"alle im Spermarausch" und "alle für ein Jahr ins Arbeitslager"
(Sprüche eines Lehrers [nicht meiner Schule!] über Achtklässler)

Reden wir über solche schulische Themen, über die sonst nie - oder genauer: nur "hinterm Rücken" - geredet wird.

In der Tat: LehrerInnen reden (unter sich) manchmal ähnlich über SchülerInnen
wie umgekehrt.

LehrerInnen reden (unter sich) manchmal ähnlich über Kultusbürokraten
wie umgekehrt.

Als ich die beiden Sätze "alle im Spermarausch" und "alle für ein Jahr ins Arbeitslager" aus dem Mund des betreffenden Lehrers hörte, war meine Reaktion zwiespältig:

Und bei "alle für ein Jahr ins Arbeitslager" dachte ich nunmal reflexartig an den Slogan "Arbeit macht frei" am Eingangstor zum Konzentrationslager Dachau.

Dabei bin ich mir nicht mal sicher, ob man das Wort "Arbeitslager" derart auf die historische Goldwaage legen darf bzw. umgekehrt muss

(und ich frage mich sogar, ob hier schon das Wort "Goldwaage" verharmlosend ist).


Immerhin versuche ich die Aussagen zu verstehen, was ja nicht "entschuldigen" heißt:

  1. werden wohl in jedem Beruf berufstypische Witze gerissen. So gibt es z.B. eben auch ziemlich üble Chirurgen- oder Juristenwitze.

Und da scheint mir in der Tat, dass man sie nicht automatisch auf die Goldwaage legen sollte: beispielsweise Chirurgen, die während einer Operation über den narkotisierten Patienten lästern, sind noch lange nicht (auch ansonsten) menschenverachtend.

Vielmehr gibt es wohl eine Art

"prophylaktisches Lästern": man "lästert ab", bevor etwas allzu unerträglich wird, und damit ist es dann auch "gegessen". D.h. man lästert, damit es nicht ernst gemeint wird.

Und es ist eben trotz allem doch noch ein gewaltiger Unterschied, ob man - eigentlich ja unfair-feige - "hinterm Rücken" des Läster-Opfers (wenn es narkotisiert ist) redet oder ihm all das direkt ins Gesicht sagt.

Vor langer Zeit sagte ein Lehrer mal: "[Klassenarbeiten] Korrigieren ist wie Windelnwechseln. Man macht das Ganze auf, sieht die Scheiße - und schmeißt es weg." Kaum verzeihlich daran finde ich vor allem, dass er es den SchülerInneN direkt ins Gesicht sagte.

("Kaum", weil jedem mal sozusagen verbal die Hand ausrutscht und dann höchstens noch die Bitte um Verzeihung weiter helfen kann.)

  1. Sind die Sätze "alle im Spermarausch" und "alle für ein Jahr ins Arbeitslager" vielleicht

Verzweiflungsschreie eines Lehrers,

der hochverantwortlich und engagiert alles versucht hat, um die SchülerInnen für "seinen" Unterricht zu gewinnen - und dem alles gescheitert ist.

Das lässt sich sicherlich nicht pauschalisieren (es gibt viele Schulen, an denen es besser läuft), aber wer hört eigentlich

(bzw. hat vor dem Bild Aufschrei der LehrerInnen an der Rütli-Schule in Berlin davon gehört - und das Modethema nicht schnell wieder vergessen)

die Verzweiflung so einiger LehrerInnen an speziellen Schulen?:

Bild
(vgl. Bild )

Nein, auf diese LehrerInnen prasseln dann nur noch mehr Vorschriften und Erlasse herab

(und sowieso Klischees über Bild ; vgl. auch Bild ).

  1. Drastisch gefragt: hat der betreffende Lehrer nicht sogar (bis auf die Wortwahl) Recht?: es gibt Klassen, in denen keinerlei Unterricht mehr möglich ist

(egal, ob mit "neuen", vielleicht sogar interessanteren Methoden und Themen oder auch mit "Druck"),

weil die SchülerInnen "alle im Spermarausch" schwerst pubertieren

(weil Pubertät so hoch gehängt wird wie nie zuvor? - und weil viele SchülerInnen diesen Anspruch ihrerseits verzweifelt zu erfüllen versuchen?).

Und für einige SchülerInnen, die sich für rein gar nichts mehr in der Schule interessieren, ja sogar gegen "Druck" (Zensuren) unempfindlich sind, wäre es vielleicht wirklich besser, sie mal ein Jahr lang an "richtige Arbeit" zu stecken, und sei's, dass sie endlich mal das Werk ihrer Hände sehen.

Vgl. Bild "Eine Hamburger »Produktionsschule« hilft Hauptschülern, einen Abschluss zu machen." (... und sowas wäre ja nicht nur für Hauptschüler gut.)


Das Wort "Arbeitslager" ist und bleibt schwer verzeihlich. Aber es gibt Begriffe wie beispielsweise "Disziplin", die man sehr wohl benutzen darf, aber eben nur, wenn man die negativen (historischen) Implikationen mitbedenkt:

"Disziplin ist eine Sekundärtugend, mit der man auch ein KZ betreiben kann."