Man sollte den Lehrerberuf allerdings nicht bloß als "Job" herunterreißen.

„Lehrer klagen andauernd“

(ich halte allerdings prophylaktisches [und teilweise selbstironisches] Klagen & Lästern allemal für gesundheitsfördernd):

wie jeder andere Beruf, so hat natürlich auch der Lehrerjob seine spezifischen Nachteile. Nur zwei Beispiele:


Als größte Vorteile des Lehrerberufs werden oft genannt:

  1. die ewig langen Ferien,
  2. „Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei“, also einen vollbezahlten Teilzeitjob

(aus 1. und 2. zusammen folgt dann klischeemäßig "[Lehrer sind] alles faule Säcke" [so der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder]),

  1. ein nicht nur (im internationalen Vergleich) gutes, sondern auch (insbesondere bei verbeamteten Lehrern) langfristig verlässliches Gehalt.

Nun lassen sich zumindest die ersten beiden Klischees natürlich umgehend relativieren

(um glücklicherweise doch wieder klagen zu können):

  1. zu den „ewig langen Ferien“:

    Lehrer sprechen da lieber von „unterrichtsfreier Zeit“, denn während dieser Zeit müssen zumindest Hauptfachlehrer

    (außer in den Sommerferien)

    ja oftmals wahre Klausurenberge wegkorrigieren und außerdem noch zukünftige Unterrichtsreihen vorbereiten

    (wirklich Ferien hat ein Lehrer "nur" in den vier bis fünf ersten Wochen der Sommerferien - also auch nicht länger als Normalsterbliche in anderen Berufen).

  2. zum „vollbezahlten Teilzeitjob“:

Lehrer unterrichten „nur“ ca. 25 Schulstunden pro Woche, und da jede Schul"stunde" in Wirklichkeit nur 45 Minuten = 0,75 Zeitstunden lang ist, ergibt das eine Gesamtarbeitszeit von 25 • 0,75 = 18,75 Zeitstunden, was weniger als eine halbe Stelle in anderen Berufen ist, aber wie eine ganze Stelle bezahlt wird.

Und natürlich können Lehrer

(zumindest dann, wenn ihre Schulen noch keine Ganztagsschulen sind)

fast täglich ein Mittagsschläfchen machen oder bereits um 14 Uhr gemeinsam mit Rentnern die Baumärkte bevölkern

(„treffen sich zwei Lehrer um 14 Uhr im Baumarkt; sagt der eine zum anderen: »konntest du auch nicht schlafen?«“):

Lehrer brauchen also wahrhaft keine verlängerten Ladenöffnungszeiten

(und haben deshalb manchmal nur ein ignorantes Unverständnis dafür, dass andere Berufstätige diese verlängerten Öffnungszeiten sehr wohl brauchen).

Wie bei den Ferien sehen viele Leute auch beim „Halbzeitjob“ der Lehrer nur das Äußerliche, nämlich z.B. den Lehrer, der bereits zu einer Zeit den Rasen mäht, zu der alle anderen Menschen noch „richtig“ arbeiten

(eigentlich dürfte es dann allerdings niemanden geben, der den Lehrer bei der Gartenarbeit beobachten könnte).

Was allerdings unsichtbar bleibt, ist, dass derselbe Lehrer bis 12 Uhr nachts in seinem Arbeitszimmer korrigiert

(wie etwa meine Frau es regelmäßig tut, während ich als notorischer Frühaufsteher oft ab 4 Uhr morgens Unterricht vorbereitet oder korrigiert habe).

Und was eben auch kaum jemand sieht, ist, dass hinter den 18,75 Unterrichts(zeit)stunden oftmals noch mindestens weitere 18,75 Stunden Unterrichts-Vor- und -Nachbereitungs(=Korrektur-)zeit stecken: 

„Über die Arbeitszeiten von Lehrerinnen und Lehrern liegen mehrere Untersuchungen vor. Das weit verbreitete Vorurteil, beim Lehrerberuf würde es sich um einen gut bezahlten Halbtagsjob handeln, trifft jedenfalls nicht zu. Im Gegenteil: Lehrerinnen und Lehrer arbeiten durchschnittlich länger als es tariflich vorgesehen ist, das heißt bei einer Vollzeitstelle in der Regel mehr als 40 Stunden pro Woche. Die vermeintlich langen Ferienzeiten sind hierbei schon umgerechnet, und zwar auf einen regulären Urlaubsanspruch von sechs Wochen pro Jahr.

