"personale Bildung" in Schulfächern

  "Sie haben aber konservative Grundsätze!"
"Grundsätze sind per se konservativ."

Die modischen Schlagwörter (und damit die Chancen, ein Projekt genehmigt zu bekommen) wechseln schneller als meine Launen

(vgl. Bild ).

 Gute Chancen hat derzeit z.B.


Dabei ist "personale Bildung" für mich eine Tautologie

(Tau|to|lo|gie, die; -, ...ien (Fügung, die einen Sachverhalt doppelt wiedergibt, z.B. »immer und ewig« , »voll und ganz« ; auch svw. Pleonasmus)
Duden - Die deutsche Rechtschreibung, 23. Aufl. Mannheim 2004 [CD-ROM]),

denn jede "Bildung", die diesen Namen überhaupt verdient, ist selbstverständlich eine personale

(da bin ich - auch wenn der Idealismus inzwischen historisch und bei mir selbst zu Recht verflogen ist - ganz Anhänger Wilhelm von Humboldts; vgl. Bild ).

Bzw. umgekehrt: eine rein formale bzw. Fakten-"Bildung" mag zwar als Handwerkszeug und dazu nötig sein, an ihr personale Bildung zu treiben, ist aber ohne Letztere eben keine Bildung, sondern nur "Wissensballast" oder eiskalt leerlaufende Intelligenz (statt Intellekt).

Eins meiner Lieblingszitate gegen den derzeitigen Trend:

"Die Festschreibung einiger (notwendigerweise spezieller) Inhalte als »allgemeinbildend«  verkehrt den Sinn von Allgemeinbildung. Denn eine inhaltlich kanonisierte »allgemeine Bildung« , die erstrebt wird, um gebildet zu sein und um vor anderen gebildet zu erscheinen, deformiert die Bildung zum Statussymbol, ist ungehemmte Begierde, ist mithin ein Nichts."
(Georg Wilhelm Friedrich Hegel)


Warum plötzlich die Renaissance der "personalen Bildung"?

Weil man mit Schrecken bemerkt hat, dass es vielen SchülerInneN (tatsächlich oder angeblich)

(Rechtschreibung, Prozentrechnung, Dreisatz ... und das ist dann meist schon das Ende vom Klagelied),

(... und dementsprechend ist dann etwa in Bild von der Trias "personale[r], soziale[r] und fachliche[r] Bildung"  die Rede).

Wenn das so stimmt, muss man natürlich änderungen in beiden Richtungen beginnen.


Nun frage ich mich allerdings, ob die überbetonung der fachlichen "Bildung" geradezu (Teil-)Ursache des Mangels an personaler Bildung sein könnte - und ob das derzeit sogar "verschlimmbessert" wird, wenn allüberall zentrale (fachliche!) Prüfungen eingeführt werden.

(Die Bildungspolitik scheint mir - auf den ersten Blick - schizophren:

Oder ist - auf den zweiten Blick - Letzteres nur Feigenblatt für Ersteres

[etwa so, wie oftmals pädagogisch verpackt wird, was in Wirklichkeit der Finanzminister beschlossen hat]?)

Aber ich möchte ja zumindest probeweise (vor-)urteilslos sein: es ist doch immerhin denkbar, dass man mit einer klareren fachlichen Struktur auch ein "Geländer" für die personale Bildung schafft, denn an irgendwas (am besten der "Welt") muss sich die personale Bildung ja "abarbeiten" bzw. emporranken.


An vielen Schulen sind zwecks personal-sozialer Bildung inzwischen Zusatzelemente zum normalen Unterricht eingeführt, und zwar beispielsweise in Form von Projekttagen:

(wie sagten SchülerInnen mal: "wir sind ja alle potentiell kriminell").

Ich habe gar nichts gegen diese Versuche, achte das Engagement der beteiligten LehrerInnen sehr hoch

... und zweifle doch an der dauerhaften Wirksamkeit (neudeutsch: Nachhaltigkeit) dieser Versuche.

Ein Beispiel ist das bereits genannte "Lernen lernen": wenn es nur punktuell (etwa an einigen Projekttagen) geübt, also nicht an den laufenden Unterricht rückgebunden wird, verpufft es meist sehr schnell.

Und umgekehrt bleibt im Eifer des Stoff- und Klausurendrucks oftmals (scheinbar oder wirklich) keine Zeit für solch "pädagogischen Schnickschnack".


Meine Frage ist also,

ob die personale Erziehung in den laufenden Fachunterricht eingebunden werden kann - und muss.

Damit meine ich nicht so etwas (scheinbar?) Oberflächliches wie "jetzt seid alle auch in Mathe, Deutsch, Englisch ... nett zueinander", sondern

ob das Fachliche selbst zur personalen Bildung beitragen kann.

Drei Beispiele:

  1. Das Fach "Religion" (neudeutsch: "Ethik") steht ja sowieso im Ruf, andauernd "personale Bildung" zu treiben - also penetrant moralinsauer zu sein

(ein Ruf, der - zumindest bei einigen KollegInnEn - vielleicht zu Unrecht herrscht),

  1. Projekte mit dem Namen "Fair streiten" gehen ja wohl (zumindest "offiziell") von zweierlei aus:

  1. dass Zuschlagen und Anpöbeln abzulehnende, weil unfaire Mittel sind,

  2. dass Streiten an sich aber keineswegs schlecht, sondern sogar wichtig ist.

Folgerung daraus könnte sein, dass vor allem verbales (und dann noch zusätzlich faires) Streiten gelernt werden soll.

Das schreit aber doch geradezu danach, dass "faires Streiten" ausdrückliches Thema des Deutschunterrichts wird, und zwar nicht (nur) als Analysethema

("wir schauen uns an, wie im »Literarischen Quartett«  gestritten wird, denn »die«  dürfen das"),

sondern (auch), indem die SchülerInnen tatsächlich verbal (und fair) miteinander streiten.

Ganz wichtig im Sinne der o.g. Definition von "fair streiten" wäre dabei, dass SchülerInnen Spaß am fairen verbalen Streiten, also an intellektuellen Scharmützeln, ja wenn nicht sogar mal an verbalen "Hinrichtungen" finden.

(Vgl. auch Bild )

  1. Ich höre schon die Einwände von gewisser Seite:

"Jadoch, in den Geistes- und Sprachwissenschaften geht das natürlich alles wunderbar

(und deshalb sind es ja auch Blablafächer),

aber doch wohl nicht in »richtigen«  Wissenschaften wie Mathematik und Naturwissenschaften."

Ich stelle dem hier nur knapp entgegen, dass für mich durchaus auch im Fach Mathematik personale Bildung "betrieben" werden kann.

Das fängt noch "fächerübergreifend" an, indem

Aber ich meine auch, dass es die eigentliche Mathematik angeht, die nicht mehr als Klotz behandelt werden darf, der fertig vom Himmel fällt, sondern als "kulturelle Entdeckungsreise".

Oder es müssen in den Mathematikunterricht neben dem eigentlichen (durchaus wichtigen!) Rechnen auch die Freuden und Gefahren der Mathematik deutlich werden:

Oder kurz und bändig bzw. lang und breit: Bild