Lernziel "lieben"

"Es gab eine Zeit,
eine Zeit voller Zärtlichkeit,
da wurden Knuddeln und Knutschen und Lieben
immer groß geschrieben.
Ich denk' gern' zurück
an die Zeit von Harmonie und Glück,
als ich täglich in ein Poesiealbum schrieb:
Piep, piep, piep, ich hab' Dich lieb."
(Guildo Horn)
 

"[...] welch Glück, geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück!"
(Johann Wolfgang Goethe)

Vor circa 20 Jahren durfte das Buch Bild in keinem gutsortierten Hippie-Bücherregal fehlen. Dabei hat Fromm in diesem reichlich verklemmten Buch doch eigentlich nur eine Banalität verkündet - die allerdings auch ich erst langwierig entdecken musste:

dass man auch "was" anderes als nur den

(selbstverständlich ordentlich katholisch angetrauten)

Ehepartner

(und überhaupt nur korrekt "hetero")

lieben kann und "darf".

Mir scheint, viele Eifersucht und viele Ein-Zweisamkeit wären aufgehoben, wenn so einige Leute lernen würden, dass man

(sowieso abgesehen von Eltern und Kindern)

auch gute

(sogar gleich"geschlechtliche")

"sonstige" FreundInnEn haben und lieben (!), ja, es ihnen sogar sagen bzw. zeigen "darf" - und sollte.

(Nebenbei: Leute [Männer!], die losschnauben, das sei ja schwul bzw. lesbisch ["schwule Sau"], offenbaren nur, dass

Eine ausschließliche "Liebe" ist gar keine Liebe und hat rein gar nichts mit der individuellen Personen, die da "geliebt" wird, zu tun.


Fromm zeigt in seinem Buch

(neben der "erotischen Liebe")

auch andere "Objekte" der Liebe, nämlich

(die armen Väter!)

aber das ist alles noch eine Liebe zu Personen

(soweit man Gott auch als solche ansieht).

Dabei

(vgl. oben "was")

kann man ja durchaus auch Nicht-Personen, also "Dinge" (???) lieben (!), nämlich z.B.

(oder zumindest die Opfer der Geschichte),

(vgl. Bild ),

("nicht ich kann das halbe Universum verstehen, wohl aber können wir [die Menschen] es"),


Wo, zum Teufel, ist in der gesamten derzeitigen PISA-Bildungs-Debatte jemals die Rede von der Liebe (!) zu Schulfächern und - durch sie hindurch - zur "Welt"?!


Diese Liebe wird doch durch das Bündel derzeitig neu eingeführter Kontrollmaßnahmen, also

(selbst wenn stattdessen Wichtigeres stattfände),

eher ausgetrieben

(soll ausgetrieben werden?: auf einer Podiumsdiskussion sagte letztens eine Kultusbeamtin ausdrücklich, Schule sei nicht dazu da, Spaß zu haben; nunja, sie ist nicht nur dazu da).

Vor allem sanieren all diese Kontrollmaßnahmen - wenn überhaupt??? - nur die Oberfläche

(Leistungsoptimierung),

nicht aber die "eigentliche" Schule, nämlich den Unterricht.

Gefährlich leicht kommt dabei nur Folgendes heraus:

Bild

"Die Schule hat mich gezwungen, alles, was sie wollte, zu lernen und zu wissen. Nur eins hat sie mich nicht gelehrt: selbständig zu urteilen, zu wissen, was mir gefällt, was ich liebe, was ich selber will. Mir hat manches Spaß gemacht, anderes nicht. Und wenn etwas keinen Spaß machte, dann war es ein bißchen schwieriger, das heißt, man mußte sich etwas mehr anstrengen, um die »Eins« zu bekommen, die von der Schule gefordert wurde. Und ich habe der Schule gehorcht und ... und ich wagte nicht, irgend etwas wirklich stark zu lieben. Jetzt schaue ich mich um, und es kommt mir vor, als liebte ich - nichts! Nichts, außer Mama, Papa und der Schule. Tausend Wege - für mich sind sie alle gleich dunkel, ich kann sie nicht unterscheiden! Sie glauben, ich müßte glücklich sein -. Mir ist schrecklich zu Mute. Ganz schrecklich."
(vgl. Bild )

Mit "was [!] ich [nicht] liebe" meint die Schülerin hier ja - neben "Mama, Papa und der Schule" - wohl vor allem Interessensgebiete bzw. Schulfächer

(bzw. eine Liebe zur "Welt", die durch die Schulfächer durchscheinen könnte/sollte?).

Dabei differenziert die Schülerin noch genauer, sagt nämlich, dass ihr wohl einiges "Spaß" gemacht habe, sie "es" aber nicht liebe. Und selbst der Spaß wird von ihr prompt wieder an die Bild zurückgebunden

("[...] um die »Eins« zu bekommen, die von der Schule gefordert wurde.")

und somit regelrecht vernichtet.


Wo ich auch hinhöre, ich höre beim Thema "Schule" fast nie das Wort "Liebe".

Erstmal "nur" von Lehrerseite:

Liebe zum Beruf, d.h.

(und der durch sie hindurch scheinenden "Welt"),

(und manchmal auch nervtötenden!)

