Siehe auch

  Früher drapierten sich Männer mit schütterem Haar ihre seitlichen Resthaare gerne kunstvoll über ihre sich gefährlich ausbreitende Glatzen:


Schön war das nicht.

Heute hingegen herrscht vorauseilende Ehrlichkeit: bei einsetzenden Geheimratsecken rasiert man(n) sich den Schädel gleich ratzeputzekahl

und sieht dann aus wie ein Skinhead.

Hier ist exemplarisch von einer Schule die Rede, bei der es sich wohl verbietet, so in aller Öffentlichkeit ihren Namen zu nennen. Aber es sei doch immerhin ein Bild von ihr erlaubt:

Es war also mal eine Schule, die nicht nur einen wunderschönen 50er-Jahre-Bau hatte, sondern dieser war auch innen lebenswert und gemütlich eingerichtet

(worum sich vor allem eine [hier natürlich ebenfalls ungenannte] Kollegin verdient gemacht hatte).

"lebenswert und gemütlich" bedeutet hier, dass außerhalb der Klassenräume viele Sitzecken, Bilder etc. vorhanden waren

(die Sitzecken für das Verweilen in Pausen, aber auch für Gruppenarbeit während des Unterrichts, die zeitweise aus dem Klassenraum ausgelagert waren).

Symbol der Gemütlichkeit war ein


rotes Sofa
,

das „einfach nur so“ im Eingangsbereich stand und bei den Schülern längst Kultstatus hatte.

(Nebenbei: "gemütlich" muss keineswegs automatisch "düster", "zugestellt", "hippiehaft" oder "waldorfschul-ocker" bedeuten.)

Eines Tages kam aber


der böse Wolf

in Form einer ungemein wichtigen und entsprechend arrogant auftretenden "Sicherheitskommission"

(wie auch immer die personell besetzt war und mit welchem Recht auch immer die handelte).

und durchkämmte die Schule nach Gefahrenquellen, also brennbaren Materialien und Hindernissen auf Fluchtwegen.

Der böse Wolf ward massenhaft fündig, und schon am Tag drauf wurde die Schule gründlich von allen Gefahrenquellen desinfiziert

(vgl. ) :

ein Möbelwagen fuhr vor und Arbeiter verstauten den ganzen "Krempel" in diesem Wagen, der sie dann zu irgendeinem

 
Depot

fuhr.

Die Schule war danach


wüst und leer

und endlich wieder schön aufgeräumt.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sterben sie noch heute: außerhalb der Unterrichtszeit, also wenn keine Schüler und Lehrer da sind, kann man glatt meinen, die Schule sei nie bewohnt (!) gewesen.

(So muss Architektur heutzutage ja aussehen: ; vgl. die 4. Karikatur , wobei "BDA" der Bund Deutscher Architekten [Ortsgruppe Münster] ist.)

Das erinnert mich doch sehr an

.

Nun sei mal unterstellt, dass die "Sicherheitskommission" nur nach Recht und Gesetz sowie einschlägigen Verordnungen gehandelt hat, also gar nicht anders handeln konnte.

(Dennoch:

Immerhin sollte die "Sicherheitskommission" aber doch erfahren, wie sie im vorliegenden Fall Schulleben kaputt gemacht hat

(und ich wüsste doch allzu gerne mal, ob sie das auch von sich aus erkannt hat - und immerhin bedauert; aber vielleicht muss ein Profi ja sowas tatsächlich abtrennen können, um nicht im permanenten Mitleid und einem schlechten Gewissen zu versinken):

Man (?) sollte der „Sicherheitskommission“ also unbedingt einen Brief schreiben, der freundlich im Ton, aber deutlich in der Aussage wäre:

„Sie haben vermutlich einfach nur die Vorschriften befolgt, aber eben doch einen gewichtigen Teil unseres Schullebens amputiert und in wenigen Stunden Jahre der Arbeit daran vernichtet.

(Denn es gibt zwei Wege, unsinnige oder übertriebene Vorschriften bzw. deren schnöde Anwendung zu bekämpfen:

  1. lautstarke öffentliche Proteste,
  2. den expliziten „Dienstweg“, d.h. die dringende Bitte, Proteste immerhin eine Entscheidungsstufe nach „oben“ weiterzuleiten.)

Vielleicht musste die "Sicherheitskommission" auch unverzüglich handeln.

Dennoch wäre es besser gewesen, erstmal das Gespräch mit der Schulleitung, den Lehrern und auch den Schülern zu suchen. Oder zumindest sollte die "Kommission" ihre Entscheidungen nachträglich begründen, und zwar nicht bloß schriftlich-distanziert, sondern Auge in Auge mit den Leidtragenden.

Aber einfach nur vorbeikommen, plündern und sich dann nie wieder sehen lassen ist doch grob unhöflich und erzeugt nur kurzfristig Wut und langfristig Resignation.

(Nebenbei: erst als ich diesen Essay fertig hatte, bin ich auf Folgendes aufmerksam geworden:

  .) 

Meine Kritik gilt aber letztlich nicht dem


"Räumkommando",

sondern der Tatsache, dass viele Schulen auch ohne "Räumkommando" innenarchitektonisch wie Gefängnisse aussehen:


Derzeit herrscht eine Hypertrophie der Schulzertifizierungen:

    ...

