niemals langweilig: der Lehrerberuf

Es gibt wohl über fast jeden Beruf Klischees, und an vielen ist oftmals auch was dran.

Nehmen wir nur mal den Arztberuf: als ich jüngst im Krankenhaus war, durfte ich mal wieder eine "große Chefarztvisite" mit ellenlangem Gefolge erleben: gibt es überhaupt was Lächerlicheres?! Und vor der Klinik gab es auf dem Parkplatz allen Ernstes eine Park-Hackordnung: Platz 1 direkt neben dem Haupteingang war für den "Verwaltungsdirektor" reserviert

(das Geld kommt vor aller Medizin),

und direkt daneben folgten dann erstmal die Parkplätze für die "Chefärzte". Auf diesen Parkplätzen standen dann nebeneinander ausnahmslos schweineteure Bonzenschleudern, die nur bewiesen, dass all die Hoheiten letztlich nur kleine Jungs sind.

Merkwürdig ist es allerdings, dass ich nur Ausnahmen von den Klischess kenne - oder genauer: näher kenne

(also z.B. Ärzte, die schrottreife Kleinwagen fahren):

ein Mensch, der geil auf dicke Autos ist, wäre ja eh nie mein Freund, und zwar

Und so kenne ich sogar

(was ich niemals für möglich gehalten hätte)

einen ausgesprochen sympathischen, ganz unschickeriahaften, bodenständigen Reklameheini!

Wie über andere Berufe, so gibt es natürlich auch hübsche Klischees über den Lehrerberuf:

(und kaum sind die Ferien vorbei, machen sie schon wieder einen Lehrerausflug!):

                   2 Wochen Weihnachtsferien
               + 2 Wochen Osterferien
               + 6 Wochen Sommerferien
               + 2 Wochen Herbstferien

                 12 Wochen Ferien,

also drei mal soviel wie ein Normalsterblicher.

(Lehrer haben's auch nicht leicht: nach sechs Wochen Sommerferien sind sie derart aus dem Beruf raus, dass sie geradezu einen neuen Job lernen müssen.

Nebenbei: es soll tatsächlich Leute geben, die sich den Lehrerberuf wegen des sicheren Beamtengehalts/-status', der Nur-Vormittags-Arbeit und der vielen Ferien aussuchen. Da bin ich fassungslos.)

Und wohlgemerkt: in der restlichen (Nicht-Ferien-)Zeit arbeiten sie auch nur halb.

(wie z.B. jeder Vermieter oder Handwerker bestätigen wird)

ausnahmslos Querulanten.

Wenn mir jemand mit solchen Weisheiten kommt

(und über Schule und Lehrer meint ja jeder mitreden zu können, denn es gibt kaum einen anderen Lebensbereich, der allen Menschen so gemeinsam ist),

widerspreche ich nie und bringe ich auch keine (aussichtslosen) Gegenargumente vor, sondern stimme ich ihm immer rundum zu - und frage, warum solch ein Schlaumeier nicht selbst den wunderschön geruhsamen Lehrerberuf ergriffen hat

(häufig kommt dann die Antwort "bin ich blöd, fremder Leute Rotzblagen zu erziehen?!", woraus ich - hinter all den Vorurteilen über den Lehrerberuf - dann doch Bewunderung herauszuhören meine).

Nun hat jeder Beruf auch seine Nachteile:

vor Jahren war ich wegen eines Fußgelenktrümmerbruchs mal bei einem "niedergelassenen" Chirurgen, der vier (!) Behandlungszimmer hintereinander hatte und den ganzen Tag von einem zum anderen rannte:

Oder Zahnärzten kommt das ewige "Bohren & Plombieren & Karies-Entfernen" doch vermutlich auch zu sämtlichen Poren raus.

(nebenbei: der Traumberuf "Stewardess" besteht in Wirklichkeit aus höchst stressigem Essenverteilen und -einsammeln in viel zu engen Gängen, d.h. eine Stewardess ist eine schlechtere Kellnerin; und von den ach so tollen Zielorten kriegt sie eh nichts mit, weil sie dort in nichtssagenden Standardhotels ausschlafen muss).

Nun mag man allerdings aus diesen (höchst einseitigen) Berufsbeschreibungen die Arroganz eines Lehrers heraushören, der ein arbeitsarmes und bestens abgesichertes Luxusleben führt.

In Wirklichkeit bin ich aber doch ein bisschen differenzierter

(ich wollte ja nur mal pointiert die Nachteile aufzählen, die jeder Beruf auch hat;

manchmal empfehle ich meinen Oberstufenschülern, wenn sie gerade auf Berufssuche sind: "lest euch nixht alles an,
          sondern sprecht vor allem mit Berufspraktikern und fragt diese: »warum machst du diesen Beruf trotzdem?«")
:

(es ist eben - nur als Beispiel - nicht selbstverständlich oder gar "mein gutes Recht", dass sich mitten in der Nacht im Krankenhaus jemand [und dann auch noch freundlich] um mich kümmert, wenn das etwa durch einen Unfall nötig ist).

Ein Beispiel:

sicherlich ist "Verkäuferin"

(es sind ja meistens noch Frauen)

kein a priori prickelnder Beruf, aber ich staune doch immer wieder über Verkäuferinnen, die mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft "was draus machen":

"wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus", d.h.

Die Nachteile des Lehrerberufs sind "KKK":

(sowie - allerdings nicht an "meiner" Schule - eventuell eine extrem schwierige Schülerschaft).

Mit zunehmendem Alter habe ich zudem den typischen Schulvormittag als extrem "stressig" erlebt:

(vgl. ).

Auf jeden Fall habe ich mich aber in 28 Dienstjahren als Lehrer

(außer in Konferenzen, in denen nichtmal der "Totstellreflex" hilft)

 keine einzige Sekunde gelangweilt:

  1. , weil ich vor Einführung der zentralen Prüfungen und der daraus folgenden brachialen Vereinheitlichung des Lehrplans im Fach Deutsch kein einziges Buch doppelt durchgenommen habe,
  2. und vor allem aber, weil sich vielleicht der Stoff wiederholte

(z.B. "der Pythagoras" in jeder neunten Klasse),

aber

  1. an diesem scheinbar ewig gleichen Stoff doch immer neue Aspekte zu entdecken waren,

  2. immer neue Schüler den ewig gleichen Stoff lernten und sich dadurch immer neue Unterrichtssituationen ergaben,

  3. der ewig gleiche Stoff auf immer neue Art vermittelt werden musste / konnte

(a. bis c. haben "Lehrer", die ohne Not

[nämlich extrem schwierige Schüler-Klientel oder aufgrund einer schweren Krankheit]

nur aus der Schule rauszukommen versuchen

[um beispielsweise in die Kultusbürokratie zu entfleuchen oder frühpensioniert zu werden],

nie begriffen).

Kommt hinzu: wenn man geistig offen ist (in den Wald hinein ruft), ist der Lehrerberuf tatsächlich enorm privilegiert, ermöglicht er es einem doch, im Kontakt mit jungen Leuten geistig offen zu bleiben.

PS:

Es war mir wirklich mal danach, Reklame für den Lehrerberuf zu machen!

Allerdings befürchte ich, dass die Post-PISA-"Reformen" fast eine Freiheitsberaubung für heutige Junglehrer sind und sie sich deshalb kreative Freiheit kaum mehr vorstellen können.