"man muss den Unterricht apathisch absitzen"
(vgl. auch den "Totstellreflex")

"EineN SchülerIn

auch nur anzusprechen - ist fast Leichenschöndung."

 

Wenn irgendjemand lästern darf, dann ich:
Standardsatz der Lehrer, wenn meine Mutter während der Mittelstufe auf Elternsprechtagen war:
"Der Junge könnte viel besser stehen, aber leider sagt er ja nichts."

"Die schärfsten Kritiker der Elche
 waren früher selber welche."
 (F.W. Berstein)
 


Nur kurz erwähnt, dann aber nicht weiter erläutert werden sollen hier all die guten, "systemimmanenten" Gründe für die völlige Apathie vieler SchülerInnen:

(da ist "die Ohren auf Durchzug stellen" schon fast überlebensnotwendiger Selbstschutz),

("Hauptschuldiger" sind da natürlich die viel zu großen Klassen: dass jemand mit ca. 30 Leuten gleichzeitig kommunizieren soll, ist doch geradezu absurd.

Mein Grundgefühl während meiner eigenen Schulzeit [oder zumindest der Mittelstufe] war doch: "Wieso soll ich mich denn überhaupt melden? Es »bringt« doch - außer guten Noten - nichts."

Bei den allzu großen Klassen gibt es aber nur zwei Lösungen:

  1. pauschaler Frontalunterricht,

  2. "aus der Not [halbwegs] eine Tugend machen", nämlich eine "psychologische Reduzierung der Gruppengröße"; vgl. Rainer Dollase in "Was macht erfolgreichen Unterricht aus?")

Man muss ja geradezu eine Elefantennatur haben - oder blöd geworden sein? -, um da jahrelang interessiert (?) mitzumachen.

Manchmal scheint es mir also geradezu das gute Recht der SchülerInneN zu sein, etwa in der Mittelstufe einen Durchhänger zu haben

(der Unterricht - mit Noten! - muss dann natürlich weiter gehen, d.h. dann helfen wirklich nur noch Forderungen).


Man kann "die" Schule zweifelsohne für Vieles verantwortlich machen:

Und doch machen viele es sich zu leicht, wenn sie "der" Schule alle Schuld geben:

  1. kenne ich so einige Jugendliche, die - abgesehen von Konsum und "mitschwimmen" - auch ansonsten (außerhalb der Schule) völlig apathisch sind

(der schlimmste Fall, den ich jemals gehört habe: ein 16jähriger, der nach Schulschluss bis zum Schlafengehen in seinem Zimmer rumsaß - und wortwörtlich nichts tat, also nicht mal las, fernsah, "surfte" oder auch nur Musik hörte; ich würde als Vater wahnsinnig!

wobei ja immerhin die Möglichkeit besteht, dass die Lethargie in der Schule sich krebsartig auch ins "sonstige" Leben ausbreitet ... oder umgekehrt?),

  1. wird man irgendwann von der Schule Abstand gewinnen und seiner eigenen Wege gehen müssen

(vgl. Bild ).


Es war einmal eine 9. Klasse, die von sämtlichen LehrerInneN, die in ihr unterrichteten, in den höchsten Tönen gelobt wurde. Solch eine interessierte Beteiligung wie in dieser Klasse habe man seit vielen Jahren nicht mehr erlebt.

Eines Tages aber

(genauer: urplötzlich mit Beginn des 10. Schuljahrs)

kam die böse Hexe und verwandelte die Klasse mit einem Zaubergebräu in einen apathisch-lethargisch-zähen, ununterscheidbaren "Haufen", so dass die LehrerInnen sie kaum wiedererkannten. Ab da ging's mit den (vorher außergewöhnlich guten) Zensuren natürlich rasant bergab, bis am Ende des Jahres viele SchülerInnen "sehenden Auges" (?) sitzen blieben.