Da hätte ich noch einen Ergänzungsvorschlag: Schulen, die innenarchitektonisch ratzeputzekahl sind, erhalten das Gütesiegel


(schon immer habe ich mich gefragt, wer Robbens phantastischer Friseur ist)

oder gerne auch


Bei der oben genannten Schule in einem 50er-Jahre-Gebäude besteht natürlich ein doppeltes Problem:

  1. hat's in den 50er Jahren noch keiner mit dem Brandschutz so genau genommen

(vielleicht gab es damals zu wenig und gibt es heute zu viele Brandschutzvorschriften),

  1. waren die pädagogischen Vorstellungen in den 50er Jahren wohl noch ziemlich konventionell, d.h. es herrschte meistens Frontalunterricht in den Klassenräumen, hat aber keiner daran gedacht, auch die Gänge außerhalb der Klassenräume wohnlich zu gestalten und z.B. in Nischen Sitzecken für die Erholung oder auch Gruppenarbeiten einzuplanen.

Wenn dann doch moderne Schulkonzepte hinzukommen, beißt sich das in einem Altbau natürlich gefährlich mit neuen Brandschutzbestimmungen.

(Allerdings kann ein Gebäude ja nicht andauernd mit jeweils neuen Brandschutzbestimmungen "wachsen": im oben zitierten Zeit-Artikel wird z.B. gezeigt, dass der neue Stuttgarter Hauptbahnhof um nochmals lächerliche 78 Millionen Euro teurer wird, weil während der Bauphase neue Brandschutzbestimmungen hinzu gekommen sind.

Zwischen alten Häusern und neuen Brandschutzbestimmungen wird es also wohl einen ähnlichen Kompromiss wie beim Denkmalschutz geben müssen, wo einerseits der alte Baubestand bewahrt werden soll, andererseits aber natürlich Rücksicht auf moderne Lebensgewohnheiten genommen werden muss.)


Unverständlich ist mir allerdings, wie heutzutage neue Schulen oder Teilgebäude gebaut werden können, die auf derzeitige pädagogische Vorstellungen keinerlei Rücksicht nehmen.

Ein Beispiel: da wird ein riesiger neuer Schultrakt gebaut, der


Pausenhalle,

die allerdings völlig schmucklos ist

(das scheint heute Standard zu sein

:
dafür hat es allen Ernstes den gegeben, mit dem sich anscheinend phantasielose Architekten gegenseitig auszeichnen).

Unten in der Pausenhalle stehen - wie großzügig! - zwei Bänke.

Nunja, in den Pausen sollen die Schüler, die sich während der Unterrichtsstunden in völliger Agonie hübsch brav ihre Hintern platt sitzen, mal bewegen.

In den Pausen oder auch während der Unterrichtsstunden können sich also genau zehn Schüler mal hinsetzen

(die 1000 Schüler können ja [von wegen Bewegung] in den Pausen um die zehn Sitzplätze "Reise nach Jerusalem" spielen)

- und sitzen Hunderte von Schülern mit ihren Hintern auf dem eiskalten (aber pflegeleichten) Steinboden!

Und an gemütliche Sitzecken oder Lerninseln für individuelles Lernen oder Gruppenarbeiten während der Schulstunden oder gar Rückzugsräume hat eh keiner gedacht.

Wie konnte solch grobe, ja geradezu (wenn auch vermutlich nicht beabsichtigt) bösartige Fehlplanung passieren?:

  1. : Architekten, die noch nie vorher eine Schule geplant und sich offensichtlich auch nicht in pädagogischer Schularchitektur fit gemacht haben

  ;

  1. : Architekten die übers Grundstudium an der Fachhochschule nicht hinaus gekommen sind und deshalb nur endlos die derzeit gängige Kahl-Architektur wiederholen können;
  2. : das typische Problem vieler „Investorenarchitektur“: da entscheiden Finanzleute und (bei Schulen) Kultusbürokraten, deren ästhetisches Empfinden gegen Null konvergiert und die (bei Schulen) keinerlei Ahnung von pädagogischer Architektur und den Anforderungen des Schulalltags haben;
  3. : in typischer Arroganz der abgehobenen Herrschenden sind diejenigen, die in der Architektur arbeiten und leben müssen (in Schulen also Schulleitung, Lehrer und Schüler), "natürlich" nie gefragt worden.
(Seit wann werden Büroangestellte gefragt, wie sie sich ihren Arbeitsbereich vorstellen?! Nein, da wird
[„meiner ist aber länger“ ],

PS: natürlich kann man auch der Meinung sein:
  • Schule ist nicht dazu da, sich dort wohl zu fühlen
(vgl.),
  • sondern ganz im Gegenteil: "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker." (Friedrich Nietzsche);
  • Schule ist (Frontal-)Unterricht in Klassenräumen - und alles andere nur leider unvermeidbarer Weg, um vom Schulhof in die Klassenräume und umgekehrt von den Klassenräumen auf den Schulhof zu kommen
(weshalb konsequenterweise in den Pausen der Aufenthalt in der Pausenhalle verboten ist);
  • wir sehen ja, wohin uns all die Wohlfühl- und Kuschelpädagogik gebracht hat: ;
  • ? Aber ja doch!: