Lern Videos

Man kann mit einigen guten Gründen

(Liebe, eine alles in allem glückliche Ehe, Freunde, Sex, Neugier, geistige Flexibilität, ein gewisses Maß an Wohlstand, Demokratie, Frieden, soziale und emotionale "Kompetenz", ein erfüllender Beruf, Anerkennung, Gesundheit und Krankheit, die Aussicht auf den Tod ...),

ist von der Digitalisierung völlig unabhängig, ja, wird (wie z.B. die Demokratie oder halbwegs gesicherte Arbeitsplätze) durch sie teilweise sogar gefährdet.

Und man kann mit ebenfalls guten Gründen auch der Meinung sein, die Schule solle

(was die Schüler in der Schule an digitalen Fähigkeiten erwerben, wird sie sowieso nicht gegen die digitale Gefahr durch Konzerne und eventuelle Diktatoren schützen).

Wenn man (als Lehrer) aber (Schüler) überzeugen will, muss man auch bereit sein, die offensichtliche enorme Faszination vieler (insbesondere jüngerer) Menschen durch "Neue Medien" zu ergründen, statt immer nur die Apokalypse an die Wand zu malen oder gar meterweise lustfeindliche Moral (s.u.) raushängen zu lassen.

Von dieser "enormen Faszination" kann man aber doch ein wenig für die Schule mopsen

(Schüler wachen ja verlässlich sofort aus ihrem Tiefschlaf auf, wenn der Lehrer sagt: „Heute machen wir mal iPad-Unterricht [egal, worüber].“:    Schüler bemerken es aber schnell, wenn da der alte Unterricht nur in neuem Gewand daherkommt: )


Es gibt ganz andere Formen des Online-Lernens bzw. es sind immerhin schon ganz andere Formen denkbar. In diesem Essay geht es aber erstmal nur um Lernvideos auf YouTube.

Und dann gibt es noch das im Folgenden ebenfalls nicht behandelte Offline-Lernen mit elektronischen Medien, also z.B. in Mathematik mit .


Online-Lernen hält bei Schülern immer mehr Einzug - und ersetzt für sie inzwischen sogar teilweise den Schulunterricht:

„In der Schule verstehe ich ja sowieso nichts, also nutze ich wirklich mal verständliche YouTube-Videos.“

bzw.

„Wo es schon diese guten YouTube-Videos gibt, brauche ich in der Schule gar nicht mehr aufzupassen.“

Und Lernvideos auf YouTube kommen enorm den sonstigen Mediengewohnheiten heutiger Schüler entgegen: Lernvideos liegen immer nur einen Click von entfernt.


So hätten Schüler wohl auch gerne ihre leibhaftigen Lehrer in der Schule:

also Lehrer als Geräte, die man nach Lust und Laune bedienen kann und die bedingungslos gehorchen.

Oder genauer:

 (besser wäre da schon ),

(sechs Stunden am Tag, bis zu 13 Jahre lang)

ENDLICH ENDGÜLTIG gestoppt wäre - und dann gäbe es erstmal



und danach endlos

.

Der Titel

verweist indirekt auf eine merkwürdige "Schizophrenie":

(was nur partiell stimmt, da die YouTube-"Chanels" sich meist als "interaktiv" verstehen, da der "Kunde" unter die Videos Kommentare schreiben können und die YouTuber darauf auch teilweise reagieren);

Man könnte auch böse sagen:

(wie überaus großzügig!)

in der Wahl zwischen

Aber ist bzw.

(bald wohl eher?)

war das beim „alten“ Medium Buch denn anders? Und zeigt das Buch nicht, dass es eine „innere“ Freiheit und Wahl in der Auseinandersetzung mit dem Angebot gibt?


