der Lernbegleiter

Vorweg:

  1. Ich kann den "Lernberater" hier nur andenken, nicht aber ein vollständiges Konzept aufstellen.

  2. Man bleibe mir vom Hals mit modischen Begriffen à la "Moderator" oder gar "Coach"

(... die - wie jede Ideologie - meist nur Machtverhältnisse verschleiern).

 

 

"In Deutschland erhalten die Schüler nach ihrer eigenen Einschätzung zu wenig Unterstützung von ihren Lehrern [...]. Die Schüler geben an, zu wenig Hilfestellung beim Lernen zu erhalten sowie zu wenig Interesse am Lernfortschritt jedes Einzelnen finden."
(zitiert nach Bild )

  1. gibt es sicherlich (neben den Rohrkrepierern) auch viele LehrerInnen, die sich durchaus für den Lernfortschritt ihrer SchülerInnen interessieren und die ihn unterstützen - oder es gerne würden.

  2. sollen existierende Missstände weder entschuldigt noch verharmlost werden, gilt es aber vor allem doch nach ihren Ursachen zu suchen und daraus dann Verbesserungsvorschläge zu entwickeln.

Zentrale Ursachen für den genannten Missstand scheinen mir in Deutschland

  1. die hohen Unterrichtsverpflichtungen der LehrerInnen

(25 - 28 Schulstunden pro Woche: da ist es doch nur ein Witz, dass die ernsthaft vor- und nachbereitet sein sollen),

  1. die großen Klassen

zu sein.

(Der Fairness halber sei allerdings sofort hinzugefügt:

"Eine weitere Forderung, die in der Pisa-Diskussion in Deutschland oftmals aufgrund von einfachen Vergleichen mit einzelnen Ländern gestellt wurde, ist die Verringerung der Klassengrößen. Mit gleichem Recht wie irgendein sonstiger Vergleich mit einzelnen Länderbeispielen könnte man Deutschland mit Japan oder Südkorea – den beiden Ländern, die in Mathematik und Naturwissenschaften die ersten beiden Plätze belegen – vergleichen und daraus schließen, dass Deutschland (mit einer durchschnittlichen Klassengröße von 24 Schülern) ähnliche Klassengrößen wie diese beiden Länder anstreben sollte – nämlich 39 Schüler pro Klasse.
[...]
Simple Ländervergleiche und die Beschränkung auf einzelne Einflussfaktoren können also zu zutiefst irreführenden Ergebnissen führen. Sie bergen immer die Gefahr, dass gerade das Vergleichsland herausgepickt wird, das am besten in ein Argument passt. In der Realität gibt es aber immer »
Ausreißer«  einzelner Länder, die eigentlich keinen allgemeinen Zusammenhang widerspiegeln. Es wirken auch immer zahlreiche Einflussfaktoren auf einmal, etwa Unterschiede im familiären Hintergrund, in der Klassengröße und in der institutionellen Gestaltung des Schulsystems. Um fundierte Schlussfolgerungen aus den internationalen Vergleichsstudien ziehen zu können, müssen also möglichst viele Länder und zahlreiche Einflussfaktoren zugleich berücksichtigt werden."
[zitiert nach Bild ]

Und selbst beispielsweise die Informationen über Japan sollte man wiederum relativieren: das japanische System mit Riesenklassen funktioniert nur, weil die meisten SchülerInnen an zusätzlichen Minikursen teilnehmen.)

Also mal angenommen, einE LehrerIn unterrichtet 27 Stunden in der Woche, d.h. - nach einer Aufteilungsmöglichkeit - neun Klassen à 30 SchülerInnen. Daraus folgt doch nach Adam Riese, dass dieseR LehrerIn 270 SchülerInnen unterrichtet.

Wie soll die Lehrkraft (selbst wenn sie es gern tun würde) sich da noch ernsthaft für den Lernfortschritt einzelner SchülerInnen interessieren und ihnen individuelle Hilfen geben können???

