Heiner Stauff - pädagogische Einmischungen

so langsam schnappt zu

„»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« – »Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie."
(Franz Kafka: nebenbei, da würde ich Kafka sogar noch verbessern - und den letzten Halbsatz "und fraß sie" weglassen; in Dichtung sollte man niemals sagen, was sich sowieso jeder denken kann)

Da der Titel zweideutig ist, sei kurz klargestellt: ich stelle im Folgenden

nicht den langsamen Vorgang des Zuschnappens dar,
sondern vielmehr, dass die Falle derzeit dabei ist zuzuschnappen, bzw. umgangssprachlich gesagt: dass sie derzeit gerade "am Zuschnappen ist" (Verlaufsform).

Derzeit wird die Schulwelt ja in der Tat "mit jedem Tag enger", bzw. sie ist festeweg "am enger werden":

der Trend zur Zentralisierung der Zentralklausuren, also zu einem bundeseinheitlichen Zentralabitur

(vgl. ),

Zentralklausuren und daraus folgend ein zunehmend engerer Unterricht, der auf diese hinführt,
dazu passend fertige Unterrichtsmaterialien der Verlage für wahrhaft jeden Unterrichtsaugenblick

(vgl. ),

was mir nach immerhin auch schon 24 Jahren Lehrertätigkeit verstärkt aufstößt: ein zunehmendes Betteln von SchülerInneN um Schulbücher, in denen alles fein säuberlich nacheinander dargestellt ist, und überhaupt um klare Anweisungen möglichst nah am Lehrplan

(in der Mathematik vor allem Rechenrezepte).

Der schlechthin ist da aber : für ein bisschen mehr als anderthalb Jahre geschlagene 832 Seiten lang und über 1,5 kg schwer! ... als wollte man die SchülerInnen damit wortwörtlich erschlagen.

Ein anderer Aspekt derselben derzeitigen Entwicklung:

ich kenne eine Menge LehrerInnen, die über jede Äußerung eines jeden Schülers in jeder Stunde Buch führen, und das nicht aus pädagogischen Gründen, sondern um im Falle eines Widerspruchs Munition zu haben;
ich kenne einen Lehrer, der jede Seite jeder Klassenarbeit eines jeden Schülers abfotografiert, und zwar ebenfalls für etwaige Widersprüche.

Mit was für unproduktivem Zeugs da die Arbeitszeit verschwendet wird!