marode Schulen

(heute-show 18.5.2018)

 
(Quelle:  )

Ich bin wohl allzu sehr Germanist und Sprachfetischist, als dass mir die Doppeldeutigkeit entgehen könnte: mit „marode Schulen“
Ich bin allemal erschüttert, dass mehrfach Freunde, die keine Lehrer sind, aber „ganz normale“ Kinder haben, die Schüler an „ganz normalen“ Schulen sind, gleichermaßen entsetzt und resigniert gesagt haben, an „den“ (= allen) Schulen habe sich in den letzten 40 Jahren rein gar nichts zum Besseren verändert, d.h. die pädagogische Arbeit und das ganze Schulsystem seien nach wie vor „marode“.

Dennoch scheint es mir zu einseitig zu sagen, an „den“ (= allen) Schulen werde (von den Lehrern!) ausschließlich schlechte Arbeit geleistet: da gibt es allemal auch massenhaft Ausnahmen, die allerdings immer in einzelnen Lehrern gesehen werden.

Ich fände es ja auch bitter, mir jetzt, da ich frühpensioniert bin, eingestehen zu müssen, dass ich in fast 30 Jahren Lehrerdasein nichts Positives hinterlassen habe, sondern ausschließlich Erfüllungsgehilfe eines maroden Systems war.

(Ein Lehrer, der das Gefühl hat, an seiner Schule gar nichts Positives mehr ausrichten zu können, sollte eigentlich umgehend das Weite suchen. Nur wo soll er dann hin, und zwar insbesondere, wenn er schon älter ist?)

Ja, ich behaupte sogar, dass an vielen Schulen

(natürlich immer auch mit Ausnahmen)

dennoch

(meist still und leise)

hervorragende pädagogische Arbeit geleistet wird, und zwar
(Vorsicht aber mit aller Selbstbeweihräucherung von Schulen [und Firmen]



und allen Auszeichnungen!: eine Schule, die z.B. als „beste Schule Deutschlands“ ausgezeichnet wurde, kann trotzdem gut sein.)

Im Folgenden geht es mir aber



Ich rede in meinen pädagogischen Essays keineswegs immer nur „pro domo“, also im eigenen Interesse: wenn ich also beispielsweise Lehrer gegen die üblichen Lehrerklischees verteidige

(z.B. gegen das geradezu repräsentative Diktum des ehemaligen Bundeskanzlers und Putin-Intimus‘ Gerhard Schröder über Lehrer: „alles faule Säcke“),

so geht es mir dabei weniger um Gymnasial-Luxus-Lehrer (wie mich), sondern um Lehrer, die an "Problemschulen" trotz allen Frusts immer noch engagierte Arbeit leisten und tagtägliche die „soziale Suppe“ auslöffeln müssen.

Ich selbst habe an einer bischöflichen Schule gearbeitet, bei der offensichtlich Geld keine Rolle spielte und deshalb sowohl das Schulgebäude als auch die Ausstattung immer in makellosem (manchmal allzu "glattem") Zustand waren.

(Die katholische Kirche konnte schon immer

[oder zumindest, seit sie 380 n. Chr. unter Theodosius I. Staatskirche des römischen Reichs geworden war]

bestens mit Geld umgehen: welche andere Firma hat eine ca. 1700jährige erfolgreiche Finanzgeschichte?)



Es gibt natürlich ein „Stöhnen auf hohem Niveau“:
[„dem schönstem Land der Dritten Welt“]

sieht‘s doch noch viel schlimmer aus“:


(Quelle: )

Anders gesagt: „solange es anderen noch schlechter geht, dürft ihr [glücklicherweise] gar nicht klagen“.

Doch, darf man!



Einige wenige Beispiele für Schularchitektur:
,

(die Schule, in der ich Schüler war),
,
,



(Kindergarten in Vietnam,
könnte allerdings auch als Schule durchgehen;
aber letztlich würde mich weniger das ansprechende Äußere
als das hoffentlich ebenso funktionale wie "wohnliche" Innere interessieren)

(der Neubau eines Schultrakts, in dem es
keinerlei Rückzugsräume und kaum Sitzmögllichkeiten für Schüler in den Pausen gibt,
ja, bei dem nichtmal eine Pauke durch die Musikraumtür passt.)

Schulneubauten darf man nicht irgendwelchen dahergelaufenen Architekten überlassen, sondern nur solchen, die

(was nicht heißt: jeder gerade aktuellen pädagogischen Mode nachlaufen oder „alles so schön bunt hier“),

(z.B. „Schulen bestehen ausschließlich aus kahlen Klassenzimmern und Fluchtwegen = Fluren“)

überzeugend aufbrechen können.