Die Realität sieht doch meistens (leider!) oftmals so aus, dass die Lehrkraft schon allein Schwierigkeiten hat, sich alle Gesichter und Namen zu merken. Von den einzelnen SchülerInnen weiß sie - wenn's hoch kommt - außer der direkten Beteiligung im Unterricht

(oftmals ein einziges "Schweigen im Walde", auch "Schüchternheit" oder - böser - "Faulheit" genannt)

gar nichts. D.h. auch, dass die Lehrkraft kaum jemals individuelle Prozesse von SchülerInnen bemerkt, geschweige dass der Lehrkraft Verhalten und Leistungen der SchülerInnen in anderen Fächern oder auch familiäre und individuelle Hintergründe bekannt sind.

(Ich hatte jüngst noch grausamen Anlass zu bemerken, wie verkehrt harmlose Äußerungen und ganze Unterrichtsthemen sein können, wenn man die familiären Hintergründe von SchülerInneN nicht kennt.)

Und selbst der Klassenlehrerin bzw. dem Klassenlehrer

(die/der letztlich schon mit der Vermittlung ihres/seines Faches gut ausgelastet ist)

entgeht das meiste.

Ein Austausch der LehrerInnen über die Unterrichtsgruppen findet (mangels Zeit) kaum je statt, und Fehlentwicklungen werden meist erst in der Zeugniskonferenz deutlich, also dann, wenn "das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist". Dann aber macht man nur noch "den Sarg dicht", d.h.

(wie zynisch: "im wohlverstandenen eigenen Interesse der SchülerIn

bzw. des Schülers")

"lässt sitzen".


Nun beißt sich bei Lösungsvorschlägen allerdings leider die Katze in den eigenen Schwanz:

Nun sollte man zwar immer dreist bei der Maximalforderung bleiben (mehr LehrerInnen, also auch mehr "Lernbegleiter"!), um wenigstens minimale Verbesserungen zu erreichen.

Aber der "Lernbegleiter" ist ja auch beim status quo nur scheinbar unmöglich, nämlich nur dann, wenn man ihn noch zusätzlich "oben drauf packen", den sowieso überlasteten LehrerInnen also noch Zusatzarbeit abfordern will. 

Ich hingegen meine:

Die Lernberatung wäre ein lohnender Teil des Unterrichts, und deshalb könnte für sie durchaus Zeit vom sonstigen

(böse gesagt: ohne Lernberatung ja auch nicht sonderlich ergiebigen)

Unterricht "abgeknapst" werden.

(Wir wissen doch alle, wie lohnend es ist, wenn man dann - im "normalen" Unterricht - doch ausnahmsweise mal Zeit für längere Einzelgespräche hat: da erfährt man mehr über EinzelSchülerInnen als sonst in einem ganzen Jahr!)

Mehr noch: eine Folge der Lernberatung könnte es sogar sein (s.u.), dass SchülerInnen zeitweise überhaupt nicht mehr in den "normalen" Unterricht (zumindest eines Faches) gehen - sondern anderweitig (und durchaus im Sinne des jeweiligen Faches) beschäftigt sind.


Zwei mögliche Modelle sind denkbar: "offizieller" Lernbegleiter der einzelnen SchülerInnen wird

(etwa so, wie ich ja auch dringend für eine strikte Trennung von kultusbürokratischer Schulkontrolle [falls sie überhaupt nötig ist] und Schulberatung bin - und man mache jetzt um Gottes Willen nicht ausgerechnet die ehemaligen Kontrolleure zu Beratern!),

sondern höchstens eventuell seine spezielle "Beratungsnote" gibt (s.u.).

Den Hintersinn dieser zweiten (besseren?) Lösung wird man schon rausgehört haben: da die Beratung ja (auch schlechte) Leistungen verbessern soll, muss sie unabhängig vom derzeitigen Leistungsstand der SchülerInnen sein.

(Bewertbar wäre höchstens [in einem ersten Schritt],

[in diesem Sinne bekämen die SchülerInnen, die sich von einer 4 auf eine 3 verbessern, dieselbe Beratungs"note" wie die SchülerInnen, die sich von einer 2 auf eine 1 verbessern],

Aber es scheint mir überhaupt ein Fehler, immer sofort auf Noten zu schielen.)