Tatsache ist, dass …

(Quelle: )

Ein echtes Problem bei vielen Lehrern ist aber wohl oftmals das „Zeitmanagment“: während ein „normaler“ Angestellter eine klar abgezirkelte Arbeitszeit hat, kann ein Lehrer sich zwar nicht die Unterrichts-, wohl aber die häusliche Arbeitszeit relativ frei einteilen, wodurch sie allerdings auch schnell „zerfranst“: ich habe manchmal Angestellte beneidet, die um Punkt 16.30 h und insbesondere freitags nachmittags ihre Griffel fallen lassen können - und danach echte Freizeit haben.

Nun gibt es allerdings auch Lehrer, die mit zwei sogenannten Nebenfächern (z.B. Religion und Sport) gesegnet sind und sich deshalb nachmittags (abends, frühmorgens, in den Ferien, also der unterrichtsfreien Zeit) wahrhaft nicht um Kopf und Kragen korrigieren müssen. Da kann man natürlich eine ruhige Kugel schieben.

Ich habe allerdings kein Verständnis dafür, dass einige solche Nebenfach-Lehrer keinerlei Verständnis (zu wenig Phantasie) für die enormen Belastungen von Hauptfach-Lehrern haben.

Und ich habe zwar manchmal Neid auf Nebenfach-Lehrer, ihnen gegenüber aber nie Missgunst empfunden: nur weil ich Fieber habe, sollen ja nicht auch alle anderen die Cholera haben.

(Genauso gilt: falls es Lehrern tatsächlich besser geht, muss das ja nicht automatisch bedeuten, dass es ihnen schlechter gehen sollte, sondern könnte auch bedeuten, dass es anderen besser gehen sollte.)

Zudem bedeutet nachmittags viel Zeit zu haben ja keineswegs automatisch, faul zu sein: ein Lehrer, der die Muße hat, sich fachlich fit zu halten und ausführlich seinen Unterricht vorzubereiten, ist für mich doch geradezu das pädagogische Ideal. Ja, ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: angenommen mal, es wäre etwas dran an dem Klischee, dass Lehrer in ihren ewig langen Ferien andauernd mit ihren Wohnmobilen die Welt bereisen

(ich kenne aber keinen einzigen Lehrer, der ein Wohnmobil besitzt, und auch keinen einzigen Lehrer, der länger als drei Wochen Urlaub macht):

weltgewandte Lehrer sind (wären) doch enorm wichtig für die Schüler, ja, Weltreisen sind sogar in kaum einem Beruf so wichtig (für die Schüler!) wie im Lehrerberuf,


In diesem Essay geht es mir aber letztlich allen Ernstes um die Vorteile des Lehrerberufs:

  1. und am wichtigsten: so ein Schultag, an dem man sechs Stunden lang voll präsent sein muss, kann extrem stressig sein

(mit zunehmenden Alter fiel mir das immer schwerer).

Vor allem aber hat man als Lehrer

(bei allen Widerständen der Schüler)

doch den Luxus, immer in Berührung mit "der Jugend von heute" und damit vielleicht auch selbst ein bisschen jung zu bleiben!

(Im Vergleich damit stelle ich mir z.B. das Arbeitsleben eines Arztes in seiner Praxis doch arg einsam, totenstill und trist vor ["der Nächste bitte"].)

Wegen des Kontakts zu jungen Leuten hat mir der Lehrerberuf

(abgesehen von allem formalen Schwachsinn, Konferenzen und Korrekturen)

fast immer Spaß gemacht!

  1. gibt es in allen Berufen Leute, die nie Phantasie hatten oder sie durch allzu lange stumpfe Tätigkeiten restlos verloren haben und deshalb permanent schlechte Laune verbreiten

("wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus"),

lustlos Dienst nach Vorschrift schieben oder aber - im besten Fall - bienenfleißig Vorgaben abarbeiten.

Besonders schlimm finde ich es aber, wenn solche Leute Lehrer werden, denn immerhin erziehen (?) Lehrer Schüler, bereiten sie also - arg hochtrabend gesagt - an vorderster Front die Zukunft vor.

