"drannehmen", "beibringen" etc.

Es ist natürlich nur lieblos, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, und schon gar nicht kann man das "im Eifer des Gefechts" immer tun.

Aber ab und zu stutze ich doch und wundere ich mich, wieso mir der "Beiklang" gewisser Wörter, die ich zig und hunderte Male benutzt habe, nie vorher aufgegangen ist.

Eben z.B.

  1. "drannehmen":

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Aufgefallen ist mir das Wort "drannehmen" überhaupt erst, als es in einem nicht-schulischen Zusammenhang auftauchte, nämlich als mir eine Krankengymnastin ins Wartezimmer zurief: "Einen Augenblick noch, ich nehme Sie gleich dran."

dran|neh|men (ugs. für abfertigen; aufrufen)
(Duden - Die deutsche Rechtschreibung; rote Hervorhebung von mir, H.St.)

Dieses "Drannehmen"

(und zwar von SchülerInnen, die sich [!] nicht "melden")

fällt mir als Lehrer so schwer, wohl weil ich es als Schüler immer als beschämendes Vorführen empfunden habe.

(Das sagt sich so leicht, dass SchülerInnen in der Unter- und Mittelstufe noch keine "Bringeschuld" hätten, also vom Lehrer anzusprechen wären.
Zumindest dürfte dieses "Ansprechen" nicht immer coram publico stattfinden.)

Das pädagogische Nonplusultra war allerdings mein Lateinlehrer, bei dem man sich (!) überhaupt nicht "melden" durfte, sondern nur "drangenommen" wurde: ein - so schien es zumindest - völlig willkürliches oder launisches "Drannehmen", das permanent wie ein Damoklesschwert über einem hing, weshalb man ununterbrochen Angst hatte, also auch dann, wenn man gerade nicht "drangenommen" war. Und wenn man dann "drangenommen" wurde, hatte man zackig aufzustehen

("Hände an die Hosennaht!"),

worauf man wie ein Leuchtturm

(mit hochrotem Kopf)

vor der versammelten "Mannschaft" (Klasse) stand und vom Lehrer allzu gerne ironisch abgefertigt wurde, bis die gesamte "Mannschaft" über einen lachte

(die Ironie war so genial, dass man sich dem Lachen [über andere] gar nicht entziehen konnte).

Ich kann mir nicht helfen, das Wort "drannehmen" erinnert mich an "eine Frau nehmen", sprich: vergewaltigen.

(Nebenbei: spätestens nach der ersten [schriftlichen] Klassenarbeit hat man als LehrerIn herausgefunden, welche "guten", aber "stillen" SchülerInnen man jederzeit drannehmen kann - und öfters mal sollte.

Und doch bleibt das "Drannehmen" der grundfalsche Weg.)

  1. "beibringen":

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beibringen: ↑ beschaffen, lehren, vorschlagen; jemandem etwas beibringen schaden; [nicht wissen, wie man jemandem etwas beibringen soll] mitteilen; jemandem die Flötentöne beibringen schelten; eine Wunde beibringen verletzen.
(Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter; man achte insbesondere auf die von mir blau hervorgehobenen Bedeutungsbestandteile/-alternativen)

Räson annehmen (auch: zur Räson kommen); jemanden zur Räson bringen (auch: jemandem Räson beibringen)
Diese Redewendungen bewahren das sonst im Deutschen kaum noch gebräuchliche Wort »Räson«, das auf das französische raison (= Vernunft) zurückgeht. Wer »Räson annimmt«, kommt zur Einsicht und wird vernünftig: Er muss sich immer erst die Finger verbrennen, bevor er Räson annimmt. [...] »Jemanden zur Räson bringen bedeutet entsprechend »jemanden dazu zu bringen, sich vernünftig und angemessen zu verhalten«: [...]
(Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002)

Jemandem die Flötentöne beibringen
Die umgangssprachliche Redewendung spielt wohl darauf an, dass man jemandem beibringt, sich nach den Signalen einer Flöte zu richten [,] und wird im Sinne von »jemandem das richtige Benehmen oder Ordnung lehren« gebraucht [...]
(Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002)

Jemandem etwas mit dem Holzhammer beibringen
Die umgangssprachliche Redewendung bedeutet »jemandem etwas auf eine grobe, plumpe Weise beibringen«: Er hatte keine pädagogische Ader und brachte den Lehrlingen alles mit dem Holzhammer bei.
(Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002)