Vgl. etwa
„Seit langer Zeit stellen Schulbauten ein großes Aufgabengebiet für die Architektur dar und es gibt ein nachhaltiges Interesse an dieser Bauaufgabe. Diese Publikation erläutert in elf Kapiteln zentrale Parameter für diesen Bautyp: die Rolle der Schule für Gemeinde oder Stadtviertel, Fragen der Nachhaltigkeit, flexible Räume zum Lernen, geeignete Möblierung, Partizipationsprozesse im Entwurf, Lernen außerhalb des Klassenzimmers, Außenraumgestaltung, Chancen und Anforderungen der inklusiven Beschulung, die Rolle neuer pädagogischer Konzepte. Jedes Thema wird ausführlich beleuchtet und mit zahlreichen gebauten Beispielen illustriert. Bei diesen geht es nicht um eine komplette Gebäudedokumentation, sondern um die Darstellung einer vorbildlichen Lösung für den jeweiligen Aspekt. Neben internationalen Beispielen werden ebenso wegweisende Projekte aus dem deutschsprachigen Raum dokumentiert, darunter die Carl-Bolle-Grundschule in Berlin (Die Baupiloten), der Postfossile »Ecowoodbox« Kindergarten in Hannover (Despang Architekten) oder das Dänische Gymnasium A. P. Møller-Skolen in Schleswig (Arkitektfirmaet C. F. Møller).“
(Buchcover-Text)
 
“Die Debatte über die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht berücksichtigt die pädagogische Bedeutung von Schulräumen nach wie vor zu wenig. Dieser Band möchte dazu beitragen, der Schulraumgestaltung mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dazu wird der Raumbegriff zunächst aus verschiedenen Perspektiven erschlossen: Thematisiert werden philosophische, psychologische, soziologische und pädagogische Sichtweisen sowie historische, ökologische und schulbaurechtliche Aspekte. In einem zweiten Teil setzt sich der Band mit konkreten Elementen der Schulraumgestaltung auseinander. Die Bedeutung von Licht, Farbe und Akustik kommt zur Sprache, es wird auf klimatische Bedingungen, die Sitzordnung sowie auf Herausforderungen der Inklusion eingegangen. In einem dritten Teil werden innovative Projekte namhafter Architekten und Schulraumgestalter vorgestellt."
(Buchcover-Text)




Jüngst (November 2017) hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, in einer NRW-Großstadt eine Gesamtschule besichtigen zu dürfen.

Dass die Gebäude und Ausstastungen vieler Schulen in Deutschland verrottet sind, hatte ich ja schon vorher (wohl allzu abstrakt) gewusst


(Quelle: ),

aber vielleicht war ich doch wegen der prächtigen Infrastruktur meiner ehemaligen bischöflichen Schule ziemlich blind für die Wirklichkeit woanders:


Dass aber eine Schule derart
(mit den Gebrauchsspuren der letzten 50 Jahre)
sein konnte wie eben jene Gesamtschule, hätte ich mir nicht in meinen kühnsten (naiven) Träumen ausmalen können

(„verrammsacken etwas verschleißen, kaputt machen Wie komms du denn nach Hause, den ganzen Annorack hasse verrappsackt. Et is zum Verzweifeln, wie die Blagen die Klamotten verrappsacken. Musse die neuen Schuhe zum Flatschen anziehen? Die willze wohl auch gleich widder verrammsacken!
[Quelle: ])
.

Nur ein einziges, sogar eher harmloses, aber eben doch symptomatisches Beispiel: da hatten einige Monate vorher Unbekannte massenhaft rohe Eier gegen die Fenster der Schule geworfen. Erst nach mehrfacher Nachfrage wurden Monate später die Fenster geputzt, und eine Lehrerin, die mit der Schule ergraut war, sagte, „sowas“ (also Fensterputzen) hätte sie in den letzten fast 40 Jahren noch nie erlebt.



In Abwandlung von Heinrich Zilles Diktum

„Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genau so töten wie mit einer Axt.“

kann man sagen:

„Man kann mit einem maroden Schulgebäude Schüler genau so töten wie mit einer Axt.“

(War es Bob Dylan, der gesagt hat?:

„Schulen sind wie Altenheime, nur dass in ersteren mehr Menschen sterben.“)

 
Wenn man Jugendlichen mal so richtig zeigen will, wie scheißegal und wenig (auch finanziell) wert sie einem sind, lasse man einfach (!) die Schulen verrotten!

Sowas ist vermutlich meistens keine Absicht, aber allemal der Effekt des nur naiven Kaputtsparens von Schulen.

Dabei bin ich mir ja durchaus bewusst, dass die meisten Kommunen schlichtweg pleite sind.



Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass die eigentlichen Probleme von Schulen finanzielle Probleme sind

(genauso, wie man nicht automatisch mehr Schulleiter findet

[und wenn doch, so vermutlich meistens die Falschen],

wenn man ihr Gehalt erhöht).

Viel gewichtigere Probleme vieler Schulen sind
Aber dennoch geht‘s auch ums liebe Geld


Kaputte Schulen und Vandalismus einiger marodierender (!) Schüler sind vermutlich ein Teufelskreis:

wieso nicht noch kaputter machen, was sowieso schon kaputt ist

(ach ja, sowas ist verständlich, aber nicht zu entschuldigen)?!:




Vielleicht ist also was dran an der


(Quelle: ).



Hiermit erlasse ich folgendes Gesetz:

  • erst wenn die (sonstige) materielle Infrastruktur aller (!) Schulen renoviert ist und Schulen wieder Lebensräume statt Käfige sind,
  • darf der erste Cent für eine geile Computereinrichtung von Schulen ausgegeben werden.