundlegende Gleichheit von SchülerInnen und LehrerInnen erinnern:
"Mathematikunterricht [...] verlangt ein partnerschaftliches Umgehen der Lehrenden und Lernenden miteinander. Dazu ist eine Unterrichtskultur erforderlich, die gekennzeichnet ist durch gegenseitige Wertschätzung, Akzeptanz und Bereitschaft aufeinander einzugehen."
(S. 33)
Und dennoch gibt es
systemimmanent (schließlich gibt die Lehrkraft Noten),
aber auch konstitutiv für den Lernprozess
eine gewisse Asymmetrie zwischen LehrerIn einerseits und SchülerIn andererseits. Als Idealbild der Lehrkraft erscheint mir noch immer der "Mentor":
Mentor, Gestalt der griech. Mythologie; Freund des Odysseus, der ihm für die Zeit seiner Abwesenheit von Ithaka die Sorge für [...] Telemach [seinen Sohn] überträgt; sprichwörtl. gewordener Ratgeber und väterl. Freund.
© Meyers Lexikonverlag
Ein Ratgeber und väterlicher Freund ist aber eben nicht einfach nur gleichberechtigter Partner. Da hinken sämtliche erreichbaren Lexikondefinitionen: Ein Vater kann letztlich nie (völlig gleichberechtigter) Freund sein. Mit "väterlicher (bzw. mütterliche) Freund(in)" lügt man sich also um die Realität herum, ja, biedert sich geradezu an.
Man könnte auch sagen: Besser eine schlechte Lehrkraft als gar keine:
ergänzen und relativieren sich die verschiedenen Lehrercharaktere gegenseitig bzw. wechseln sich in regelmäßigem Turnus ab;
"Ich hatte eine schlechte Schule.
Das war eine gute Lehre."
(Arnfried Astel)
Auffällig ist allerdings, dass "soziales" Lernen zwar häufig lauthals gefordert, aber kaum je (sieht man vielleicht mal von "Gruppenpuzzles" ab) konkret inhaltlich gefüllt wird. Was genau (welche Eigenschaften) sollen die SchülerInnen da lernen, wie sieht das genaue Procedere im Unterricht aus?
Wie also schreibt man z.B. Höflichkeit oder Teamgeist nicht vor, sondern initialisiert sie und lässt sie (durch positive Erlebnisse) wünschenswert erscheinen? Und wie geht man mit offensichtlich unsozialem Verhalten um? Denn um die ganz normalen Probleme in Klassen drückt man sich ja gerne in der "offiziellen" Pädagogik. Vielmehr wird allzu leicht suggeriert, SchülerInnen seien immer aufnahmebereit und nur die Lehrkraft könne Fehler machen.
Ein konkretes Beispiel:
Jede Hilfe ist schon dialogisch, also sozial;
SchülerInnen sollen (das sagt sich so leicht) einander helfen.
Aber wie genau soll das aussehen?:
Wie kommen Ratsuchender und Helfer zusammen?
Wie kann man erreichen, dass der Helfer nicht nur "vormacht"?
Wie kann das Helfen auch für den Helfer einen Gewinn bringen, es ihm also sachlich wünschenswert erscheinen?
Wie kann der Ratsuchende die Hilfe als Bereicherung statt als Beschämung empfinden?
(Sind die beiden letztgenannten Punkte erreichbar, indem statt immer einseitiger Hilfe gemeinsame Forschungen betrieben werden?)
(Wie) Ist eine gegenseitige Hilfe initialisierbar?
Wie entscheidet sich - und wer entscheidet es -, wann doch wieder die Lehrkraft gefragt wird?
Wo kann die Hilfe Dritter (auch von Büchern und Programmen) genutzt werden?
Wie wird sie ihrerseits reagieren (also z.B. an KurskameradInnEn zurückverweisen)?
und welcher genauen Anweisungen bzw. Vereinbarungen bedarf es da jeweils?
Unbedingt nötig scheint mir, die Hilfen ausdrücklich zu besprechen und explizit weiter zu entwickeln (vgl. auch "offene Hilfen")
methodisches Lernen mathematischer Methodik
Zwar spielt das Selbstlernen in den (neuen) Richtlinien aller Fächer eine bedeutende Rolle.
Gleichzeitig wird es in den Richtlinien aber immer eng an das jeweilige Fach gebunden:
"[...] die erforderlichen Arbeitsmethoden problemangemessen [...] auszuführen [...]"
(Richtlinien, S. XII)
Eine Methode ohne Inhalt bleibt freischwebend und beliebig - und wird schnell langweilig:
"Müssen wir heute schon wieder diskutieren?"
Methodik und Didaktik können nicht entkoppelt werden, sondern sollten einander gegenseitig bedingen:
ein bestimmter mathematischer Inhalt fordert eine bestimmte Methode bzw. legt sie zumindest nahe; ein anderer Inhalt fordert hingegen eine ganz andere Methode;
und umgekehrt: eine bestimmte Methode lässt sich nicht beliebig über alle Inhalte stülpen, sondern "schreit" nach besonders geeigneten Inhalten. Kann beispielsweise ein und dieselbe Methode sowohl für Übungs- als auch Entdeckungsphasen geeignet sein (vgl. unten "kann man alles selbstlernen?")?