Die Überschrift

zeigt schön die wichtigsten Vorteile von YouTube-Videos:

  1. "Lehrer zum Aussuchen":

Schüler lernen

(wenn überhaupt)

meistens aus einem von drei Gründen:

    1. sind einige Schüler leistungsorientiert

(wollen also mehr als nur knapp über die Latte [Sitzenbleiben] springen)

und allein deshalb fleißig

(teilweise, indem sie sich geradezu krankhaft unter Druck setzen - oder von den Eltern gesetzt werden).

Viele dieser Sorte Schüler hassen durchaus auch die Schule, überwinden sich aber dennoch

(essen also bienenfleißig, obwohl sie keinen Hunger haben und ihnen das Essen auch miserabel schmeckt;

nebenbei: sicherlich ist auch ein erfolgreicher Fachmann froh über persönliche Anerkennung; Fernziel bleibt aber doch wohl, dass Leistung und Erfolg auch „intrinsisch“ motiviert sind, jemand also von sich und aus Spaß an der Sache „gut“ sein will und ab und zu ein Wonnegefühl daraus zieht, sein inhaltliches Ziel [evtl. mit viel Arbeit] erreicht zu haben).

    1. sind bis Ende der Mittelstufe wenige und danach schon mehr Schüler tatsächlich an einigen Fächern oder sogar breiter Bildung interessiert

(und sei‘s, weil sie da Erfolg haben und anerkannt werden).

    1. und vor allem lernen Schüler für Anerkennung

(nicht bloß durch abstrakte Zahlen-Zensuren),

und zwar durch

      1. Eltern,
      1. Mitschüler.
      1. ihnen sympathische und von ihnen als fachlich und menschliche Autoritäten anerkannte Lehrer.

In der Schule sind Schüler nun aber auf Gedeih und Verderb an die ihnen derzeit zugeteilten Fachlehrer gebunden, und darunter gibt es halt immer wieder schlechte Lehrer oder solche, deren „Nasen“ einzelnen Schülern subjektiv nicht passen.

Da bieten Lernvideos natürlich die Möglichkeit, sich den (Online-)Lehrer selbst auszusuchen:

(Meiner Erfahrung nach fahren die Schüler keineswegs unkritisch auf eine perfekte technische Machart wie z.B. beim ab, sondern ziehen „seriöser“ auftretende Online-Lehrer vor, die z.B.

[wie die Lehrer im Schulunterricht!]

einfach nur vor einer Tafel stehen und dozieren - also sichtbar sind.

Vgl. die -Filme: sie sind animationstechnisch tiefste Steinzeit - und dennoch nach wie vor bei Kindern sehr beliebt, während computertechnisch aufgemotzte Kinderfilme teilweise Eintagsfliegen bleiben.

[Gar nicht so] Nebenbei: Lernvideos mögen Teile einer völlig neuen Technologie sein - und sind doch allesamt uralter Frontalunterricht, und Qualitätskriterium für Schüler ist da nach wie vor: „Kann der [Online-]Lehrer gut erklären?")

Nun mag es ja sein, dass Schüler viel zu selten durch reale Lehrer Anerkennung bekommen, aber durch Online-Lehrer

(hier: Video-Hersteller)

werden sie wegen der Virtualität des Mediums natürlich niemals Anerkennung erhalten. Sondern angenommen mal, ein Schüler erreicht durch gute Lernvideos tatsächlich bessere Leistungen (im Schulunterricht!): dann wird er sich die Anerkennung doch wieder in seiner realen Umgebung (Eltern, Mitschüler, Lehrer) abholen müssen. Genau da könnte also der Vorteil der Schule liegen.

Online-Lehrer haben gegenüber realen Lehrern enorme Vorteile:

(und doch fehlt da - abgesehen von "Aussuchen, Anhalten und Zurückspulen" - alles Individuelle, fehlen also insbesondere zum jeweiligen Schüler passende individuelle Reaktionen des Lehrers

[die allerdings in großen Schulklassen vielleicht auch kaum möglich sind]).

Online-Lehrer müssen sich also nicht durch eine Klasse mit 30 Schülern kämpfen

(ein erster Grund für reale Lehrer, neidisch zu werden).

