Heiner Stauff - pädagogische Einmischungen

Gerüchteküche 5/2007

"Gerüchteküche" ist eins dieser vielen schönen Wörter, die man sich regelrecht auf der Zunge zergehen lassen sollte: wie da die Gerüchte so vor sich hin köcheln und blubbern und zischen und spritzen ...

Bei der Bundeswehr spricht man von "Scheißhausparolen" statt von "Gerüchten".

Vgl.

Erfunden hab´ ich all das hier nicht, sondern ich habe tatsächlich gestern (9.5.2007) von jemandem gehört, dass er von jemandem gehört habe, dass er von jemandem gehört habe, dass die Zentralen Prüfungen zu Ende der Klasse 10, die in NRW soeben erstmals durchgeführt wurden, nun prompt wieder abgeschafft werden sollen.

Eine kurze erste Internetrecherche erbrachte diesbezüglich allerdings nichts. Es wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.

"Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", denn solche Zentralprüfungen (und insbesondere das Zentralabitur) sind wie Herpes (oder schlimmere Krankheiten): man kriegt ihn sehr leicht

(kann sie sehr leicht [und populistisch] einführen),

aber:

"Die ich rief, die Geister,
Werd' ich nun nicht los."

Man hat die Zentralprüfungen viel zu hoch gehängt, als dass man sie jetzt still und leise wie eine Primel verdorren lassen könnte.

Sollten dennoch sogar "die da oben" inzwischen bemerkt haben, was die Spatzen (PraktikerInnen) längst von den Dächern pfeifen, dass nämlich

der Aufwand für diese Zentralprüfungen (Vorbereitung, Durchführung, Mehrfachkorrekturen) schlichtweg monströs ist,
für diese Prüfungen sämtliche Schulen im Land monatelang blockieren,
die Zentralprüfungen eine gigantische (beabsichtigte?) Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für (LehrerInnen) sind,
die Objektivität ein gefährlicher Mythos und
all das regelrecht unpädagogisch ist?

Schön wär´s!

Und ich weiß auch schon, wie die Abschaffung laufen würde (Irrealis):

dieselben Leute, die die Zentralprüfungen als Speerspitze moderner Pädagogik eingeführt haben, würden auch ihre Abschaffung wieder pädagogisch verkaufen.

Oder sie würden es - viel raffinierter! - sang- und klanglos wie seinerzeit beim "Schulprofil"

(der für Schulen und SchülerInnen verpflichtenden Kombination zweier Fächer in der Oberstufe)

machen:

erst wurde es vorgeschrieben, woraufhin hunderte von Lehrerkollegien in ellenlangen Gesamt- und Fachkonferenzen die Möglichkeiten ausgelotet haben;
dann wurde es "freiwillig" gestellt, woraufhin all die Vorarbeit schnurstracks eingestampft wurde.

Aber "Fehler machen wir nicht", kann man also auch nicht eingestehen.

Vgl. auch

PS:	Selbst wenn die Zentralprüfungen nach der 10. Klasse abgeschafft würden, gäbe es dennoch keine Entwarnung: die nächste Schnellschuss-Neuerung kommt bestimmt!
PPS:	Dieser Text hat sub specie aeternitatis Bestand (zeigt Typisches) völlig unabhängig davon, ob die Zentralprüfungen nach der 10. Klasse nun abgeschafft werden oder nicht.
PPPS:	Von wegen "populistisch": die allermeisten Außenstehenden, die ich kenne, verstehen gar nicht (auf Anhieb), was man eigentlich gegen zentrale Prüfungen haben könnte, ja, sie halten es für ebenso selbstverständlich wie dringend geboten, dass auch Schulen (LehrerInnen, SchülerInnen) überprüft werden. Aber wenn man ihnen dann mit konkreten Argumenten aus der Praxis dieser Zentralprüfungen kommt, kippen sie doch sehr schnell.