Dabei ist die Richtung Inhalt → Methodik ja durchaus üblich:
"Ich weiß [als LehrerIn], was ich »beibringen« will und muss, die Frage ist nur: »Wie sag´ ich´s meinem Kinde [den SchülerInnen]?«"
Zu fragen wäre aber wohl auch mal umgekehrt (Methodik → Inhalt):
"Welche Methode ist wichtig - und welcher Inhalt würde dazu passen?"
Das gilt insbesondere, wenn es um zentrale mathematische Methoden geht.
Im Hinblick auf den Inhalt Mathematik folgt aus all dem:
für die Mathematik ist vermutlich nicht jede Methode geeignet;
die Mathematik bedarf vielleicht ganz spezieller Methoden
(und es wäre jeweils zu überprüfen, welche Methoden von anderen Fächern bzw. welche ganz allgemeinen Methoden übernommen werden können - und welche nicht).
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Richtlinien für das Fach Mathematik unter "Methode" meist weder eine Lehr- noch eine Lernmethode, sondern eine spezifisch mathematische Denk-, Forschungs- und Vorgehensweise verstehen:
"[...] eine Orientierung im Hinblick auf die relevanten Inhalte, Fragestellungen, Kategorien und Methoden der jeweiligen Fachbereiche [in unserem Fall Mathematik!] [...]."
(S. XII)"[...] Darstellung von mathematischen Methoden und Lösungswegen."
(S. 29)"Methodenorientierung bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler sich am Medium der Unterrichtsinhalte die geforderten fachlichen und fächerübergreifenden Methoden und die notwendigen Arbeitshaltungen und -dispositionen aneignen."
(S. 31)
Bemerkenswert am letzten Zitat ist, dass da die Unterrichtsinhalte probeweise nur als "Medien" der Methoden gesehen werden. Vielleicht sind also die spezifischen Fachmethoden (in den Richtlinien teilweise als "Ideen" genannt) sogar wichtiger als die reinen Fakten und Rechenverfahren (die allerdings wichtiges Handwerkszeug bleiben).
Es fragt sich, ob wir MathematiklehrerInnen nicht langsam betriebsblind sind, also einen festen inhaltlichen Kanon voraussetzen und deshalb zu wenig bedenken oder zumindest vermitteln, dass viele Inhalte nur exemplarisch viel wichtigeren mathematischen Methoden dienen.
(Ich habe es erlebt, dass MathematiklehrerInnen - u.a. wohl aufgrund des permanenten Stoffdrucks - bei der Vorstellung der neuen Richtlinien ausschließlich am inhaltlichen Kanon interessiert waren ["was muss ich neu bzw. nicht mehr machen?"], die [auch mathematik-]methodischen Anregungen aber völlig ignorierten.)
Es wäre also probeweise mal zu fragen bzw. wieder bewusst zu machen (und aufzulisten):
Welche mathematischen Methoden sind besonders wichtig und sollen vermittelt bzw. immer wieder geübt werden - und welche Inhalte können da besonders dienlich sein - oder entrümpelt werden (vgl. auch "Stoffbegrenzung tut not")?
Welche Selbstlernmethodik ist geeignet, um welche mathematische Methodik zu vermitteln?
(Denn letztlich wollen wir noch immer Mathematik beibringen!)
kann man alles "selbstlernen"?
Oben war gesagt worden, dass verschiedene (mathematische) Inhalte automatisch verschiedene Methoden nach sich ziehen. Beispielsweise wird wohl für eine Informationssammelphase eine andere Methode günstig sein als für eine Übungsphase.
Gleichzeitig wäre allerdings - und nicht nur rhetorisch - zu fragen, ob überhaupt jeder Stoff "selbstlernend" vermittelt werden kann.
Provokativ gefragt:
Schlägt nicht irgendwann - und zwar immer dann, wenn es um die "eigentliche" Mathematik geht - wieder die Stunde des Lehrervortrags bzw. des fragend-entwickelnden Unterrichts?
Sind - so gesehen - Selbstlernmethoden letztlich nur eine Verzierung und ein zwar hübscher, aber letztlich überflüssiger Luxus?
Oder noch böser:
"Liebe SchülerInnen, jetzt hören wir auf mit all diesem motivatorischen Selbstlernquatsch, und jetzt kommt die reindestillierte Wahrheit - die ihr nächste Woche in der Klausur zu beherrschen habt. Basta!"
Ein wohl besonders heikles und bezeichnendes Beispiel: Kann man das "Herz" der Mathematik, also Beweise, "selbstlernend" vermitteln?
Vielleicht gibt es kein anderes Fach, in dem solch ein betonierter Konsens herrscht wie in Mathematik, dass
das (Schul-)Fach endgültig fertig sei
(der Schulstoff ist ja meist schon Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alt)
und die zentralen Erkenntnisse nur von echten Genies leistbar seien
(wer von uns wäre denn ernsthaft alleine auf den Beweis der Irrationalität der gekommen?!).
Oder anders gesagt: in Mathematik gibt es überhaupt nichts mehr selbst zu entdecken, sondern nur noch mehr oder minder geglückten Nachvollzug.
(Eine Mathematikfachschaft hat mal allen Ernstes den Antrag gestellt, von Facharbeiten völlig ausgenommen zu werden, weil man im Fach Mathematik ja "sowieso nur abschreiben" könne).