(in ihrem unsichtbaren Privatleben aber - mit Verlaub - vielleicht Arschlöcher).

(zumindest in guten Lernvideos)

immer bestens vorbereitet, und sei‘s einfach, weil sie

(ein zweiter Grund für reale Lehrer, neidisch zu werden)

nur ein einziges fünfminütiges Video pro Woche produzieren, während reale Lehrer 25 und mehr Schulstunden pro Woche abhalten müssen

(in Lernvideos ist ja die Machart kaum sichtbar

[weshalb sich Jugendliche das YouTuber-Dasein immer so lustig vorstellen]:

"Das Unternehmen [!] besteht [allerdings für alle Schulfächer zusammen] aus 25 festen und 10 freien Mitarbeitern." [Quelle: ]).

(die realen Lehrer haben dann immer die Arschkarte, falls das [Online-]Lernen nicht geklappt hat).

Online-Lehrer haben aber eventuell auch einen enormen Nachteil: wenn sie nicht noch Schullehrer sind oder es doch lange Zeit waren, lernen sie nie

(auch nicht durch die meist unspezifischen Kommentaren unter den Videos)

typische

(und schon gar nicht individuelle)

Schülerprobleme und -fehler kennen - und können denen deshalb auch nicht vorbeugen.

(Vgl. )

Anders gesagt: Online-Lehrer erleben immer nur schönes Wetter und nie die Mühen der Ebenen:

.

Und ebenso wenig bekommen sie in der Regel detaillierte Rückmeldungen auf ihre (wie bei jedem Lehrer) vielleicht teilweise unverständlichen oder irreführenden Erklärungen.

  1. „Lehrer zum Anhalten“:

Der große Vorteil von Lernvideos besteht allemal darin, dass Schüler sie sich (zuhause) immer und immer wieder angucken können, während der Schulunterricht

(abgesehen von Wiederholungsphasen)

nach einer Schulstunde endgültig vorbei ist. Und dieses Sich-etwas-immer-wieder-anschauen-Können

(und nicht eine bessere Verständlichkeit?)

scheint mir ja doch der Hauptgrund dafür zu sein, dass inzwischen sehr viele Schüler sich Lernvideos anschauen.

(Aber stimmt es eigentlich, dass sie sich die Videos immer wieder [nach „Zurückspulen“] anschauen, oder meinen sie [fälschlich?], alles beim ersten und einzigen Mal verstanden zu haben? Sind Lernvideos vielleicht allzu suggestiv?: die Schüler meinen nur, alles verstanden zu haben.

Und nebenbei: würden die Schüler, wenn sie keinen langwierigen Vorunterricht in der Schule gehabt hätten, die äußerst knappen Lernvideos überhaupt verstehen?)

Es gibt so viele pädagogische Probleme zu bedenken:

(die ihren Beruf gründlich missverstehen!)

damit durchaus recht?

(in Wirklichkeit wird aber vermutlich die Hälfte der Klasse heilfroh sein, wenn ein Mitschüler sich selbstbewusst traut, Fragen zu stellen)?

Bei Lernvideos, die man zuhause im stillen Kämmerlein anschaut, gibt es aber keinen, der einem „so viel Blödheit“ krumm nehmen könnte.

Damit aber zum „Anhalten“:

meiner

(allerdings auf klitzekleiner Datenbasis entstandenen)

Privatstatistik mit Nachhilfeschülern nach findet dieses Anhalten von Videos kaum je statt, sondern die Schüler gucken Lernvideos fast immer „in einem Abwasch“.