Denkbar wäre sogar eine gewisse "Schweigepflicht" des Lernberaters: gewisse diskrete Informationen, die er durch die SchülerInnen erhält, darf er eben nicht ungefragt an FachlehrerInnen weitergeben. Nur so können SchülerInnen das Vertrauen gewinnen, dass "Erkenntnisse" aus der Lernberatung sich nicht doch wieder in Fachzensuren niederschlagen.


Die Lernberatung würde für alle SchülerInnen stattfinden bzw. wäre für alle ein Pflichtteil ihrer schulischen Laufbahn.

(Um das obige Beispiel der Verbesserung von 4 auf 3 bzw. von 2 auf 1 weiter zu denken: selbstverständlich kann sich auch einE SchülerIn

[zwar nicht gemessen am Klassendurchschnitt, wohl aber an den eigenen Leistungsmöglichkeiten]

weiter verbessern, die/der bereits 1 steht.)


Der Lernberater wäre

(um hier mal nur über fachliche Leistungen zu sprechen, in die persönliche Hintergründe natürlich massiv eingehen)

für alle Fächer zuständig, müsste also möglichst permanent Informationen aus all diesen Fächern erhalten

(sei's durch die SchülerInnen selbst, sei's durch die FachlehrerInnen).

Spätestens hier zeigt sich aber auch, dass an Lernberater besondere

(kaum erfüllbare?)

Anforderungen zu stellen wären: sie müssten

(schlicht und einfach das besondere Vertrauen der SchülerInnen gewinnen können),


Eine Form der Beratung bestünde in einer Art individuellem "Wochen-, Monats-" oder sogar "Schuljahrsplan", der mit den jeweiligen SchülerInneN abgesprochen würde:

(z.B. Konzentrationsprobleme)

und wie kann ich sie systematisch angehen?

(... beispielsweise ein fachlicher Exkurs, der in einer begleiteten [!] "Facharbeit" erledigt würde - und dazu würde die/der SchülerIn

dann beispielsweise mal eine Woche nicht im regulären Fachunterricht auftauchen; aber ihre/seine Erkenntnisse sollten danach, wenn irgend möglich, durchaus in den Fachunterricht eingehen!)

Jede Wette, dass die SchülerInnen vermehrt selbständig solche Exkurse vorschlagen würden, wenn sie sie erstmal als attraktiv erlebt hätten.


Ich würde zu allererst darauf vertrauen, dass die "institutionalisierte" Lernberatung weitgehend ohne "Druck" funktionieren würde. Die SchülerInnen wären schnell davon überzeugt, dass ihnen eine individuelle Beratung wohl täte.

Wenn man nun aber dennoch der (völligen) Freiheit misstraut, könnte man durchaus Bewertungen einführen:

  1. Erscheinen die SchülerInnen regelmäßig bei den Beratungen?

  2. Zeigen sie ein echtes "Verbesserungsinteresse"?

(dem echten Versuch müsste ja nichtmal eine tatsächliche Verbesserung folgen)

  1. Sind sie zu Vereinbarungen bereit?

  2. Halten sie sich an gemeinsam

(nicht durch den Lernberater aufoktroyierte)

Vereinbarungen?

(z.B.:


Ich könnte mir den Lernbegleiter zumindest für einige SchülerInnen vorstellen:

  1. wenn einE SchülerIn

    selbst darum bittet

(und die Institution des Lernbegleiters überhaupt allen SchülerInneN bekannt ist),

  1. aber auch als Verpflichtung einzelner SchülerInnen etwa durch eine Klassenkonferenz.

Wichtig scheint mir aber allemal, dass die SchülerInnen sich ihre Lernbegleiter (Personen ihres Vertrauens) selbst aussuchen.

Im 2. Fall könnte nach vielen vergeblichen Versuchen des Lernbegleiters auch eine Konsequenz darin bestehen, dass er "offiziell" von seinem "Amt" zurücktritt, also sowohl dem Schüler als auch der Klassenkonferenz mitteilt, dass jede Hilfe fruchtlos sei: irgendwann müssen SchülerInnen auch Eigenverantwortung (für ihr schulisches Scheitern) übernehmen.