Woran - wenn die Diagnose stimmt - mag das liegen?
vielleicht daran, dass Leute, die so etwas behaupten, einfach Recht haben: uns bleibt nun mal nur im besten Fall intelligente Variation;
vielleicht daran, dass (Mathematik-)LehrerInnen, fachlich gesehen, nun mal "Etappenhengste" und nicht "Frontschweine" sind, sei´s,
weil sie tatsächlich "Besseres" zu tun haben, nämlich die Vermittlung von (zudem längst etablierter) Wissenschaft,
weil sie (ich auch!) nun mal nur guter intellektueller Durchschnitt sind.
Es kommt halt drauf an, was man unter "selbstlernend" versteht: schränkt man es auf "selbstentdeckend" ein, so wären SchülerInnen bei wirklich genialen mathematischen Entdeckungen und Beweisen wohl heillos überfordert (wie wir LehrerInnen ja wohl auch, womit wir glücklicherweise mit den SchülerInneN im selben Boot sitzen).
Aber
gibt es einen selbstlernenden Nachvollzug (was kein Widerspruch in sich sein muss),
ist dabei immerhin doch die durchaus befriedigende Fiktion des Selbstentdeckens möglich.
Versuche, Sachverhalte (angeleitet) selbst entdecken zu lassen, finden Sie unter
Ein zentrales Problem in der pädagogischen Wirklichkeit ist, dass Selbstlernen eben nicht vorausgesetzt werden kann. Zwei Zitate zu einschlägigen Unterrichtsversuchen sind da:
„[...] bin ich der Meinung, dass Selbstlernen im Mathematikunterricht nur dann möglich ist, wenn die Schüler am Fach Mathematik interessiert [...] und auch bereit sind, sich intensiv mit einer Sache auseinander zu setzen, bis sie sie gelöst haben, ohne vorher aufzugeben.“
„[Die Selbstlernmethode ist] Sehr gut für die guten Schülerinnen und Schüler, problematisch für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler.“
Das liegt sicherlich an persönlichen Interessen, aber auch an schulischen Vorerfahrungen: Wer immer nur Frontalunterricht erlebt hat, weiß nicht, wie Selbstlernen aussehen kann (wie befriedigend es ist) - und will es auch nicht (mehr).
Daraus kann nur folgen: Das Selbstlernen
muss seinerseits gelernt werden,
sollte expliziter Unterrichtsstoff und immer wieder reflektiert werden,
kann nur langfristig und stufenweise erworben werden
(am besten von der Unterstufe, wenn nicht gar der Grundschule an).
Es reicht banalerweise also nicht zu sagen: "Jetzt lernt mal schön selbst (seid spontan!)." Mit der Idee des Selbstlernens hört die Arbeit der Lehrkraft keineswegs auf, sondern fängt sie (zumindest in methodischer Hinsicht) vorerst überhaupt erst richtig an.
Ins Selbstlernen von Mathematik gehen zudem (wie ja auch schon das erste Zitat aus den Erprobungsberichten angedeutet hat) fächerübergreifende Fähigkeiten ein:
"Voraussetzung für wissenschaftspropädeutisches Arbeiten sind Verhaltensweisen wie Konzentrationsfähigkeit, Geduld und Ausdauer, das Aushalten von Frustrationen, die Offenheit für andere Sichtweisen und Zuverlässigkeit."
(Richtlinien, S. XIII)
Beispielsweise wäre dann doch zu fragen: Wie sehen (auch im Mathematikunterricht!) Übungen aus, in denen Konzentrationsfähigkeit nicht bloß vorausgesetzt, sondern trainiert wird? Oder wie lernt man das Aushalten von Frustrationen, wie kann Offenheit für andere Sichtweisen wünschenswert gemacht und als Bereicherung empfunden werden?
(Nebenbei: es scheint mir ein fataler Irrtum, dass es in der Mathematik überhaupt keine anderen Sichtweisen, sondern nur "wahr" oder "falsch" gebe.
Man bedenke nur beispielsweise, wie Cantor seinerzeit für richtige, wenn auch radikal neue Sichtweisen von Profis fertig gemacht wurde.
Oder: ist der Computerbeweis des Vierfarbtheorems überhaupt ein Beweis?)
EinE MathematiklehrerIn kann sich also keineswegs auf rein mathematische Methoden beschränken und einfach voraussetzen, dass die SchülerInnen sonstige grundlegende Methoden schon beherrschen. Sondern MathematiklehrerInnen sind eben auch "AllgemeinpädagogInnEn").