Das aber halte ich wirklich für „gefährlich“, weil damit alles allzu leicht an den Schülern „vorbeirauscht“:

Und es ist ja auch gar nicht so einfach, Youtube-Videos (zehntel-)sekundengenau anzuhalten - oder einen sekundengenauen "screenshot" zu machen

(was mir insbesondere bei den rasend schnell geschnittenen und gesprochenen -Videos ein Problem zu sein scheint: ihr Vorteil, dass da nicht nur geredet, sondern alles auch in „Folien“ gezeigt wird

[die Sprecher sind ja außer auf einem Standbild am Anfang nie zu sehen],

wendet sich da schnell in einen Nachteil, weil die Folien immer „ex und hopp“ gezeigt werden, statt wie ein Tafelanschrieb in der Schule noch längere Zeit sichtbar zu bleiben;

nebenbei: ich habe es gegen Ende meiner "Amtszeit" öfters erlebt, dass Schüler baten, mit ihren Handys den Tafelanschrieb abfotografieren zu dürfen).

Aber wieso sollte man ein Lernvideo überhaupt anhalten?:

(wie z.B. bei Mirko Drotschmann)

ist nunmal flüchtig - auch wenn es im Falle von Lernvideos beliebig oft wiederholt werden kann: manchmal ist es eben doch gut, sich zentrale Erkenntnisse nochmal aufzuschreiben.

Ich weiß, das ist in Goethes "Faust" ironisch gemeint, und doch ist da was dran:

"Was man schwarz auf weiß besitzt,
kann man getrost nach Hause tragen."
(wobei "nach Hause" hier mal "in seinen eigenen geistigen Besitz" bedeuten soll)

auszudrucken und zur stetigen Erinnerung an die Wand überm Schreibtisch zu nageln

(oder um im Falle der pq-Formel sich ihre Struktur genauer anschauen und besser einprägen zu können).

(statt von anderen aufgeschrieben zu bekommen).

Sollen die Schüler doch Lernvideos anschauen. Aber man muss mit ihnen doch eben auch durchnehmen, auf welche Art und Weise das sinnvoll ist.

  1. "zum Zurückspulen":

"Zurückspulen" ist ja wohl

(mangels heute passender Alternative?)

ein Relikt aus der guten alten Zeit, als alles noch aus Holz war:

 
(der Rolls-Royce unter den Tonbandgeräten
und deshalb mein unerfüllter Jugendtraum)

(mein erfüllter Jugendtraum
- und was war ich da stolz drauf!)

"Zurückspulen" kann zweierlei bedeuten:

    1. ein kurzes Stück zurückspulen, um einen (z.B. nicht verstandenen) Videoausschnitt nochmal anzusehen

(was - wieder meiner Privatumfragen nach - Schüler kaum tun, und zwar u.a., weil die Zielstelle nicht so leicht zu finden ist),

    1. an den Anfang zurückspulen, was heute wohl eher heißt: das Video komplett neu starten.

Und Schüler können ja durchaus auch lernen, indem sie sich Videos immer wieder aufs Neue (ganz!) anschauen und jedesmal ein bisschen dazu lernen. Also


Auch das beste Lernvideo ersetzt kein Üben und keine Übertragung auf ähnliche Sachverhalte. Man könnte also (als ein wenig neidischer Lehrer) auch sagen: die gängigen Lernvideos picken sich die Rosinen aus dem Kuchen - und überlassen der Schule die „Mühen der Ebenen“.


An dem Zeitungsartikel

interessiert mich aber neben der Überschrift

auch der Textauszug

Mal angenommen, dass die Aussage

"[...] die entscheidende Erkenntnis für den Stoff aus einem halben Schuljahr [...]"

 über die oft nur fünf Minuten langen Mathe-Youtube-Filme von Daniel Jung

(und anderen YouTubern)

 zutrifft:

(also z.B. etwas, was ihnen Spaß macht:   .)

(eine - wie mir scheint - gründlich naive Vorstellung),

(etwa so, wie sie zur Freude der FDP und reaktionärer Kräfte

[denen die Fernsehanstalten sowieso viel zu "linksversifft" sind und die lieber vollends unpolitisches Entertainment hätten]

vermutlich dem "Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk" den Todesstoß versetzen werden)?

