alte
(Mathe-)Lehrer sind die besseren (Mathe-)Lehrer
Die (naja:) provokative Behauptung, alte Lehrer seien die besseren
Lehrer, muss natürlich sofort nach Strich und Faden relativiert
werden:
- habe ich mir ja die Vorstellung gründlich abschminken müssen,
dass irgendeine Generation besser sei als eine andere:
- früher habe ich doch allen Ernstes geglaubt, dass besser sei als die vorherigen Generationen
(was schon allein
deshalb problematisch war, weil auch meine Generation nicht
monolithisch, sondern in unterschiedlichste
Untergruppen
[z.B. links /
„konservativ“ oder Punk
/ mainstream]
aufgeteilt war und ist),
- und heute glaube ich sowieso nicht, dass „die Jugend
von heute“
dümmer, frecher, langweiliger usw. ist als meine Generation
(nach immerhin 27
Jahren als Lehrer
scheint mir immer noch, dass „die Jugend von heute“ alles in allem genauso
ist wie „wir damals“ - und das nur Lehrer übersehen können, die
schon während ihrer eigenen Schülerzeit allzu
„schulkompatibel“ waren).
- können ja alte Lehrer
- durch ihr langes Berufsleben tieffrustriert über das ewige
Korrigieren oder den zehntausendsten kultusministeriellen Erlass,
- betriebsblind geworden,
- überhaupt blind für sinnvolle Neuerungen
- und einfach allzu weit von „der Jugend von heute“ entfernt
sein
(bzw. das mag nur
Schülern so scheinen)
und daher kein Verständnis mehr für die
heutigen Schüler haben.
Äußerst skeptisch bin ich gegenüber der gar nicht so seltenen
Forderung
alter an junge
Lehrer, letztere sollten doch „endlich mal wieder“ die Schule
aufmischen. Hinter solch einer Forderung vermute ich aber nur die Trauer
darüber, dass man selbst längst seine ehemaligen Ideale verraten
hat oder beim
„Marsch durch die Institutionen“ resigniert ist.
Und ebenso skeptisch bin ich gegenüber den sich in letzter Zeit in
meinem Lehrer-Bekanntenkreis mehrenden Äußerungen, die „Junglehrer von
heute“ seien (alle) allzu brav, karrieregeil und angepasst. Auch da
trauert man doch nur seiner meist nur vermeintlichen
ehemaligen
Revoluzzerhaftigkeit hinterher.
Allerdings glaube ich durchaus, dass
- so, wie (mit Ausnahmen) Jugendliche
Spiegel des jeweiligen
Zeitgeistes sind,
- auch Junglehrer Spiegel
dieses Zeitgeistes sind: die heutigen
Junglehrer sind ja auch schon (wie die heutigen Schüler)
„Kinder“ des
Post-PISA-Regimes, haben also kaum mehr pädagogische Freiheiten,
dafür
aber um so mehr den Quantifizier- und Vergleichbarkeitswahn
kennengelernt.
Nochmals von wegen „alte Lehrer sind die besseren
Lehrer“: was heißt
schon „alt“?: mit meinen inzwischen „auch schon“ 58 Jahren erscheint
mir ein 65jähriger Lehrer keineswegs als alt!
Mit den besseren alten Lehrern meine ich gewiss nicht
jene, die sich
- immer schon nur kreuzbrav am Schulbuch entlang gehangelt
- und als
(gescheiterte) Fachwissenschaftler, nicht aber als (Fach-)Pädagogen
verstanden haben,
- die also schon langweilig auf die Welt gekommen sind.
Mein Respekt vor alten Lehrern ist nicht erst als indirektes
Eigenlob erwacht,
als ich plötzlich (!) selbst
zum „alten Eisen“ gehörte, sondern ich
habe (fähige) alte Lehrer schon bewundert, als ich noch selbst Schüler
war, und als Junglehrer.
In dreierlei Hinsicht scheint mir ein nach wie vor engagierter alter
Mathematik-Lehrer tatsächlich der bessere Mathematik-Lehrer
zu sein:
aufgrund seiner vielen Dienstjahre kennt er
- sehr viel besser die innere Struktur der Schulmathematik
(was worauf vorbereitet
- und was eher ablenkt und daher zusammengestrichen
werden kann;
ein Junglehrer ist darauf hingegen meistens nicht im
mindesten durch die
Universitätsmathematik vorbereitet - und auch nicht durch
das Referendariat);
- zu jedem mathematischen Detail vielfältige
Vermittlungsmöglichkeiten,
- die allermeisten Schülerprobleme und -fehler
(sowie die dahinter
steckenden
Denkfehler)
und kann er diese somit viel besser
vermeiden oder
produktiv aufnehmen
(Nebenbei:
- das Beste, was einem passieren kann, ist: „[...] alle Fehler, die
man nur machen kann, habe sie selber schon gemacht“
[aus
]
oder die schlichte Erkenntnis [und das Eingeständnis anderen / Schülern
gegenüber], dass man selbst auch
Fehler gemacht hat und nach wie vor macht
[ich glaube trotzdem nicht, dass man
alle Fehler der anderen
machen kann, sondern jeder macht zusätzlich zu den Standardfehlern auch seine
„Privat-Fehler“];
- dieselben
Gründe, aus denen
ein alter einem jungen Lehrer überlegen ist, sorgen
auch dafür, dass
ein altgedienter Lehrer jedem universitären
Didaktik"experten" haushoch überlegen ist - und die
Klugscheißerei dieser "Experten" nicht mehr ertragen kann.)
Was ich bislang über Mathematiklehrer gesagt habe, trifft
so oder
ähnlich wohl auch auf die Lehrer anderer Schulfächer zu.