Dazu aber gibt es viele hilfreiche Tipps von Projekten unter dem Titel "Lernen lernen":
"Das Lernen lernen" von Wolfgang Pohl | |
"Lernen lernen" von Andreas Jorde | |
Spaß am lernen (Sammlung kleiner Tipps); | |
Erfolgreich lernen! Aber wie? | |
"Alles über Erfolgsmethoden" | |
lernen-heute | |
Denken, Lernen & Kreativität | |
Literatur und Links zum Thema |
| Als ein Schüler Euklid fragte, was er (der Schüler) denn von der Mathematik "habe", ließ ihm Euklid (natürlich ironisch!) ein Geldstück mit der Begründung geben, der Schüler brauche ja anscheinend von jeder Sache einen Nutzen. |
Ein in vielfacher Hinsicht heikles Problem sind Anwendungsaufgaben, die ja heute (im Zeitalter der einseitigen [ökonomischen] Verwertbarkeit) oftmals so lautstark gefordert werden.
sollten wir MathematikerInnen genug Berufsethos haben, darauf zu bestehen, dass Mathematik erheblich mehr ist (ihre ganz eigene Schönheit hat) als nur eine Hilfswissenschaft; vielmehr ist unter "Anwendung" eben auch zu verstehen, dass eine mathematische Strategie kreativ von einem innermathematischen Feld auf ein anderes übertragen wird; ja, das macht Mathematik ja gerade mit aus.
Hier stellt sich doch - auch und gerade im Hinblick auf Selbstlernen, also das, was da zentral selbst gelernt werden soll - dringend die Frage, was Mathematik eigentlich ist.
Selbstverständlich ist das reine Nützlichkeitsdenken nicht nur kurzsichtig, sondern prinzipiell abzulehnen - und wieder mal Schiller zu zitieren:
„der Mensch spielt nur [und Spiel ist der Inbegriff der Zweckfreiheit], wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt"
Mathematik ist nämlich eben auch ein rein ästhetisches Spiel.
Oftmals wird der Begriff der "Anwendung" viel zu einseitig nur in dem Sinne verstanden, dass die Mathematik auf etwas anderes ("die [sonstige, eigentliche?] Wirklichkeit") angewandt wird
(und sich der Wert der Mathematik daran misst, inwieweit sie bzgl. der außermathematischen Wirklichkeit hilfreich ist),
bzw. es wird die umgekehrte Richtung vergessen:
"»Anwendung« wird [...] in folgendem prägnantem Sinne gebraucht: ein mathematisches Werkzeug, das seine Gegenstände formt, aber auch von ihnen geformt wird."
(Gerd Gigerenzer u.a.: Das Reich des Zufalls)
Mathematik und Außermathematik sind wechselseitig Anwendungen, und dieses Wechselverhältnis ist höchst komplex:
die Mathematik zeigt nicht nur als eine "Hilfswissenschaft", was in anderen Wissenschaften auch ohne Mathematik im "Prinzip" klar wäre (nur kann man es mit Mathematik z.B. noch genauer berechnen), sondern drückt auch - und zwar manchmal durchaus problematisch - diesen anderen Wissenschaften ihren Stempel auf (z.B. den der Berechen- und Quantifizierbarkeit);
die Mathematik macht Details anderer Wissenschaften überhaupt erst sichtbar, ist also deren "Blindenstab" (berechnet z.B. die Position eines vorher noch unbekannten Planeten; oder sie führt aus rein innermathematischen Gründen in eine vierdimensionale Realität, die [wenn überhaupt] erst sehr viel später "anwendbar", aber auch dann nicht anschaulich wird);
die Mathematik erhält ihre Anregungen aus der Anschauung bzw. anderen Wissenschaften; man könnte auch sagen: die Mathematik beutet völlig egoistisch das an der Wirklichkeit aus, was sie gebrauchen kann - und vernachlässigt, ja leugnet den Rest;
Mathematik verallgemeinert Eindrücke der Wirklichkeit, ja sie ist das Strukturierungs- und Verallgemeinerungsinstrument schlechthin;
Mathematik ist (als Verallgemeinerung) eine suggestive Brücke zwischen den Wissenschaften (z.B. könnte doch das, was für die Physik hilfreich ist, auch für die Psychologie aussagekräftig sein; vgl. den Trend, dass Geisteswissenschaften durch Mathematisierung ihre angeblich zweifelhafte "Wissenschaftlichkeit" zurückgewinnen wollen);
die Mathematik kann der Anschauung, dem "gesunden Menschenverstand" bzw. anderen Wissenschaften durchaus widersprechen;
die Mathematik wird an der Wirklichkeit (den Anwendungen) korrigiert (was lange Zeit ein Motor zumindest der Entwicklung der Stochastik war);
die Mathematik nutzt die Wirklichkeit (Anwendungen) "nur" zur Veranschaulichung innermathematischer Sätze (vgl. "Anschauung statt Anwendung"), d.h. Mathematik und (sonstige) Wirklichkeit stehen nicht in einem Kausal-, sondern einem Analogieverhältnis.
Genau solch ein komplexes Wechselspiel wäre aber in einem "anspruchsvollen" (und doch noch "unphilosophischen") Mathematikkurs anhand konkreter Beispiele aufzuzeigen, statt - wie derzeit meist üblich - die Mathematik zur "Hilfswissenschaft" zu degradieren. Ja diesem Wechselverhältnis wäre vielleicht sogar eine ganze Kurseinheit zu widmen (und dafür zeitweise der Stoffdruck bzw. die fachliche Systematik auszusetzen).
Die meisten sogenannten "Anwendungsaufgaben" sind in Wirklichkeit nur "eingekleidete", also völlig von einem mathematischen Sachverhalt aus gedachte bzw. direkt zu ihm hinführende Aufgaben -
was vielleicht ein grundsätzliches Problem ist, weil das Fach letztlich eben doch "Mathematik" heißt und mit gutem Grund deren Systematik im Vordergrund steht,
was aber für die SchülerInnen durchaus auch Vorteile hat.
