das Ende des ökonomischen Jargons (in Schulen)

So zynisch kann man ja gar nicht sein, die "Finanzkrise" seit Mitte 2008 und damit eventuell den Kollaps des Kapitalismus zu bejubeln, stehen dahinter doch abermillionen existentielle Katastrophen "kleiner" Menschen.

(Man kann höchstens hoffen, dass "der" Kapitalismus und "die" Politik draus lernen.)

Und so naiv kann man nicht sein, den ewigen Primat der Ökonomie zu leugnen:

"Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral."
(Bert Brecht)

Aber einen Vorteil könnte die Finanzkrise eben doch haben: dass der (pseudo-)ökonomische Jargon

vollends diskreditiert ist.

(Da ich ja notorischer Optimist bin, wusste ich es schon immer. Aber jetzt müssten es eigentlich sogar die dümmsten Nachquatscher merken.

Und ganz nebenbei: der ökonomi[sti]sche Jargon, aber natürlich nicht das ökonomische Fachvokabular ist diskreditiert.)

Und das wiederum hat den Vorteil, dass dieser Jargon

(und mit ihm der ökonomistische Ansatz aller Schulpolitik)

hoffentlich langsam wieder aus den Schulen entweichen wird.

(Vgl. Bild )

Angst habe ich aber vor den (kultusbürokratischen) Wendehälsen, die jetzt


 
Wendehals

(Jynx torquilla), etwa 16 cm großer rindenfarbiger Specht, der seine Eier in Baumhöhlen legt; er kann den Kopf um 180º drehen. Mit der sehr langen, klebrigen Zunge nimmt er Ameisen auf [...]
(Der Brockhaus in Text und Bild Edition 2002)

Ich ziehe meine jeweils aktuellen Kenntnisse weitgehend aus dem Hören des Deutschlandfunks beim Autofahren, und da sind mir vor allem drei Typen "Wendehälse" aufgefallen:

  1. jene, die behaupten, "wir" hätten "das alles" nicht gewusst,
  2. jene, die vorher marktschreierisch den Turbo-Wirtschaftsliberalismus gepredigt haben - und nun nichts mehr von ihren früheren eigenen Worten wissen wollen:

ich staune halt immer wieder über das tatsächliche oder vorgespielte kurze Gedächtnis vieler Leute;

  1. jene, die nichts dazu gelernt haben oder das zumindest nicht sich selbst oder anderen gegenüber zugeben können/wollen (die Unverbesserlichen oder die eigentlichen Wendehälse?):

"Ist Ihr Weltbild durch die Finanzkrise auf den Kopf gestellt worden?

Nein.

Die freien Finanzmärkte kollabieren - und für den Marktanhänger Westenwelle ändert sich nichts?

Nein.

Hat sich Ihr Bild von Bankmanagern gewandelt?

Nein. [...]

Hat sich Ihr Bild vom Staat verändert?

Auch nicht.

Sie müssen nicht Abbitte leisten?

In keiner Weise."

(der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle im Interview mit dem "Stern" 51/08)

Man kann das natürlich auch so sehen:

"Wort halten, Charakterstärke - das wird vom Wähler belohnt."
(Westerwelle am hessischen Wahlabend, dem 18.1.09; und skeptisch bin ich ja allemal, wenn jemand sich selbst Charakterstärke zuschreibt - die ja auch Borniertheit sein kann.)

In der Tat hat "der" Wähler bei dieser Landtagswahl in Hessen der FDP zum besten Ergebnis seit Ewigkeiten verholfen, also genau jene "Neoliberalen" gewählt, die den ganzen Schlamassel angerichtet haben

(allerdings spielten auch erheblich landespolitische Probleme eine Rolle):


(was ja nun nicht heißt, dass ich SPD wählen würde)

Der geradezu paradoxe Trend zur FDP hat sich sogar bei der Bundestagswahl 2009 bestätigt:


(Münsteraner Stadtzeitung "Ultimo" 24/09)

Ich bezweifle allerdings, dass Steuererleichterungen der Hauptgrund waren. Eher scheint mir: die FDP, die sich ja mal als "Partei der Besserverdienenden" bezeichnet, das dann allerdings schnellstens dementiert hat, besteht sicherlich einerseits aus den "Besserverdienenden", zu einem gerüttet Maß allerdings auch aus den heillos verzweifelten "Möchtegern-Besserverdienenden". Und wenn nun ausgerechnet die "neoliberalen Krisenverantwortlichen" gewählt wurden

(ich kenne allerdings niemanden, der das getan hat, ja, alle leugnen es [verdächtig?] lautstark),

so sicherlich von den "Besserverdienenden" zur Besitzstandswahrung. Bei den "Möchtegern-Besserverdienenden" war der Hauptgrund aber wohl eher verzweifelte Identifikation mit dem Aggressor. Und zusätzlich gibt es viele Zyniker und Unbelehrbare, die mit dem letzten Tropfen Öl noch schnell ihr letztes Süppchen kochen - und die sogar noch prächtig an der Wirtschaftskrise verdienen, indem sie sich ihre Schuld(en) vom Staat abnehmen lassen:


(Spiegel 48/09)


Oh jadoch, wer es wissen wollte, konnte es sehr früh wissen:

(ohne nun zu Verschwörungstheorien zu neigen: auch teilweise bösartig beabsichtigten!; vgl. )

Turbokapitalismus

(an Milton Friedman, der Chicago School of Economics sowie der politischen Umsetzung seit Reagan und Thatcher)

sowie die Wiederentdeckung von John Maynard Keynes

und des "rheinischen Kapitalismus" eines Ludwig Erhard ist ja wahrhaft nicht neu - bzw. wird nur von einigen als der neueste Schrei ausgegeben:

(Ich bin zu faul, im Einzelnen nachzuweisen, dass ich all das schon früher gesagt habe. Und überhaupt mag ich mich selbst nicht in meiner Rechthaberei. soweit ich Negatives vorausgesagt habe.)


Aber wie zu erwarten, sind die alten Gespenster noch lange nicht vertrieben bzw. längst wieder da:


(, 7.3.09)