Dabei bietet der Lehrerberuf (trotz zunehmender kultusbürokratischer Reglementierung) noch relativ viele Freiheiten: wenn man mal von den Lehrplänen absieht, hat mir in meinen 27 Dienstjahren niemals jemand Vorschriften gemacht

(was auch daran liegt, dass die Lehrerschaft von Schulen sehr egalitär organisiert ist: da gibt es massenhaft gleichberechtigte Lehrer - und ziemlich weit entfernt die Schulleitung, die einem [glücklicherweise!] nicht andauernd in die Arbeit reinquatscht und von Pädagogik ja sowieso auch nicht mehr Ahnung hat als ein stinknormaler Lehrer).

Diese Freiheiten der Lehrer führen dazu, dass Lehrer als besonders kritisch gelten

(was den Kleingeistern natürlich immer als Miesmacherei erscheinen muss)

und die Politik bis in den Bundestag bevölkern

(auch deshalb, weil Lehrer dafür problemlos freigestellt werden und hinterher verlässlich wieder in ihren Beruf zurückkehren können).

Solch politisches Engagement kann man aber durchaus auch mal positiv sehen.

  1. nochmals zu den "hochbezahlten Teilzeitjobs": der Lehrerberuf hat es mir ermöglicht, hautnah die ersten Lebensjahre meines Sohnes mitzuerleben und zu begleiten: ein Luxus, den viele anderweitig Berufstätige nicht haben

(und die deshalb notgedrungen auf KITAs und Ganztagsschulen angewiesen sind).

Es sei aber dennoch doch wieder kurz ein Nachteil miterwähnt: ich musste andauernd für meinen Sohn da sein und die Arbeit irgendwie dazwischenquetschen. Als mein Sohn dann in den Ganztags-Kindergarten kam, hatte ich plötzlich mehrere Stunden am Stück Zeit für die Arbeit - und konnte damit anfangs überhaupt nicht mehr umgehen.

  1. : der Lehrerjob lässt sich so leicht stückeln wie kaum ein anderer Job. Als unser Sohn geboren wurde, war es kein Problem für meine Frau und mich, mit verminderter Stundenzahl weniger Klassen zu unterrichten
(natürlich bei niedrigerem Gehalt).

Und wer lustig ist, kann im Lehrerberuf auch problemlos ein „Sabbathjahr“ einlegen

(um einfach mal ein anderes Leben kennenzulernen oder aber auch dem bei [ach so wehleidigen?] Lehrern sehr verbreiteten „burnout“ vorzubeugen).
  1. nochmals zu "ein nicht nur (im internationalen Vergleich) gutes, sondern auch (insbesondere bei verbeamteten Lehrern) langfristig verlässliches Gehalt", das Lehrer weitgehend aller "existentiellen" Sorgen enthebt

(eine ökonomische Sorgenfreiheit, für die viele Lehrer nichtmal dankbar sind);

Sorgen, von denen massenhaft andere Leute

(egal, ob Angestellte oder Kleinunternehmer)

andauernd geschüttelt werden - und für die Lehrer manchmal erschreckend wenig Verständnis haben.

(Nebenbei: ich vermute mal, dass abermillionen Menschen zwecks „Existenzsicherung“ lebenslänglich [!] einem ungeliebten [strunzdummen] Beruf nachgehen und sich deshalb jeden [!] Morgen zur Arbeit quälen müssen. Ich fühle mich - ohne das sonderlich verdient zu haben - privilegiert und beschenkt, dass mir das nie so ergangen ist.)

Regelrecht penetrant wird diese Lehrerignoranz gegenüber den "marktwirtschaftlichen Zwängen", wenn gewisse "kritische" Lehrer ohne jede Empathie über alles ihre abstrakte sozialkritische Sauce schütten.

(Z.B. übersehen sie dann allzu leicht den Anpassungszwang ["Identifikation mit dem Aggressor"], dem viele Mitarbeitert in der sogenannten "freien" Wirtschaft unterliegen: man kann nicht immer „dagegen“ sein, ohne dabei selbst kaputt zu gehen.)

Wie überragend gut (verbeamtete) Lehrern versorgt sind, habe ich insbesondere erfahren, als ich langfristig krank wurde - und peoblemlos ebenso langfristig (bis zu meiner Frühpensionierung) mein volles Gehalt weiter bezahlt bekam.

Privilegiert fühle ich mich aber vor allem, weil ich mich in meinem Beruf als Lehrer

(man ahnt es wohl schon: abgesehen von Konferenzen und Korrekturen)

nie gelangweilt habe.