"eingekleidet" bedeutet dabei, dass
sich das jeweilige Problem so in der Wirklichkeit gar nicht stellt (bzw. sich gar nicht mathematisch stellt) oder
dort auch nicht annähernd (nur komplizierter) so gerechnet wird wie im Unterricht.
SchülerInnen spüren schnell heraus (bzw. wissen es ja von Anfang an), dass die Aufgaben nur "eingekleidet" sind, und fühlen sich dann hereingelegt, was ihre Abneigung gegenüber solchen Aufgaben nur erhöht.
Rein innermathematische Aufgaben sind da oftmals zumindest ehrlicher.Es ist aber geradezu absurd bzw. zum Totlachen, was heutzutage als modische "Anwendungsaufgabe" verkauft wird. Nur ein willkürlich ausgewähltes, aber symptomatisches Beispiel aus dem "Lambacher Schweizer Analysis Leistungskurs" (da unter "Funktionen in Sach[???]zusammenhängen / Untersuchung von Funktionen in realem [???] Bezug"):
"Einem Unternehmen entstehen bei x Produktionseinheiten die Gesamtkosten K(x) (in €). Diese können im Bereich 0 ≤ x ≤ 50 erfahrungsgemäß [???] durch die Kostenfunktion K mit K(x) = 0,044x3 - 2x2 + 50x + 600 beschrieben werden."
Und daran werden dann massenhaft rein innermathematische Fragen angehängt.
Absurd und grotesk (zumindest als Anwendungsaufgabe) ist das, weil
von den konkreten Bedingungen des (welches?) Unternehmens völlig abgesehen wird,
die Kostenfunktion fertig vorgegeben wird und nicht erst erstellt werden muss
(also die Herkunft der Parameter völlig unklar bleibt - nämlich tatsächlich willkürlich ist; bzw. sie wurden nur rein innermathematisch zwecks einfacher Rechnung ausgewählt),alle folgenden Fragen nicht entwickelt, sondern ebenfalls vorgegeben werden,
kein Unternehmen für lausige 50 "Produktionseinheiten" eine Kostenfunktion aufstellt.
(Vgl. Thomas Jahnke: Kleines Aufgabenbrevier; Zur Klassifizierung von Aufgaben im Mathematikunterricht)
Ein Problem von Anwendungsaufgaben ist es oftmals auch, dass es zwar rechnerisch ein Ergebnis gibt
(z.B.: man findet eine Parabelgleichung, deren Graph sich mit dem Bogen einer fertigen Brücke deckt; vgl. ),
dieses Ergebnis aber keinerlei außermathematische Relevanz hat
(Was habe ich von solch einem Parabelbogen, wo die Brücke doch längst fertig ist? Und werden Brücken denn überhaupt auf solche Art konstruiert?).
Echte Anwendungsaufgaben, die ihren Namen wirklich verdienen, sind oftmals hochkomplex (Prozess der Mathematisierung, Schwierigkeit des mathematischen Instrumentariums) und übersteigen somit häufig die schulischen Möglichkeiten.
Die künstlich vereinfachten Aufgaben verhalten sich dann aber oftmals zur Ausgangssituation wie ein Skelett zu einem lebenden Körper.
Es ist wohl ein Irrtum zu meinen, Anwendungsaufgaben erzeugten bzw. erhöhten automatisch das Interesse von SchülerInnen (und seien damit auch schon eine Selbstlernmethode). Wer das sagt, traut doch der Mathematik "an sich" reichlich wenig zu.
Wieso auch soll z.B. eine ökonomische Aufgabe den Spaß an Mathematik erhöhen, wenn einE SchülerIn sich weder für Ökonomie noch für Mathematik (oder sehr wohl für Mathematik, aber nicht für Ökonomie) interessiert?
Insbesondere ist allen Aufgaben zu misstrauen, die sich SchülerInneN modisch anbiedern und in ihrer Jugendkultur fischen. Vgl. etwa auch ein ganz normales Schulheft, das als "Internet-Schulheft"
(mit "Internet-Lexikon" auf der Umschlaginnenseite)
angepriesen wird (und analog gibt es auch "Emotionen"-Schulhefte!).
Da gibt es nur zwei Möglichkeiten:
entweder hält man SchülerInnen mit Recht für dumm,
oder sie werden nicht so dumm sein, sich auf solchem Niveau ködern zu lassen.
Insbesondere in Schulbüchern sorgen solche Aufgaben (wie überhaupt aller Aktualismus) nur für rapide Veralterung.
Seien wir ehrlich: In denjenigen Feldern, für die sich - und das ist keineswegs abwertend gemeint - die allermeisten SchülerInnen lebhaft interessieren (Popmusik, Mode, ihre Peergroup ...), braucht man keinerlei Mathematik.
(Der ungeheure Erfolg der Mathematik [als Basis der gesamten technischen Kultur] liegt merkwürdigerweise ja gerade darin begründet, dass sie unmerklich im Hintergrund abläuft und man sie eben nicht beherrschen muss.)
Vermutlich ist es völlig unmöglich, die Anwendungsinteressen aller SchülerInnen eines Kurses zu treffen.
