verschont unsere Kinder mit "action"!
(aus dem Videomagazin "Showtime")
(Max Kruse)
"A free-fire zone in U.S. military parlance is a fire control measure, used for coordination between adjacent combat units. The definition used in the Vietnam war by US troops may be found in field manual FM 6-20:
[...] Initially, the free fire zone was an area near an airbase which was cleared of civilians to allow aircraft bomb disposal prior to landing. Returning veterans, affected civilians and others have said that U.S. Military Assistance Command, Vietnam MACV, based on the assumption that all friendly forces had been cleared from the area, established a policy designating the "free-fire zones" as areas in which:
Since such encounters could result in the deaths of innocent civilians, it would have been a violation of the Geneva Convention to have had such a policy. |
Eine Sekunde lang war ich wirklich irritiert: heißt es "verschonen mit" oder "verschonen vor"? Ersteres scheint mir unlogisch - und doch heißt es beispielsweise:
"Verschon uns, Gott, mit Strafen
und laß uns ruhig schlafen"
(Matthias Claudius: Der Mond ist aufgegangen)
Es läst sich ja trefflich streiten, ob die Privatfernseher überhaupt verhinderbar waren. Aber eine Partei (wie die CDU), die diese Privatsender seinerzeit aktiv durchgesetzt hat, hat jedes Recht verloren, über die tatsächliche oder angebliche Verrohung der Jugend zu lamentieren. (Nebenbei: ist denn durch die Einführung der Privatsender irgendwas besser geworden? Und noch "nebenbeier": die Einführung neuer Techniken [UMTS, HDTV und wie die Abkürzungen alle lauten] wird erst recht nichts verbessern: nächstens sieht der Mist nur schöner aus.) |
Gleich vorweg: ich bin 48 Jahre alt und kann also wohl kaum mehr über "heutige" Filmästhetik mitreden: zwar sind mir so einige Filme - sagen wir mal - der 60er Jahre inzwischen auch zu langsam
(und eine Kindheit, die [zumindest fernsehmäßig] aus und bestand, war ja auch nicht gerade prickelnd),
aber ich bin doch wohl insgesamt hinter der derzeitigen Kinoentwicklung zurückgeblieben
(ich würde niemals freiwillig in einen "action"-Film gehen!).
Ich will hier gar nicht ins allgemeine Lamento darüber einstimmen, dass Jugendliche sich Ballerspiele und gewaltverherrlichende Sendungen "reinpfeifen".
Sondern mir geht's um die ganz kleinen Kinder.
Vor einiger Zeit sah mein damals noch vierjähriger Sohn in einem Laden die DVD
(er kannte Pinocchio bereits aus einem Buch)
und wollte diese natürlich prompt haben.
Da dachte ich mir:
bin ich vor allem konsequent in der Inkonsequenz und
ist der Pinocchio-Stoff doch so liebenswert und zauberhaft, dass mein Sohnemann den Zeichentrickfilm gerne haben sollte.
Wie entsetzt war ich dann aber gestern Abend, als mein Sohn die DVD mit einem Freund zusammen guckte
(und ich halte es geradezu für ein Erziehungsprinzip, dann mitzugucken):
von der Liebenswürdigkeit und Zauberhaftigkeit des Originals war rein gar nichts mehr übrig geblieben
(das können "die" heute einfach nicht mehr; vgl. etwa oder auch den neuesten Pettersson-und-Findus-Film ),
sondern alles war in "action" ertränkt bzw. mangels Masse durch diese ersetzt worden.
(Nebenbei: mit "Zauberhaftigkeit" meine ich ganz was anderes, als dass fantasy-mäßig tatsächlich ein Magier oder Zauberer auftritt. Bezeichnend finde ich da vielmehr den Eintrag im Duden-Lexikon der sinn- und sachverwandten Wörter: "zauberhaft ↑ charmant".)
Oder nehmen wir Asterix-Filme:
von 1967 ist noch nah am Buch-Original und weitgehend ohne aufgemotzte action, also noch kindgemäß
(unverzeihlich ist allerdings auch dort schon, dass Vercingetorix in - wie lustig! - Haufdraufwienix umgenannt wurde),
von 1988 ist bereits ein Sammelsurium aus mehreren Original-Bücher und mit Schrecken aufgepeppt.
Und endgültig dümmste action ist der (bislang) letzte Band mit Außerirdischen :-)
"action" heißt dabei für
mich
rasend schnell,
immer "auf die Augen zu"
(als wenn man mit einem Messer vor den Augen eines Menschen rumfuchtelt),
möglichst viele beängstigende Szenen
(Es geht mir, wohlgemerkt, nicht um weichgespült-weltfremde "Kuschelpädagogik"; vgl. ),
insgesamt also ein permanenter Generalangriff auf Augen und Ohren
(die Beschallungsanlage eines Kinos [und allemal eines "Heimkinos"] hat ja heutzutage die Qualität eines startenden Düsenjägers),
d.h. eine Brutalität weniger sogar des Inhalts als der Machart:
Ich hätte ja durch die DVD-Hülle gewarnt sein können, die ich aber leider vorher nicht gelesen hatte:
"Diese brillante Animation entführt jung und alt, durch neue Charaktere und witzige Lieder, in die magische Welt des beherzten Spielzeugherstellers Geppetto und seiner Marionette Pinocchio.":
kann man sich streiten, ob die Animation in dem Film wirklich so "brillant" ist. Geradezu typisch für viele Filme heutzutage ist allerdings, dass nicht mehr mit dem Inhalt, sondern dem film- und tricktechnischen Aufwand geworben wird.
haben mir "neue Charaktere" gerade noch gefehlt: als wenn das Buch von Carlo Collodi nicht für sich selbst sprechen könnte. Aber vermutlich war damit nicht ein ganzer Film voll zu bekommen.
"witzige Lieder"? Wie witzig!?
(Wobei ich natürlich weiß, dass ein Kinderfilm nicht mir gefallen muss.)
All die neue, höchst ausgefeilte Filmtechnik scheint mir ein Riesenirrtum zu sein. Da liebe ich mir die (aus heutiger Sicht) höchst unbeholfene bzw. aufs "Wesentliche" reduzierte Filmtechnik etwa von .
Durch all die geile Filmtechnik wird nur die Unfähigkeit zur Zauberhaftigkeit übertüncht.
Man schaue sich nur mal typische Kinderprogramme an - und wird schnell merken, dass es schier unverantwortlich ist, Kinder einfach davor zu "parken"
(ich meine kleine Kinder, also nicht solche, die schon selbst danach verlangen):
völlig indiskutabel sind ja sowieso Kinder-Privatsender wie beispielsweise SuperRTL
(und Kinder-Reklame in Kinder-Sendungen gehört eh verboten!),
aber KiKa ist eben auch (im Schnitt) nicht viel besser.
"Wir" erziehen unsere Kinder geradezu zu jener action-Geilheit, die wir dann später
beklagen
(und man schaue sich mal an, was sich viele Erwachsene [Eltern!] so anschauen!).
Zwei andere Kinder(?)filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe und die in Anlehnung an das Wort "Volksverhetzung" durchaus als Kinderverhetzung bezeichnen würde:
,
(was für eine Oberweite!).
Es gibt natürlich auch positive Gegenbeispiele, nämlich
der Filmklassiker "Dschungelbuch",
,
.
Wohlgemerkt: mein fünfjähriger Sohn guckt durchaus gerne solche "Entdeckung der Langsamkeit":
aus