lasset die Kindlein zu mir kommen
Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie. Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist doch der Größte im Himmelreich? Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. |
Damit hier kein falscher Ton reinkommt:
gibt es immer wieder auch sehr "erwachsene" (≠ altkluge) SchülerInnen, die ihrer Zeit und Altersklasse weit voraus sind, und zudem verhalten sich SchülerInnen oftmals zur einen Zeit sehr kindlich, zur anderen durchaus erwachsen;
Kindlichkeit soll und darf kein Vorwurf sein: (nicht zu änderndes) Alter ist weder Verdienst noch Versagen.
Pädagoge "Lehrer, Erzieher; Erziehungswissenschaftler": Das Fremdwort wurde im 15. Jh. aus lat. paedagogus entlehnt, das seinerseits aus griech. paid-agogós übernommen ist. Dies bedeutet wörtlich "Kinder-, Knabenführer" (ursprünglich Adjektiv; zu griech. pais, paidós "Kind, Knabe" [Päd...] und griech. ágein "führen" bzw. griech. agogós "führend; Leiter, Führer"; vgl. Achse) und bezeichnete ursprünglich einen Sklaven [!!!], der die Kinder aus dem Hause der Eltern in die Schule oder in das Gymnasium und von dort wieder nach Hause zurück geleitete. Dann wurde das griech. Wort im Sinne von "Aufseher, Betreuer der Knaben" und schließlich im Sinne von "Erzieher, Lehrer" verwendet. (Duden) |
Vor lauter "Leistung" und fachlichen Ansprüchen (die allemal auch wichtig sind!) wird oftmals leider vergessen (bzw. es taucht in keiner derzeitigen Diskussion auf), dass wir als LehrerInnen - und zwar bis in die Oberstufe -
Kinder vor uns sitzen haben
und unsere SchülerInnen gerade als Kinder liebenswert sind.
Man schaue sich doch beispielsweise nur mal die Möchtegern-Vamps und die Jüngelchen in Kommunionsanzügen auf Abiturfeiern an, wenn sie dann schunkeln "We are the champions"!
Das darf man ja kaum laut sagen, weil die Jugendlichen unbedingt als "ganze", erwachsene Menschen ernst genommen werden wollen - und ein "verdammtes" Recht darauf haben!
Dabei ist die Einstufung (auch von OberstufenschülerInneN!) als Kinder doch nur dann herablassend, wenn man
nicht mehr ab und zu kindliche Züge an sich selbst entdeckt
und vergessen hat, was für ein Baby man selbst noch mit 18 war!
(Gibt es etwas Billigeres, als sich über Tanzkurse lustig zu machen, die einem doch auch selbst mal so wichtig waren? Oder wie dürfte über derzeitige Popsterchen lästern, wer selbst seinerzeit z.B. die
angehimmelt hat?
Am schlimmsten sind aber diejenigen [LehrerInnen], die auch damals schon nicht anhimmeln konnten, sondern "altklug" auf die Welt gekommen sind.)
Dass man da Kinder vor sich sitzen hat, vergisst man "im Eifer des (Leistungs- und fachlichen) Gefechts" allzu leicht: man redet Kilometer an den Jugendlichen vorbei und erwartet
eine kritische Herangehensweise sowie
ein fachliches Interesse,
das sie oftmals noch gar nicht haben können:
wenn Jugendliche überhaupt (gerne?) lernen, dann oftmals eher aus Angst vor schlechten Noten (und deren Konsequenzen) und um der Anerkennung (durch Eltern, MitschülerInnen und LehrerInnen) willen.
(Nebenbei: die Alternative zum Kilometer-dran-vorbei-Reden kann und darf natürlich nicht Anbiederung sein, die nur die reale Distanz übertüncht!
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang scheint mir auch, was letztens drei ausgesprochen gute SchülerInnen zu mir sagten: dass sie Unterricht durch die Bank gnadenlos langweilig fänden.
[Auch da erinnere man sich, wie gelangweilt man selbst 90 % des Schulunterrichts "abgesessen" hat!]
Zwar ist das ganz normal, wenn die SchülerInnen jahrein, jahraus jeden Tag sechs Stunden in sich "reinschlabbern" müssen und eine Menge Unterricht auch völlig uninspiriert erteilt wird. Aber mir scheint das Problem doch grundsätzlicher: der Unterricht könnte noch so gut sein, er geht kindliche SchülerInnen schlichtweg gar nichts an, und Schule interessiert sie überhaupt nur als Möglichkeit, ihre peergroup zu treffen.
Auch das heißt natürlich nicht, dass man nun die fachlichen Anforderungen fallen lassen sollte. Man muss sich nur der Distanz der SchülerInnen zum Stoff bewusst sein.)