All das bedeutet ja nicht, dass man gar keine Anwendungsaufgaben mehr behandeln sollte, sondern nur, dass sorgsam überprüft werden muss,
ob sie ihren Namen überhaupt verdienen,
welchem Erkenntnisinteresse sie dienen sollen.
Da die Kultusbürokratie ja immer hektisch IRGENDWAS macht und am allerliebsten das glatte Gegenteil von dem, was sie vor einigen Jahren abgelassen hat, sehe ich schon den Moment kommen, wo es als neuester Schrei ausgegeben wird, Anwendungaufgaben ausdrücklich zu verbieten.
wird dann als billige Pseudoanwendung und unmathematisch gelten - und außerdem als Verunglimpfung der Agrarunternehmer. |
Oben war schon erwähnt worden, dass eine Lehrmethode nie Selbstzweck sein darf. Unreflektierter Gebrauch von Methoden birgt zudem einige Gefahren:
dass Methoden zur Banalisierung führen können
(z.B. bei Textparaphrasen oder puren "Meinungen"),
dass der Inhalt vor lauter Methodik "zerfließt" und man nichts mehr hat, an dem man sich "festhalten" kann und das eine Gruppe miteinander verbindet; das kann auch höchst unbefriedigend sein;
dass Methodik zur Show und die Lehrkraft zum Animateur verkommt: ein aussichtsloser Versuch, da wir gegen Michael Jackson eh nie ankommen werden - und die SchülerInnen das auch gar nicht erwarten, sondern sogar wohl eher verachten. Zudem erzieht ein Animateur ja eben gerade nicht zum Selbstlernen, sondern zur Passivität
(wenn "Animateur" von "animieren" im Sinne von "beleben" kommt, so setzt das was Totes voraus).
Beispielsweise sind Email-Projekte zwischen Kursen dann methodischer Unsinn, wenn es nicht ein gemeinsames leitendes Erkenntnisinteresse gibt und keine gegenseitige Ergänzung absehbar ist.
"Schön, jetzt können Maine und Massachusetts miteinander telefonieren. Aber haben sie sich auch etwas zu sagen?"
(Ralph Waldo Emerson)
Eine Methode ist auch dann Selbstzweck, wenn sie völlig unreflektiert über beliebige Stoffe gestülpt wird: Der zweite oder dritte Einsatz einer Methode beweist noch ihre Übertragbarkeit, der vierte aber nur noch ihre Beliebigkeit.
Einerseits werden auf den hier vorliegenden Seiten (vgl. "konkrete Methödchen") möglichst viele methodische Anregungen gesucht.
Andererseits wäre es aber wohl am wichtigsten, konkrete Anregungen für ganz bestimmte Unterrichtsstunden und -stoffe zu sammeln (die auch erst durch ihre Konkretheit zu analoger Übertragung überzeugen können). Jedes allgemeine Rezept riecht nämlich schnell nach Patentrezept - das sowieso scheitern wird.
"Konkret" heißt immer auch: konkret auf einen Kurs bezogen (Voraussetzungen, Probleme, Erfolge dort). Bisher werden mir bei der Betrachtung von Methoden viel zu wenig die konkreten unterrichtlichen Gegebenheiten betrachtet, also z.B. auch die Tagesform (6. Stunde, große Hitze, direkt nach einer LK-Klausur ...). Es ist doch absurd zu meinen, dass eine bestimmte Methode in sämtlichen Kursen immer völlig identisch ablaufen und glücken wird.
Das wird man durchaus laut sagen dürfen:
es gibt Kurse, die derart leistungsstark und offen sind, dass jede Methode ankommen und wirksam sein wird;
und es gibt welche, bei der jede Methode "Perlen vor die Säue" oder die (methodische) Arbeit zumindest doch ausgesprochen mühsam ist.
Aber es ist wohl eine alte Lehrerkrankheit, sich unter keinen Umständen in die ungezinkten Karten des eigenen Unterrichts schauen zu lassen
(da haben im Laufe von Ausbildung und "Karriere" schon allzu viele hineingeschaut, die zwar keine Ahnung und auch keine echte Qualifikation, aber ein Amt hatten).
Die anderen könnten ja feststellen, dass man auch nur mit Wasser kocht. Dabei ist es doch eine alte Binsenweisheit:
"Und 1. kommt es [die Planung] anders [im Unterricht],
und 2. als man denkt."
Bzw. es macht ja wohl überhaupt erst die gute Lehrkraft aus, im Unterricht flexibel reagieren und aus Fehlern lernen zu können. Zudem gilt wohl auch für LehrerInnen, was für SchülerInnen gilt:
"Die ängstliche Vermeidung von Fehlern kann die Bewältigung eine Problemstellung eher behindern als fördern.
Gerade die Tatsache, einen Fehler erkannt zu haben, kann tiefere Einsicht in die Zusammenhänge vermitteln, Quelle neuer Erkenntnisse sein und zum Ausgangspunkt für weiteres Lernen werden. [...] Insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer können hier Vorbild sein. Auftretende Probleme sollten nicht übergangen werden, vielmehr sollten auch Schülerinnen und Schüler erleben, wie Unterrichtende mit der Situation auftretender Fehler oder Schwierigkeiten umgehen."