Umgang mit Jugendlichen

(wobei es eine Banalität ist, dass man nicht alle SchülerInnen mögen kann).

Wie soll denn dann die "Welt", aber auch der (Fach-)Unterricht ansteckend wirken?

Dabei behaupte ich ja nicht, dass das immer so sein kann

(es gibt notgedrungen auch viele [Pauk-]Durststrecken).

Und nichts gegen persönliche, mentorhafte Anforderungen, aber mir scheint beim ausgenudelten, ach so hübsch alliterierenden Modewort "Fordern & Fördern" doch ein höchst verqueres Verständnis von "Liebe" Renaissance zu feiern:

"Wer die Rute spart, hasst seinen Sohn, wer ihn liebt, nimmt ihn früh in Zucht."
(Altes Testament, Sprüche, 24)

(Es gibt in der Tat immer noch [?] erschreckend viele LehrerInnen, deren "pädagogisches" [???] Selbstverständnis so aussieht - was sie nie zugeben würden: sie verstehen sich "nur" als Notenmaschinen bzw. Vorbereiter auf die harte ökonomische Welt "da draußen".)

Nebenbei: damit LehrerInnen lieben können, brauchen sie Luft zur Liebe, also weniger Reglementierungen.


Um auf das Zitat der Schülerin in Tendrjakows Roman zurück zu kommen:

Eine Äußerung von Arnfried Astel umdrehend, könnte sie sagen:

"Ich hatte eine gute [geliebte!, bemutternde, schützende] Schule,
 das war eine schlechte Lehre."

Bzw. die Schülerin hat das Falsche lieben gelernt: die Schule statt deren Fächer bzw. der durch sie durchscheinenden Welt "da draußen"

(vgl. "Einstürzende Neubauten":

Draußen ist feindlich

Es wird hell
draußen ist feindlich
Schließ dich ein mit mir
hier sind wir sicher
ich liebe dich
vergiss es).

Von mir aus sollen SchülerInnen ja durchaus auch die Schule lieben, d.h. sich da geborgen fühlen. Aber das ist doch schnell eine Affenliebe, nach der die SchülerInnen

(typisch beim Ende jeder Liebe?)

allzu leicht in ein

(unvermeidbares?)

Loch fallen

(vgl.  Bild ).

Eine Frage ist also, ob nicht sogar (oder gerade) die beste Schule den Absturz "danach" provoziert, ob sie also überhaupt auf "da draußen" vorbereiten kann.


Man kann nicht "die" gesamte Schule lieben, d.h. alle Fächer

(und gar alle LehrerInnen).

Aber ich empfehle

(in arger Altersweisheit?)

den SchülerInnen doch immer, zweierlei zu lieben (!):

  1. eine außerschulische Tätigkeit bzw. ein Hobby, bei denen man Ehrgeiz entwickelt und "es"

(nur für sich selbst, aber vielleicht auch im Vergleich mit dem Umfeld)

genauer wissen bzw. besser können will

(denn viele Jugendliche brauchen dringend Erfolgserlebnisse und überhaupt eine selbstgestellte Aufgabe),

  1. ein Schulfach, in dem man denselben Ehrgeiz entwickelt, und zwar sogar unabhängig davon, wie mehr oder minder liebens(!)wert es unterrichtet wird, also etwa nach dem Motto

"der Lehrer mag Literatur noch so langweilig rüber bringen, ich mache mir meinen Spaß selbst und lese mehr/anderes, als im Unterricht gefordert".


Es ist ja auch gar kein Wunder, dass "Liebe" in sämtlichen offiziellen Äußerungen zur Schule nicht vorkommt

(vorwerfen lässt sich höchstens, dass

Liebe lässt sich nicht reglementieren und vorschreiben - und nicht garantieren.

Es ist wie mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung:

"We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.":

Man kann vielleicht das Recht auf "the pursuit of Happiness" (Liebe), aber sicherlich nicht die Happiness/Liebe selbst garantieren. D.h. man kann nicht mehr und nicht weniger tun, als den Menschen einen Platz für Happiness/Liebe zu geben - den sie selbst füllen müssen.

Auf LehrerInnen übertragen: sie können versuchen, ihre Fächer und die "Welt" als liebenswert vorzuleben

(bei allem in der Welt nun wahrhaft nicht Liebenswerten!),

aber hochtrabend gesagt:

die Flamme der Liebe müssen die SchülerInnen schon selbst anzünden

(im derzeit gängigen Modejargon: die SchülerInnen müssen die Liebe selbst - pfui Spinne! - "konstruieren"):

Bild
Written by June Carter and Merle Kilgore

Love Is A Burning Thing
And It Makes A Fiery Ring
Bound By Wild Desire
I Fell Into A Ring Of Fire

CHORUS:
I Fell Into A Burning Ring Of Fire
I Went Down, Down, Down
And The Flames Went Higher

And It Burns, Burns, Burns
The Ring Of Fire
The Ring Of Fire

[...]


Da Schule nach Aussage einer bayerischen Kultusbeamtin ausdrücklich nicht dazu da ist, Spaß zu machen, ist Folgendes zweifelsohne ganz schrecklich:

Bild Bild
(nunja, so ganz glauben mag ich die hier berichtete permanente Glückseligkeit allerdings auch nicht)