Ich will hier nicht die Apokalypse an die Wand malen - und überhaupt:

"Voraussagen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen."
(Jacques Chirac und Mark Twain und Nils Bohr und und und zugeschrieben)

Und ich sehe zwar die potentiell extremen Gefahren der "Neuen Medien", werde der derzeitigen Schule

(mindestens sechs Stunden Unterricht am Tag, Lehrer unterrichten Klassenverbände in einem Klassenraum, Klassenarbeiten ...)

aber auch nicht unbedingt hinterhertrauern.

(Ein Parallelbeispiel ist der Online-Handel à la Amazon:

[so groß kann das Verdienst eines Menschen gar nicht sein, dass er so viel Geld verdient],

[vgl. schon jetzt China],

Ansonsten [wo ich schon so schön dabei bin] bin ich aber unbedingt dafür, dass im Rahmen der rechtlichen [noch zu schaffenden?] Möglichkeiten die Digital-Großkonzerne zerschlagen werden.

[Ein schönes Beispiel, dass sowas selbstverständlich geht, wenn man nur will, ist der "Sherman Antitrust Act" - und endlich geht‘s los:

*

*

( 16.12.2020)].

Für Amazon würde das mindestens bedeuten:

[d.h. der Ruin der gesamten sonstigen Versandsparte]

verboten.

Und Amazon sowie andere digitale Konzerne werden verpflichtet, ihre Steuern dort zu zahlen, wo ihre Kunden wohnen.

Google und Facebook werden

[auf die Gefahr hin, dass sie ihr Geschäftsmodell verlieren]

gezwungen, ihre Algorithmen zu veröffentlichen, "und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt": )


Es scheint mir aber fraglich, ob ein 5-Minuten-Video ein ganzes Halbjahr Mathematik ersetzen kann

(was in dem obigen Zitat ja auch gar nicht drin steht; und ich bezweifle auch, dass Jung das wollen würde).

Man schaue sich mal an, was solche Lernvideos wie die von Jung ersetzen: die Vermittlung gewisser Rechenfertigkeiten, also einer Einseitigkeit, die Jung ja selbst kritisiert:

.

So gesehen ist Jung der Reparaturbetrieb des Schulsystems: er verändert es nicht

(weil die Schüler es nicht verändern können, sondern "durchkommen" müssen),

sondern ergänzt "nur" etwas

(anderweitig hat er allerdings durchaus Ideen zur Veränderung des Schulsystems entwickelt; Ideen, denen ich allerdings keineswegs durchgehend zustimme).

In seinem Zitat legt Jung allerdings den Finger in die Wunde:

"Wir leben [was er offensichtlich nicht richtig findet] in einem System, dem es wichtig ist, dass wir durch Prüfungen durchkommen."

Das Grundproblem sind also die Prüfungen (meistens Klassenarbeiten), oder genauer: das Grundproblem ist die Art dieser Prüfungen, nämlich (im Fach Mathematik) das Abprüfen von Rechenfertigkeiten statt von Wissen über "Strukturen und Zusammenhänge".

Bei den Rechenfertigkeiten können Mathematik-YouTuber wie Jung allerdings durchaus hilfreich sein - und auf Dauer die Schule vielleicht sogar ersetzen.

Sicherlich könnte man "die Strukturen und Zusammenhänge" ebenfalls in Lernvideos behandeln. Und doch glaube ich, dass dieses Erkennen von Strukturen und Zusammenhängen die Stärke der Schule

(und ihre Existenzberechtigung!)

sein könnte.

(Nebenbei:

erfolgreich als Social-Media-Experte und biedert sich der Industrie als „Keynote-Speaker“ zu fundamentalen Bildungsfragen an.

Nun liegt es mir fern, seine enormen Verdienste mit seinen Mathematik-Videos zu schmälern, aber „Schuster, bleib bei deinen Leisten“: lieber Herr Jung, Sie sind bislang nicht mehr und nicht weniger als ein exzellenter Nachhilfelehrer.)