(Welch netter Kalauer:

Und wenn sie (zumindest schulisch) nicht längst seelisch gestorben sind, so schlafen sie noch heute:

Bild


Es ist uns LehrerInneN nie gelungen, herauszufinden, was da zwischen der 9. und 10. Klasse passiert war, dass es zu einem derartigen Einbruch kam.

Man konnte es nur hinnehmen wie einen urplötzlichen Wintereinbruch, und deshalb lautete die auch nicht grade hilfreiche Standarderklärung immer nur "naja, die Pubertät".


Worum's mir hier eigentlich eher geht, das sind gewisse "Gruppenprozesse" in Klassen. Das kennt jedeR LehrerIn:

Schlimm an Letzterem ist ein schwer verortbarer

(manchmal sogar eingebildeter?)

Gruppendruck, dem sich niemand widersetzen mag, obwohl es in solchen Klassen

(oftmals verborgen und kaum erkennbar)

durchaus Leute gibt, die interessiert sind und gerne mitmachen würden

(was man beispielsweise in Klassenarbeiten erkennt, wo solche SchülerInnen endlich mal ehrlich [oder anbiedernd?] sprechen; wie ja überhaupt in solchen Klassen manchmal die Klassenarbeiten  durchaus ordentlich sind [vgl. Bild ], das "Mündliche" aber grottenschlecht ist

[denn es gibt ja SchülerInnen - und genau das macht das "Mündliche" zwar nicht unwichtig, aber doch seine Bewertung problematisch -, die durchaus im Unterricht mitdenken, wenn auch nicht mitreden];

oder man höre mal genau hin, wie da beispielsweise einige Mädchen voll grenzenloser Verachtung über die gorillahaft-gehirnkastrierten Machoallüren ["Bier her, Bier her, oder ich fall' um!"] einiger Jungen lästern!).

Dann aber ist die Lehrkraft aufgerufen, solche SchülerInnen aus dem Klassendruck zu befreien, was am besten gelingt, wenn man nicht EinzelSchülerInnen fördert

(also - ein heutzutage oftmals völlig falsch gebrauchter Begriff - als "Streber" bloßstellt?),

sondern verschworene Gruppen zusammenschweißt.

Manchmal ist der Gruppendruck personifizierbar, und dann träume ich davon, zwei oder drei "Leithammel" zeitweise aus dem Unterricht entfernen zu dürfen

(indem

Denn "Klassenverbände" sind oftmals wie Gefängnisse: SchülerInnen müssen viele Jahre tagtäglich mit Klassen"kameradInnEn" zusammen sitzen, die sie "nicht am Kopp haben", denen sie aber keinen Millimeter ausweichen können

(das ist ja auch mir, also ich noch Schüler war, mit einem gewissen unausstehlichen M.W. so ergangen).

Manchmal - keine Frage! - haben SchülerInnen mehr Angst vor MitSchülerInneN als vor LehrerInneN.

(Und dennoch: viele SchülerInnen gehen auch gerne in die Schule, und zwar weniger wegen des Unterrichts

 [der da nur Anlass bzw. unvermeidliches Übel ist],

sondern wegen der/einiger KlassenkameradInnEn.)


Ein ganz anderes Problem scheint mir allerdings die "allgemeingesellschaftliche" und vielleicht eben doch vor allem in der Pubertät durchschlagende Missachtung von Bildung zu sein

- gegen die es heftig und durchaus auch arrogant anzustinken gilt!

(Vgl. Bild )


Wirklich tragisch an all dem ist "nur", dass immer wieder so einige SchülerInnen

(keineswegs "schüchterne")

durch die allgemeine Einstellung "man muss den Unterricht apathisch absitzen" blind in den Abgrund laufen, nämlich z.B. nach zweimaligem Sitzenbleiben nicht mal mehr einen Real- oder Hauptschulabschluss erreichen und dadurch ihr halbes zukünftiges Leben verkorksen.