Nebenfachlehrer müsste man sein
"Beschweren Sie sich nicht, "Das im Auftrag des nordrhein-westfälischen Schulministeriums von Mummert und Partner [???] erstellte Arbeitszeitgutachten dokumentiert ein jährliches Arbeitspensum von 930 (Minimum) bis 3.562 (Maximum) Arbeitsstunden. Ergebnis: Bei gleicher Entlohnung arbeiten also einige Lehrer viermal so viel wie ihre Kollegen." |
Gleich eine erste Vorbemerkung:
alle folgenden Überlegungen sind sowieso überflüssig, da
(beispielsweise wird es demnächst laut Hochrechnung angeblich erheblich weniger SchülerInnen geben, was sicherlich nicht dazu genutzt werden wird, mit unverändert vielen LehrerInneN für kleinere Klassen und somit eine potentiell bessere Schule zu sorgen),
(und viele LehrerInnen wie auch Kultuspolitiker-/-bürokratInneN immer in vorauseilendem Gehorsam auf dieses Klischee reagieren).
Wenn Sie mal so richtig Zoff in ein ansonsten längst versteinertes Lehrerkollegium bringen wollen, empfehlen sich zwei Ansätze:
Sie öffnen die Tür zum Lehrerzimmer in einem richtig schön konservativen Gymnasium und rufen hinein: "Dies hier ist ab sofort eine Gesamtschule!"
Dabei empfiehlt es sich, die Tür nur einen Spalt weit zu öffnen und sofort danach wieder zu schließen, denn Sie laufen Gefahr, dass umgehend die ersten Wurfsterne und Stilette einschlagen.
(Vgl. )
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So ist beispielsweise in Hamburg ein neues Lehrerarbeitszeitmodell eingeführt worden, demzufolge u.a. Haupt- und Nebenfachlehrer mit verschiedenen Stundendeputaten bedacht werden.
(Nebenbei: es geht mir hier nicht darum, ob dieses "Hamburger Modell" gelungen ist.)
Was für ein Zoff durch solch eine Ungleichverteilung der Stundenbelastung entsteht, wird bereits an zwei kleinen Beispielen deutlich:
"Das Lehrer-Arbeitszeit.Modell legt für den Kunstunterricht einen extrem niedrigen Zeitwert fest, der bezogen auf die tatsächlich zu leistende Arbeit völlig realitätsfremd ist. Viele FachkollegenInnen sehen darin eine Diffamierung und Abwertung ihrer Arbeit und des Faches Bildende Kunst. Dieser fiktive Zeitwert führte dazu, dass Kunsterzieher in Hamburg heute 26, 28, 30 ja bis zu 32 Unterrichtsstunden in der Woche ableisten müssen. Es bleibt weder Kraft noch Zeit für einen innovativen, schülerzentrierten Unterricht und keine Zeit für außerunterrichtliches Engagement - also für all das, was Schule eigentlich lebendig, lustvoll und interessant machen würde."
(zitiert nach )Die NaturwissenschaftslehrerInnen werden reflexartig darauf hinweisen, dass sie für jede Schulstunde mindestens fünf Stunden lang hochkomplizierte Experimente aufbauen.
Weitere notwendige Vor- bzw. Zwischenbemerkungen:
(oder gar noch die Steigerung "Kernfächer" für [meine beiden Fächer!] Mathematik und Deutsch)
stammt nicht von mir, und ich will ihr auch gar nicht folgen
(zumindest in Unter- und Mittelstufe)
allein oder doch weitgehend die "HauptfachlehrerInnen"
(so gesehen haben NebenfachlehrerInnen also ein geruhsames Leben),
- oftmals werden nur die "Hauptfächer" ernst genommen:
NebenfachlehrerInnen werden (sogar von KollegInnEn) fast schon schief angeschaut, wenn sie dann doch mal ein "mangelhaft" vergeben,
die Meinung von NebenfachlehrerInnen interessiert auf Konferenzen oftmals gar nicht,
einE NebenfachlehrerIn kann problemlos wochenlang krank sein, aber wehe, einE HauptfachlehrerIn fehlt mal länger als eine Woche: dann stehen umgehend die Eltern bei der Schulleitung auf der Matte und verlangen kategorisch eine fachkundige Vertretung.
(Nebenbei: das Ansehen der Nebenfächer scheint mir auch in einer Art Teufelskreis daher zu rühren, dass in ihnen keine Klassenarbeiten geschrieben werden, sie also vermeintlich "nicht objektiv", sondern "nur mündlich" sind.)
EinE HauptfachlehrerIn
(am schlimmsten bei der Kombination Deutsch/Englisch)
arbeitet sich
(inkl. aller Wochenenden und sämtlicher Ferien außer den Sommerferien)
garantiert um Kopf und Kragen
und hat somit auch kaum Zeit für [wichtige!] "außerunterrichtliche" - und auch befördernungsträchtige - Aktivitäten.
Hingegen kann einE NebenfachlehrerIn
entweder (abgesehen vom potentiell stressigen Unterricht) eine ziemlich ruhige Kugel schieben
oder aber auch mächtig viel arbeiten:
solide Unterrichtsvorbereitung,
sonstige "außerunterrichtliche" Tätigkeiten.
(Einer [verlässlichen?] Untersuchung nach liegt die Lehrerarbeitszeit zwischen 30 und 60 Wochenstunden.)
D.h. es geht mir natürlich nicht darum, dass
die Hauptfachlehrer weniger,
dafür aber die Nebenfachlehrer mehr arbeiten sollen
(vgl. etwa - s.o. - die KunstlehrerInnen im "Hamburger Modell").
Die Bemessung der realen Arbeitszeit von LehrerInnen ist ungemein schwierig bis geradezu unmöglich, zumal "[...] nur ein Drittel der wöchentlichen Arbeitszeit im Klassenzimmer stattfindet." (vgl. ). Was da außerhalb des eigentlichen Unterrichts alles zu erledigen ist, sei hier nicht mal aufgezählt
(ein Laie macht sich ja nicht die geringste Vorstellung davon, was schon allein in den angeblichen "Pausen" im Lehrerzimmer los ist),
sondern hier sei nur mal angefragt: wenn einE LehrerIn sich "nur" über die aktuellen Entwicklungen in seinem Fach fit hält, ist das dann (nur) Hobby oder (auch) Arbeit?
Viele "außerunterrichtliche" "Belastungen"
(seien sie - wie beispielsweise Konferenzen - teilweise sinnvoll, teilweise blödsinnig)
betreffen Neben- und HauptfachlehrerInnen gleichermaßen.
"Ab und zu kratzt die eine Krähe der anderen sehr wohl ein Auge aus."
So einigen NebenfachlehrerInneN fehlt nicht nur die Erfahrung, sondern auch die Phantasie, um sich vorzustellen, was HauptfachlehrerInnen durchgehend leisten müssen, und dann kommen schon mal abschätzige Sprüche à la "Das bisschen Korrigieren ... sagt mein Mann".
Hauptteil und eigentlicher Anlass dieses Textes:
Letztens habe ich geträumt, meine beiden Fächer Mathematik und Deutsch seien zu Nebenfächern erklärt worden - und war grenzenlos erleichtert. |
PS: | Wenn ich Nebenfachlehrer wäre, würde ich vermutlich nicht weniger arbeiten, sondern sinnvoller, nämlich vor allem für den konkreten Unterricht. |