keine Ahnung von ADHS, Legasthenie, Dyskalkulie, Hochbegabung ...

Gestern habe ich einen erschütternden Artikel

über ADHS gelesen: eine Krankheit, von der ich vorher kaum mehr als den Namen kannte.

Urplötzlich wurde mir da klar, dass es ein Skandal ist, dass ich als (ehemaliger) Lehrer keinen blassen Schimmer von ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, Hochbegabung ... hatte und habe.

Dahinter steckt(e) wohl

(auch bei mir!)

eine Mischung aus Ignoranz und Arroganz

(die ja sowieso gerne Hand in Hand gehen):

Dyskalkulie und Legasthenie sind (vermeintlich) am Gymnasium irrelevant, weil Schüler mit diesen "Gebrechen" es ja (nochmals: vermeintlich) sowieso nicht aufs Gymnasium schaffen

("das ist was für Hauptschullehrer").

Hinter der Ignoranz steckt zudem

(mit Entsetzen muss ich es auch zu meiner eigenen Schande sagen)

das ewig einseitige Selbstverständnis des Gymnasiallehrers als reiner Fachwissenschaftler:

"ich muss Mathematik unterrichten, und was stört mich da beispielsweise ADHS?!"

Das mag ja noch eine (faule) Entschuldigung bzgl. ADHS sein. Dass aber

hat, ist einfach vollends absurd - und skandalös: "wir" setzen einfach immer voraus, dass alle Schüler a priori rechnen und (korrekt) schreiben können, und da ist es kein Wunder, dass so einige es nie lernen.

(Es ist wie mit dem Anspruch des "Selbstlernens": da wird allzu oft stillschweigend vorausgesetzt, was überhaupt erst "beizubringen" ist.)

Ebenfalls skandalös ist die Einschätzung von ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, Hochbegabung als Modekrankheiten

(wobei mir schon allein der Pauschalbegriff "Krankheit" aufstößt):

("Als iatrogen (altgriechisch „vom Arzt erzeugt“) werden Krankheitsbilder bezeichnet, die durch ärztliche Maßnahmen verursacht wurden [...]"
[Quelle: ])

Aber mal angenommen, die Symptome von Kindern, die heutzutage vermehrt mit Ritalin behandelt werden, sind tatsächlich eine "Modekrankheit" in dem Sinne, dass sie durch neue Alltagsbelastungen hervorgerufen werden: dann sind sie noch lange keine eingebildeten Symptome, sondern stimmt etwas mit "unserer Zeit" nicht - und muss Schule darauf reagieren.

Besonders interessant finde ich die Vermutung etwa von Wolfram Meyerhöfer

(vgl. aber auch


[Quelle: ])
,

dass Dyskalkulie eine "erfundene Krankheit" ist, die

(also a priori da ist bzw. von außen kommt),


(Quelle: )

Wenn da was dran ist, ist es nur um so skandalöser: der Arzt

(als die im Studium dran war, hat er mal die Vorlesung geschwänzt),

Auch hier rächt es sich also, wenn Lehrer sich vor allem als Fachwissenschaftler statt als Fachdidaktiker verstehen.


Fragt sich nur, weshalb ich mein ganzes Lehrerleben lang so blind für ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, Hochbegabung ... war

(wenn man hier mal von der schlichten Arroganz / Ignoranz des Gymnasiallehrers absieht):

  1. , weil mein Studium ein reines Fachstudium war

(und im Studienfach Pädagogik kamen die hier behandelten Themen auch nicht vor);

  1. , weil die Themen auch im Referendariat nie vorkamen

(auch Dyskalkulie nicht im Mathe-Fachseminar und Legasthenie nicht im Deutsch-Fachseminar);

  1. , weil es in meiner Lehrerzeit nie eine systemstische Weiterbildung

(des Gesamtkollegiums, aber auch der einzelnen Fachschaften)

gab.

(Ich habe es

[trotz meiner vielfachen Initiativen!]

in 28 Berufsjahren kein einziges Mal erlebt, dass eine Fachschaft sich mit pädagogischen und fachdidaktischen Belangen beschäftigt hat, sondern es ging immer nur um Organisatorisches.

Und Lehrerfortbildungen haben eh zwei Nachteile:

Kommt hinzu: ein Lehrer ist mit seinem Fachunterricht

(Stoffülle, Unterrichtsvorbereitung, Korrekturen)

schon bestens ausgelastet

(also betriebsblind),

und außerdem werden von allen Seiten immer mehr Anforderungen an die Schule und Lehrer gestellt, denen Lehrer oftmals nur noch hinterherhecheln.

Aber ich will nicht alles aufs "System" schieben

(und mich damit fein rausreden: schuld sind immer die anderen):

ich hätte mich ja selbst um ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, Hochbegabung ... kümmern können - und müssen.