Wenn sich - um im Klischee zu bleiben - Jungen mal wieder gebärden wie grunzende Gorillas (vgl. ) und Mädchen wie Zicken, witzele ich ja auch mal gerne rum:
"A uga aga uga, a uga aga uga"
Und dennoch oder gerade deswegen scheint mir das Wort "Pubertät" fatal zu sein:
Pubertät [lat.], die Entwicklungsphase des Menschen zw. Kindheit und Erwachsensein. Beginn und Ende der P. liegen in M-Europa bei Mädchen etwa zw. dem 11. (erste Menstruation) und 15./16., bei Knaben etwa zw. dem 12. (erste Ejakulation bzw. Pollution) und 16./17. Lebensjahr. Außer durch die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale ist die P. bes. durch Veränderungen hinsichtl. des Körperwachstums gekennzeichnet (puberaler Wachstumsschub). Die körperl. Entwicklung in der P. ist mit der geistigen Entwicklung zur sozial selbständigen Individualität verbunden. Bedingt durch das Spannungsverhältnis physiolog. (v. a. hormonal) bedingter Körperveränderungen und sozial noch nicht "geordneten" Geschlechtslebens, ist die P. auch eine Phase sozialer und psych. Unausgeglichenheit. Im Verhalten zeigen sich leicht hervorrufbare, starke Erregtheit, Gefühlsambivalenz und -übersteigerung ("Zerrissenheit"), Protesthaltung (v. a. gegen die Erwachsenenwelt) und soziale Orientierungsschwierigkeiten.
(Meyers Lexikonverlag)
wird da die (sicherlich auch wichtige) Geschlechtlichkeit überbetont: eine fatale "Verwissenschaftlichung" und damit Legitimation der sexuellen Überforderung, die heute aus allen Medien die Jugendlichen überschwemmt;
aber wird da eine "Entwicklungsphase des Menschen zw. Kindheit und Erwachsensein" geschoben, d.h. ein heilloser Leerraum statt ein Übergang etabliert (womit ja die Übergangsschwierigkeiten nicht geleugnet werden sollen).
"kindlich" heißt nicht
kindisch, albern, läppisch, simpel, infantil, pueril; ahnungslos, arglos, jugendlich; Albernheit, Infantilität.
(Duden) ,
und gerade Kinder besitzen ja oftmals noch eine unverstellte Neugierde, die allerdings leider oftmals in der "Pubertät" vollständig den Bach runtergeht,
seis, weil die SchülerInnen dann lange genug sterbenslangweiligen Unterricht genossen haben,
seis, weil die "Pubertät" selbst, also
dieses Nichtwissen, wo man hingehört,
diese übergroßen Wünsche, denen jedes konkrete Engagement zu klein erscheint,
diese Scham, sich für irgendetwas außer reiner Jugendkultur zu begeistern,
ihnen allen Appetit verdirbt.
Wenn aber Kinder von Natur aus neugierig sind, so ist für sie weniger eine stringente Aufteilung in abstrakte Fächer als ein integrierter Projektunterricht geeignet
(was man heute "Sachunterricht" nennt und früher - mir besser gefallend - "Heimatkunde" hieß: sich in der Welt heimisch fühlen).
Eine weitere Konsequenz aus der probeweisen These, dass SchülerInnen bis ins Abitur (auch) Kinder sind, muss vielleicht auch sein, dass man gar kein originäres "kritisches" Interesse voraussetzen kann, sondern einfach nur Tätigkeiten einfordern muss: "Es ist völlig egal, ob euch Goethe oder die Integralrechnung etwas »sagt«, sondern zu morgen macht ihr dies oder das." Das ist nicht bloß autoritär, sondern vertraut auch ein wenig darauf, dass der Appetit beim Essen kommt.
Vielleicht müssen wir auch den "Kindern" zuliebe wieder mehr die typischen Kinderfragen stellen lernen, die ja oftmals überhaupt erst ins Mark eines Problems führen:
"Wie wäre es, wenn man hinter einem Lichtstrahl herliefe? Wie, wenn man auf ihm ritte?"
(Albert Einstein)
Ein stromdurchflossener Leiter hat ein Feld um sich. Aber warum? Und was ist dieses "Feld" eigentlich? - mehr als eine indirekt nachweisbare Metapher?
"Warum ist die Banane krumm?"
Nur müssen dazu erst wir LehrerInnen (zusammen mit den SchülerInnen bzw. sogar von ihnen) wieder die einfachen, noch nicht durch Vorwissen erschlagenen (nur scheinbar beantworteten) Fragen zu stellen lernen:
"Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ..."
Vermutlich ist es aber nur ein erstes Zeichen zunehmender Vergreisung, wenn man alles, was jünger ist als man selbst, als Kinder ansieht und
Denn das wird einem doch immer mehr passieren, je älter man wird: dass ein Großteil der Menschen jünger ist als man selbst. Und ich vermute fast, dass hinter der abschätzigen Beurteilung der Jugend oftmals nur verzweifelter Neid steckt: "die dürfen noch weiter feiern, wenn ich längst ins Grab gefahren bin".