(Richtlinien, S. 39)
Preisfrage: Welche Methode würden Sie übernehmen:
jene, die als Patentrezept verkauft wird oder bei der zumindest doch nie die (ganz normalen) Probleme angedeutet werden;
jene, deren AutorIn gleich dabei sagt, dass sie manchmal zu schönen kleinen Fortschritten führt, an konkret benannten Stellen aber auch problematisch ist?
Gewisse LehrerInnen neigen (wohl auch wegen Arbeitsüberlastung) dazu, ausgearbeitete methodische Unterrichtseinheiten blind in ihren Kursen anzuwenden. Das kann nur schiefgehen.
Mich interessieren insbesondere folgende Punkte:
möglichst viele kleine "konkrete Methödchen" statt "der" großen Selbstlernmethode;
meine These dahinter: Unterricht ist ein Geflecht vieler methodischer Elemente, aber vor allem immer situativ
(die ideale Lehrkraft hat möglichst viele Situationen vorbedacht [kennt aus Berufserfahrung viele Probleme] und Strategien, um auch mit Unerwartetem umzugehen; und darin ist eine Lehrkraft durch nichts ersetzbar);
Das wirklich Neue an den sogenannten "neuen" Medien ist doch eine (wenn auch bisher nur ansatzweise) Interaktivität (vgl. "Lern»umgebung«?").
Damit meine ich nicht jene (auch wichtige) Pseudo-Interaktivität, bei der es beispielsweise möglich ist, in vorgegebenen Programmen gewisse Parameter zu verändern und durchzuspielen; und schon gar nicht meine ich multiple-choice-ähnliche Abfragen, die die SchülerInnen schnell als nur multimedial verkleidete Prüfungen durchschauen.
Eine für mich durchaus noch unbeantwortete, aber allemal interessante Frage: Ist es vielmehr möglich, dass SchülerInnen - und zwar im Fach Mathematik - neue Medien als sinnvolles Kommunikations- und Rechercheinstrumente einsetzen, statt dass sie nur vorgegebenes Material durcharbeiten dürfen (müssen)? (vgl. Internetrecherche)
Das allermeiste Lernmaterial ist bisher bezeichnenderweise noch rein offline benutzbar.
Welche Computerprogramme sind für Selbstlernen geeignet, bzw. wie sollten geeignete (aber noch nicht vorhandene) Programme aussehen? Das Problem ist ja, dass die meisten vorhandenen Mathematikprogramme von TechnikerInneN, aber nicht von PädagogInneN erdacht wurden.
Wann genau ist Computereinsatz sinnvoll (zu welchem genau definierten Zweck) - und wann nicht? Denn allemal fraglich ist der grundsätzliche Einsatz von Computern, d.h. die komplette Delegation des Lehrens an diesen (und die Reduzierung der Lehrkraft auf einen Lernmittelhersteller).
Ein besonderes Augenmerk muss auf den Hilfen liegen (vgl. ), egal, ob die Lehrkraft sie situativ im Unterricht gibt oder sie in html-Lerneinheiten vorgesehen sind:
(Wie) können sie möglichst offen sein, statt alles vorzugeben?
Sollten überhaupt vollständige Lösungen oder Antworten gegeben werden oder will man nur eine Richtung zeigen?
Reicht eine Hilfe oder muss ein gestuftes, differenziertes Hilfesystem angeboten werden - und wie kann das (mal an einem einzigen geeigneten Beispiel) aussehen?
(Wie) können Hilfen eigene Lösungsversuche der SchülerInnen anregen statt abwürgen?
(Wie) können Hilfen differenziert auf den Erkenntnisstand einzelner SchülerInnen eingehen?
(Wie) ist das - bei html-Lerneinheiten - technisch umzusetzen?
Wie oben schon gesagt: Auch der Nachvollzug von Vorgegebenem kann durchaus das Etikett "Selbstlernen" verdienen.
Dennoch: (Wie) kann man (noch mehr) zu Eigenaktivität, Selbsttätigkeit, ja sogar Selbstentdecken kommen?
Da scheinen mir Eigenproduktion (z.B. von Lerntagebüchern, aber auch von Lernmaterial) sowie Präsentation (beileibe nicht nur mit Powerpoint) geeignete Ansätze.
Wie können thematisch möglichst vielseitige Aufgaben zu einem mathematischen Stoff aussehen?
(Dabei ist natürlich auch die Erkenntnis bezweckt, dass Mathematik u.a. praktischerweise darin besteht, viele und zudem äußerlich sehr unterschiedliche Anwendungsaufgaben mit einem Kalkül erledigen zu können.)Wie sehen Aufgaben (insbesondere in der Einstiegsphase zu einem mathematischen Thema) aus, die noch möglichst offen sind, also nicht sofort verraten, dass und wie mathematisiert werden soll?
(Und wie können Hilfen dann nicht doch sofort alles verraten?)Wie sehen Aufgaben aus, an denen überhaupt erst deutlich wird, dass eine Mathematisierung wünschenswert ist und zu ebenso erstaunlichen und "lebensweltlich" aussagekräftigen (anderweitig nicht erhältlichen) Ergebnissen führen kann?
Wie sehen Aufgaben aus, die innermathematisch Spannung erzeugen und zum Selbstlernen anregen?
Wie sehen Aufgaben aus, die ein echtes Problem (griech. problema = Aufgabe!) erzeugen?
Sollten wir nicht weg von "Aufgaben" hin zu offeneren, flexibleren "Aufträgen" und echten Fragen?
Wäre es nicht ratsam,
sei´s in Kooperation mit einem anderen Fach,
sei´s projektartig,
sei´s in Kooperation mit außerschulischen Fachleuten eines bestimmten Gebiets
Anwendungsaufgaben (nicht zu verwechseln mit den üblichen Textaufgaben) mal zum eigentlichen Thema einer Unterrichtsphase zu machen, in der dann keine neuen mathematischen Inhalte durchgenommen würden (oder nur dann, wenn sie sich bei einem Anwendungsproblem ergeben)?
Dann aber wäre eine systematische Herangehensweise an Anwendungsaufgaben zu erarbeiten.
Muss die Schule bei Anwendungsaufgaben nicht zumindest ab und zu konkret auf die außerschulische Praxis hin geöffnet werden? Denn was soll eine Anwendung (beispielsweise aus dem Straßenbau) ohne Anwender (eineN BauingenieurIn)?
"auf die außerschulische Praxis hin öffnen" bedeutet auch, das Anwendungsproblem "handgreiflich" zu machen. Beispielsweise ist es doch schlichtweg absurd, Astronomie (und mathematische Aufgaben aus dem Anwendungsfeld der Astronomie) ausschließlich tagsüber und in geschlossenen Räumen zu behandeln, wodurch SchülerInnen nie staunen lernen und nie einen Mathematisierungswunsch entwickeln können.In der Schule liegt es aber vor allem nahe, Anwendungen aus anderen Schulfächern zu behandeln, was zudem den doppelten Vorteil hat, dass
die "Gesamtwirklichkeit" den SchülerInnen nicht mehr fachspezifisch zersplittert erscheinen muss,
das notgedrungen einseitige (oftmals nur fachinterne) Wissen der MathematiklehrerInnen durch KollegInneN anderer Fächer aufgebrochen bzw. ergänzt wird
(eine Ergänzung, die z.B. dringend bei sozialwissenschaftlichen Deutungen von Statistiken geboten ist, da rein mathematische Aussagen oftmals völlig die diffizilen gesellschaftlichen Gründe und Zusammenhänge ignorieren und daher Vorurteile sogar eher noch betonieren als aufbrechen).Anwendungsorientierung "schreit" also geradezu nach interdisziplinärem und Projektunterricht.
Ein echtes Desiderat sind hier allerdings noch hilfreiche Bücher für interessierte KollegInnen: die meisten Bücher in dieser Richtung wie z.B.
J. Leßmann: Tabellenkalkulation
in der Reihe "Mathematische Anwendungen in Biologie, Chemie, Physik";
Volk und Wissensind eben doch noch allzu sehr von der Mathematik (oder genauer: Computerprogrammen) aus gedacht.
Wie sehen konkret die "neuen" Klausuren nach Selbstlernphasen aus?
Die Richtlinien deuten da an:
"Orientierungswissen [über zentrale Ideen und fachliche Zusammenhänge; S. 28] sollte auch Gegenstand von Leistungsüberprüfungen (Klausuren) sein. Fragestellungen hierzu werden in der Regel die Darstellung von Zusammenhängen erfordern."
(S. 36)
Solche Darstellung von Zusammenhängen wird aber notgedrungen "literarischer" sein (nicht nur Textaufgaben, sondern auch Text-"Lösungen"; vgl. Lerntagebücher) und sich einer simplen Wahr-Falsch-Bewertung entziehen.
"Es ist nicht sinnvoll, neue Inhalte und Methoden [nicht nur] für den Computereinsatz zu entwickeln und bei den Leistungsüberprüfungen alles beim Alten zu lassen."
(S. 48)
Schließlich erwarten wir uns ja wohl alle - auch in Folge von TIMSS und PISA- vom Selbstlernen ein kleines "Abfallprodukt": eine tiefere Durchdringung der Mathematik statt (wie gehabt) ein Aufgabenlösen nach "Schema F" (wobei Routine und Faktenwissen [Handwerkszeug] ja zweifelsohne wichtig bleiben).
Wenn aber andere Klausuren über andere Inhalte (s.u.) geschrieben werden, so gerät sehr schön der derzeitige Vergleichbarkeitswahn ins Wanken.
Zu einem ersten Versuch, "neue" Klausuren schreiben zu lassen, vgl. .
last but not least:
Vor lauter (allemal wichtigen!) Methodik (wie "bringe ich bei"?) wird mir doch allzu sehr die Didaktik (was "bringe ich bei"?) vernachlässigt,
was gerade deshalb so problematisch ist, weil beide gar nicht völlig zu trennen sind: nur bestimmte Inhalte ermöglichen bestimmte Methoden, und umgekehrt erfordern bestimmte Methoden auch bestimmte Inhalte.
Bzw. didaktische Fragen werden derzeit meist nur vom Computer aus gestellt:
was erübrigt er,
was ermöglicht er?
Ansonsten aber wird in deutschen Schulen nach wie vor (und unter einem enormen Stoffdruck) derselbe Standardstoff behandelt, an dessen Sinn man doch zumindest mal Zweifel anmelden darf. Vgl. etwa