Die einschlägigen YouTuber sind also bislang mehr oder weniger gute Nachhilfelehrer mit - rein zahlenmäßig betrachtet - enormem Erfolg.

Um nur drei Beispiele zu nennen:

(Stand Dezember 2019)

Ich werte diesen Erfolg zu allererst als Signal für ein totales Versagen des Schulsystems!

(Vgl. ; und eben auch YouTuber als Hilfslehrer.)

Die YouTuber zeigen „der“ Schule gründlich, was eine Harke ist:

„jemandem zeigen, was eine Harke ist (salopp: jemandem nachdrücklich und unmissverständlich die Meinung sagen; jemanden deutlich belehren, ihm zeigen, wie etwas viel besser, richtig gemacht wird) [...]“
(Quelle: )


Die besten (tausende!) Lernvideos im Fach Mathematik stammen aber noch immer von Martin Wabnik. Hier nur ein Beispiel:

Leider ist Wabnik aber vom allgemein zugänglichen YouTube zum kostenpflichtigen "Sofatutor" abgewandert

(nunja, der muss halt auch seine Brötchen verdienen)


Die einschlägigen (oben bereits genannten) YouTube-Kanäle wären es allemal wert, an ihnen exemplarisch zu untersuchen, “wie etwas viel besser, richtig gemacht wird“. Ich könnte mir da Lehrerfortbildungen vorstellen, auf denen untersucht wird


Ich habe in meiner Lehrerzeit als einer der ersten immer wieder „Neue Medien“ in den Unterricht eingebaut - und hatte dazu einen eigenen Medienkoffer


(mit allen technischen Schikanen),

weil „meine“ Schule noch nicht gut genug mit einer entsprechenden technischen Infrastruktur ausgestattet war oder mal wieder nix funktionierte

(was sich inzwischen allerdings geändert hat).

Und selbstverständlich werden die „Neuen Medien“ die Schule massiv verändern, ja, vielleicht sogar in ihren Grundfesten erschüttern (s.o.).

Gleichzeitig bin ich aber beim „Digitalpakt“ äußerst skeptisch:

(Ist mir ja peinlich, aber bei "Digitalpakt" habe ich gleich an den "Hitler-Stalin-Pakt" gedacht.)

Der „Digitalpakt“ fördert meiner Meinung nach ein extrem einseitiges, immer nur von der Technik und dem Kommerz aus gedachtes Verständnis von Bildung

              (wenn man da überhaupt noch von Bildung sprechen kann):

(weil überzeugende pädagogische Konzepte weitgehend fehlen),

das besser z.B. für die Verkleinerung der Schulklassen (also mehr Lehrer!) ausgegeben würde.

Entscheidend wird sein, dass die Richtung nicht durch die Technik-Freaks

(die es auch unter Lehrern gibt)

vorgegeben wird, sondern durch kritische Pädagogen, die genau überlegen, wo und wie der Einsatz „Neuer Medien“ sinnvoll ist - und wo nicht

(wobei ich mit „kritische Pädagogen“ sicherlich nicht diejenigen meine, die von keiner Ahnung getrübt immer schon gegen alles waren).

„Kritisch“ heißt auch, die

(neben allen Chancen)

enormen sozialen und psychologischen Gefahren der „Neuen Medien“ mitzubedenken und mit zu unterrichten

(was auch heißt, dass man die „Neuen Medien“ auf keinen Fall den Informatiklehrern überlassen darf; und gefährlich wird der Digitalpakt auch, wenn man ihn der Kultusbürokratie überlässt, denn die bricht sofort in Regelungswut aus - und schönt alle „Evaluationen“, denn merke: die Schulpolitik und -bürokratie macht nie Fehler).

Solch ein kritischer Unterricht darf aber auf keinen Fall

(wie Schule ja leider allzu oft)

moralinsauer sein:

„moralinsauer: in aufdringlicher, übertriebener Weise moralisierend“
(Quelle: )

Ein Beispiel:

(mein damals etwa zehnjähriger Neffe hat mir da mal einen perfekten ironischen Vortrag drüber gehalten - und ich habe am Boden gelegen vor Lachen;

nebenbei mal ein böser Vergleich: den Neonazis muss man auch nicht erklären, dass die Nazizeit Massenmord bedeutete; das wissen sie doch längst - und wollen sie ja),

Und doch: die Unterstellung, dass die Kritik an „Neuen Medien“ immer nur von „alten Säcken“

("Non-Digital-Natives")

komme, die einfach nicht mehr mit den „Neuen Medien“ zurechtkämen und ihre Unfähigkeit in eine Überlegenheit ummünzten

- ist auch nur ein Killerargument

(vgl. ).

Und selbst wenn die „alten Säcke“ technisch keine Ahnung haben: „man muss die Tollkirsche nicht gegessen haben, um zu wissen, dass sie giftig ist“.

Gleichzeitig sehe ich aber auch eine Gefahr in denjenigen, die technisch hinterherhecheln und deshalb Minderwertigkeitskomplexe haben: sie überlassen dann den Technik-Freaks das Feld: die ziehen dann ungestört - und nicht von den mindestens Zweifeln angehaucht - gnadenlos ihr Ding durch: was machbar ist, wird auch gemacht und ohne Rücksicht auf Verluste umgesetzt:

(Da bin ich stolz, ein nach- und vorausdenkender "Bedenkenträger" zu sein:
"jetzt erst recht!")

Nebenbei: auch in Sachen "Digitalpakt" gehört Schulsponsoring grundsätzlich verboten. Basta!


Eine große Zukunft werden andere YouTube-Videos in der Schule haben:

also Filme über all das, was Lehrer nunmal nicht zeigen können, was aber sinnvollerweise in den Unterricht gehört und ihn bereichert.

Einige Beispiele

(wobei es natürlich nie reicht, die Filme einfach vorzuführen und sich darauf zu verlassen, dass die Schüler sie schon von selbst verstehen).

(weil sie zu gefährlich sind oder weil die Ausstattung nunmal nicht reicht, um alle Schüler selbst experimentieren zu lassen);

(wieder, weil die Ausstattung nicht reicht, die Experimente viel zu teuer wären oder enorm viel Zeit für den Aufbau benötigen).

Ein schönes Beispiel für den Einsatz von YouTube-Videos im Physik-Unterricht ist auch

.

Lesch ist vor allem Astrophysiker, womit ein bislang sträflich vernachlässigtes Teilgebiet der Physik Einzug in den Schulunterricht halten würde - wozu erstmal Platz und (der Albtraum aller Kultusbürokraten:) Freiheiten im übervollen Lehrplan geschaffen werden müssten:

(Und ebenso müssten viele andere Fächer [z.B. auch die Mathematik] mal frohgemut entrümpelt werden.)

Aber am Beispiel von Lesch wird noch anderes, weit über die Naturwissenschaften Hinausgehendes deutlich:

und !

D.h. da wird der ursprüngliche (und doch modernisierte) Auftrag zumindest des Gymnasiums (wilhelm-von-humboldtscher Prägung) endlich mal wieder ernst genommen. Ein Auftrag, zu dessen Wiederbelebung ein völliger, allerdings wohl utopischer Umbau „der“ Schule nötig wäre.

abgesehen vielleicht von sogenannten „Lesedramen“ sind Dramentexte ja nicht fürs Publikum (Schüler), sondern allein für Regisseure und Schauspieler geschrieben, die daraus eine Aufführung machen, die das Publikum dann anschauen kann.

Nachteil im Hinblick auf Schulen ist nun aber, dass im Unterricht behandelte Dramen oftmals nicht gerade in der Nähe aufgeführt werden.

(Wenn irgend möglich, sollte man also Dramen in der Schule durchnehmen, die gerade in der Nähe aufgeführt werden. Einen [einzigen] Vorteil hat hier aber tatsächlich mal das Zentralabitur mit seinen Lektürevorgaben: um mal endlich die Ränge voll zu bekommen, bieten Theater inzwischen gerne Aufführungen von Dramen an, die gerade Pflichtlektüre sind.)

Vorteil der Texte bleibt natürlich, sich Textpassagen mal sehr genau anschauen zu können, also die sprachliche „Sensibilität“ der Schüler zu fördern.

Dennoch bleiben viele Dramentexte für Schüler

(die es wegen vermehrten Videokonsums und daher mangels Leseerfahrung nicht mehr gewohnt sind, Texte mit „Phantasie“ aufzufüllen; aber war das jemals besser?)

reine Druckerschwärze.

Da helfen dann Videos von Theateraufführungen oder zumindest Auszüge davon, also z.B.

(Anweisung an die Schüler: achtet  auf 1. die Gestik und Mimik, 2. Betonungen, 3. die Sprechgeschwindigkeit - und Pausen!)

eine Mathematik-Aufgabe wie

„Ordne die größten Seen der Welt [mit Angabe der Flächengröße in Quadratkilometern] der Größe nach.“

gehört strikt verboten, wenn die „Anwendung“ nur für Mathematik missbraucht, also nicht auch geklärt wird, wo die Seen liegen, und keine Vorstellung von ihrer Größe („Kaspisches Meer [!]“) und Bedeutung vermittelt wird.

Vgl. z.B.

.

das Fach Geschichte handelt prinzipiell von Vergangenem, also nicht mehr direkt Erreichbarem, und entsprechend schwer fällt es gerade jungen (noch geschichtslosen?) Menschen, sich in fremde Zeiten einzudenken

(„war früher die ganze Welt schwarzweiß?“).

Quellen-Texte

(mit dem ewig gleichen, unerträglich langweiligen Auftrag „analysiere [und interpretiere] den Text!“)

sind da sicherlich eine (wichtige!) Möglichkeit, bleiben aber für Schüler oft so staubtrocken und „bildlos“, wie es oben für Dramentexte gezeigt wurde.

Und Videos, in denen steinalte und für Jugendliche weitgehend unverständliche Wissenschaftler sich zu historischen Ereignissen äußern, sind für Schüler wohl auch nicht gerade prickelnd.

Da bietet die Form des „Biopics“ doch ungeahnte Möglichkeiten:

„Eine Filmbiografie – auch Biopic (vom engl. biographical und engl. motion picture) – bezeichnet einen Film, der in fiktionalisierter Form das Leben einer geschichtlich belegbaren Figur erzählt.“
(Quelle: )

Im Unterschied zum historischen Spielfilm ist das „Biopic“ um größte historische Detailtreue bemüht (oder sollte es sein). Es lässt die unerreichbare Vergangenheit probeweise als Gegenwart erleben: wir schauen einer historischen Figur sozusagen über die Schulter und erleben ihre Gegenwart (unsere Vergangenheit) "hautnah" mit.

Ein Beispiel:

YouTube ist randvoll mit exzellenten Dokumentationen

(am besten sind die vom Hass-Sender aller Schüler, nämlich Arte),

die ganz oder teilweise im Unterricht gezeigt werden könnten.


Was fehlt, ist eine stetig ergänzte und überarbeitete „Kritische Deutsche Datenbank brauchbarer Lern-Videos“ (KDDbLVs).

Die kleine Schwester davon ist eine Liste, die ein Lehrer mit seinen Schülern zusammen für den Hausgebrauch erarbeitet, woran Schüler erfahrungsgemäß gerne mitarbeiten und wozu sie viele brauchbare, dem Lehrer noch gar nicht bekannte Ideen beitragen können, da sie ja sowieso schon zuhause viele Lernvideos benutzen.